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Ausstellung

Beziehung des prominenten Schweizer Malers, Symbolisten und Wegbereiters des Expressionismus zur Berliner Kunstszene von der Jahrhundertwende bis zum Ersten Weltkrieg



Ausstellungsposter BG - Ferdinand Hodler, Lied in der Ferne, 1904/05 | Foto (C) Kunsthalle Mannheim / Rainer Diehl

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Den berühmten Schweizer Maler Ferdinand Hodler (1853-1918) verband viel mit Deutschland. Er hatte hier immer wieder wichtige öffentliche und private Aufträge erhalten. Neben der Wiener Secession war er auch Mitglied der Berliner Secession und der Münchner Sezession. Seinen Durchbruch als Künstler in Deutschland erlangte er mit dem monumentalen Gemälde Die Nacht, das wegen der Darstellung nackter Leiber 1891 als anrüchig erachtet aus einer Ausstellung im Genfer Musée Rath entfernt wurde. Hodler zeigte es in einer von ihm selbst ausgerichteten Schau und finanziert mit dem Eintrittsgeld eine Reise nach Paris, um das Bild dort im Salon du Champ-de-Mars zu zeigen. Es folgten Ausstellungen in München und Berlin. Damit war der Eintritt in die Berliner Kunstszene der Jahrhundertwende getan. Bis 1913 folgten 13 weitere Ausstellungsbeteiligungen mit KünstlerInnen der Berliner Secession. Eigene Galerie-Ausstellungen erhielt Hodler in den Kunstsalons von Fritz Gurlitt und Paul Cassirer, der zu seinem wichtigsten Kunsthändler in Deutschland wurde.

In der Ausstellung der Berlinischen Galerie, die selbst kein Bild von Ferdinand Hodler in ihrer Sammlung hat, steht Die Nacht nun im Mittelpunkt einer Schau, die den Schweizer Maler in Beziehung zur Berliner Kunstszene vor dem Ersten Weltkrieg zeigt. Hodler hatte sich auf dem Gemälde zwischen schlafenden Nackten selbst in Szene gesetzt als Mann, der vor einer schwarz verhüllten Gestalt auf seinem Körper erschrickt. Ein düsteres Bildnis mit der für Hodler so typischen symbolistischen Bildkraft. Der 1889 entstanden Nacht ist das zehn Jahre später entstandene Monumentalgemälde Der Tag (beide aus dem Kunstmuseum Bern) gegenübergestellt. Es verdeutlicht ein weiteres Merkmal Hodlers, den von ihm entwickelten Stil des Parallelismus, der gleiche Motive aus der Natur oder mehrere menschliche Körper zu einer Bildkomposition vereint. Symmetrisch angeordnet sind hier fünf nackte Frauen, die durch ihre artifiziellen Gesten Empfindungen der Verzückung ausdrücken sollen. Eine Beschäftigung Hodlers mit der Darstellung der „Sacra conversazione“, der sogenannten heiligen Unterhaltung in der Kunst der italienischen Renaissance.



Ferdinand Hodler, Die Nacht, 1889-1890 | Foto (C) Kunstmuseum Bern



Ferdinand Hodler, Der Tag, 1899-1900 | Foto (C) Kunstmuseum Bern


Mehrere der hier thematisch in vier Räumen ausgestellten Werke Hodlers folgen dieser Art der Bildgestaltung. So etwa Der Frühling (1910), Heilige Stunde (1911), Die Empfindung (1909) oder Die Lebensmüden (1892) als Beispiele für Hodlers symbolistische Figurenbilder, aber auch die zahlreichen Landschaftsgemälde, in denen der Künstler die Schweizer Berge oder den Genfersee malte, sind nach diesem Prinzip aufgebaut. Dem Ausdruck von inneren Seelenzuständen, Gefühlen und Stimmungen gehörte das Hauptinteresse Hodlers, was sich bereits in den Bildern seiner noch naturalistischen Frühphase erkennen lässt. Die Ausstellung beginnt dann auch mit den Anfängen des jungen Malers aus den 1870er Jahren, die hier als vielversprechend bezeichnet werden. Hodlers Selbstbildnis Der Zornige (1881), seine Jünglings- und Knaben-Darstellungen oder der andächtig kniende Schreiner in Blick in die Ewigkeit (1885) zeigen bereits eine stark symbolistische Ausdrucksweise.

Der Tod und die Trauer über den Verlust geliebter Menschen (Hodlers Eltern und die vier jüngeren Brüder starben an Tuberkulose) spiegelt sich ebenso in den Werken des Malers wieder. „In der Familie war ein allgemeines Sterben. Mir war schließlich, als wäre immer ein Toter im Haus und als müsste es so sein“, erinnerte sich Hodler später an seine Kindheit und Jugend in recht einfachen Verhältnissen. In der Abteilung Portraits hängt eines der Bilder aus einer ganzen Serie, in der der Künstler das Krebsleiden und Sterben seiner ehemaligen Geliebten und Mutter seines Sohnes, Augustine Dupin (1852–1909), dokumentierte. Hodlers Portraits sind modern und ausdrucksstark. Formal wirken seine Frauenköpfe wie Ikonen der Renaissancekunst oder des verspielten Jugendstils, sind aber farblich dennoch bereits stark am Expressionismus orientiert. Hodler liebte leuchtende Farbtöne, wie man im Gemälde Bildnis Gertrud Müller sehen kann. Hodler malte die Solothurner Kunstsammlerin und Mäzenin in mondäner Pose wie in einem Damenportrait von Gustav Klimt. Das Bild beherrschte 1913 den Mittelsaal einer Berliner Secessions-Ausstellung, wie ein Kritiker schrieb.

Ein ganzer Raum ist dem Vergleich Hodlers mit KünstlerInnen der Berliner Secession wie Lovis Corinth, Walter Leistikow, Sabine Lepsius, Eugen Spiro, Fritz von Uhde oder Julie Wolfthorn gewidmet. Die Berlinische Galerie rekonstruiert hier zum Teil aus eigenen Beständen die damaligen Gruppenausstellungen der Berliner KünstlerInnenvereinigung. Ins Auge fällt hier auch die überlebensgroße ausdrucksstrake Figur im Gemälde Einmütigkeit, Der Redner (1911-13), die Hodler für das Zentrum seines 15 Meter langen Wandbilds Einmütigkeit im Neuen Rathaus Hannover entwickelte. In diesem Auftragswerk ist der Reformationsschwur der Bürger von Hannover im Jahr 1533 dargestellt. Auch zum 350. Geburtstag der Universität Jena schuf Hodler ein ähnlich patriotisches Monumentalgemälde, was ihm in Deutschland zusätzlichen Ruhm verschaffte, der infolge Hodlers Unterschrift unter die Genfer Protestnote gegen die Beschießung der Kathedrale von Reims zu Beginn des Ersten Weltkriegs je verblasste. Es kam zur Entfernung seiner Werke aus deutschen Ausstellungen und Museen sowie Ausschlüssen aus den KünstlerInnenvereinigungen.

Das führte allerdings zu keiner nachhaltigen Verdammung des Künstlers, dem in seiner Schweizer Heimat Professuren und Ehrendoktorwürden angetragen wurden. Schon zu Lebzeiten zierten Motive aus zwei seiner Gemälde Schweizer Banknoten, wie etwa der in Berlin ausgestellte Mäher (1909/10). Vielversprechend, herausragend, monumental - die Hodler-Ausstellung in der Berlinischen Galerie wirft mit Superlativen nur so um sich, was mit 50 Werken des Künstlers aus der Schweiz und Deutschland auch weitestgehend beglaubigt werden kann. Nach der großen Hodler-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn, 2017 sind die Werke Hodlers, der zum letzten Mal im Jahr 1983 in einer Schau der Nationalgalerie in Berlin zu sehen war, hier noch bis zum 17. Januar zu bewundern.



Ferdinand Hodler, Selbstbildnis, 1916 | Foto (C) Kunstmuseum Bern

Stefan Bock - 25. September 2021
ID 13166
Weitere Infos siehe auch: https://berlinischegalerie.de


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