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Abfallprodukt

Kunst

El Anatsuis grandiose Schau
TRIUMPHANT SCALE


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Es hat mit einem Zufall angefangen. Der afrikanische Künstler El Anatsui fuhr über eine staubige Landstraße in Nigeria, machte Rast und fand unter einem Busch eine Tüte voller Flaschenverschlüsse. Er nahm die Tüte mit in sein Atelier, wo sie monatelang herumlag. Eines Tages erinnerte sich El Anatsui an den Fund und leerte die Tüte aus. Die Aluminium-Teilchen faszinierten ihn. Er glättete, bog und faltete sie, schnitt sie zu. Und dann begann er die blinkenden bunten Stückchen mit Kupferdraht zu verknüpfen. Am Ende kam eine monumentale Wandskulptur heraus. So entstand 2001 Man´s Cloth (Männer-Stoff), eine Arbeit, die an afrikanische Prachtumhänge erinnert und so faltig drapiert ist, als habe ihn ein riesiger Würden-Träger mal eben locker auf den Boden geworfen. Abertausende Flaschenkränze hatte der Künstler mit seinen HelferInnen da vernäht: silbrig und bunt, voller Gebrauchsspuren und zerkratzten Aufdrucken. Und, o Wunder - recycelter Zivilisationsmüll wurde zu einer schimmernden Pretiose.

Oder Red Block (roter Block) von 2010. Pure Eleganz. Auch hier wurden gebrauchte Verschlüsse verwendet, diesmal ausschließlich in rot und von der nigerianischen Firma Castello, ein Konzern, der Rum produziert. Wobei der Alkohol für unser globalisiertes Konsumverhalten steht, auf das El Anatsui hinweisen will. Schließlich waren es die Europäer, die den nicht immer segensreichen Rum nach Afrika brachten.



Red Block von El Anatsui im Münchner Haus der Kunst | Foto: Petra Herrmann

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Die größte Innenraumskulptur, speziell für diese Ausstellung angefertigt, erstreckt sich über eine ganze Galerie-Wand. Kleine weiße Streifen aus Deckeldichtungen ergeben eine sanft gewellte Fläche, die unter einem silberfarbenen Horizont langsam ansteigt: Steigender Meeresspiegel hat El Anatsui dieses Werk von 2019 genannt. Eine Reaktion auf die Umweltbedrohungen durch die Erderwärmung.

Und dann die wunderbare Installation Logoligi Logarithm, ebenfalls von 2019. Sie besteht aus Millionen zusammengehängter Ringlein besagter Flaschenverschlüsse. Daraus wurden 66 filigrane Vorhänge. Sie bilden ein zartes, transparentes Labyrinth, durch das man hindurchwandern kann ohne sich zu verlieren, es sei denn in eigenen Fantasien. Durchlässige Mauern, die bei jedem Schritt andere, neue Durchblicke gestatten. "Logoligi" ist übrigens ein lautmalerisches Wort aus der ghanaischen Sprache Ga. Es bedeutet eine organische, sich schlängelnde Linie, kann aber auch existentielle Unsicherheit und Orientierungslosigkeit meinen. Die vielen Wege durch das Labyrinth – eine Metapher für die Ungewissheit des Lebens?



Logoligi Logarithm von El Anatsui
im Münchner Haus der Kunst
Foto: Petra Herrmann

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El Anatsui, Jahrgang 1944, zählt zu den bekanntesten lebenden Künstlern Afrikas. Die Ausstellung gibt einen Überblick über sein fast 50jähriges Schaffen. Frühe Rundteller, Skulpturen und Reliefarbeiten aus Holz, Keramik und eine Vielzahl von Zeichnungen und Drucken sind zu sehen. All dies zeugt davon, wie konsequent der Künstler daran arbeitete, mit einfachem Material formal anspruchsvolle und konzeptionell vielschichtige Arbeiten zu entwickeln. Sein Engagement gilt der Erkundung der reichen künstlerischen Traditionen Afrikas, die er in moderne Formen übersetzt: „Geh zurück und ernte“. Dieses Leitwort des panafrikanischen Denkens hat El Anatsui für sich übernommen. Es führte ihn nach der Ausbildung an einer britisch geprägten Kunstakademie zu seinen afrikanischen Wurzeln zurück. Und zur Geschichte Afrikas, der Sklaverei, der Migration, dem Kolonialismus, sowie der globalisierten Gegenwart.

Sogar das Haus der Kunst selbst, ein monumentaler, neoklassizistischer Bau mit sichtbar nationalsozialistischer Vergangenheit, hat von El Anatsuis so ästhetischem wie behutsamem Umgang mit Geschichte profitiert. Er hat die historische Fassade verkleidet, aber nicht verhüllt. Das belebt sie. Second Wave ist seine bislang größte Arbeit mit einer Länge von 110 Metern. Sie besteht aus Tausenden von Offsetdruckplatten einer Münchner Tageszeitung und eines Kunstbuchverlages. Des Künstlers Kommentar zur heutigen Informationsflut. Auch hier wurde gefaltet, gepresst, gebogen, geschweißt. Und plötzlich scheint die starre Front des Hauses der Kunst in Fluss zu geraten, sie schlägt Wellen, die immer bunter und bunter werden - je näher sie der Surfwoge des berühmten Eisbachs kommen.



Second Wave von El Anatsui am Münchner Haus der Kunst | Foto: Petra Herrmann

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Hingehen und große Augen machen! Am besten mit Nachwuchs, der kanns bestimmt. Übrigens: Senta Berger kann man dort täglich treffen. Sie hat ihre wundervolle Stimme dem Audioguide geliehen. Da gibt es auch einen schönen Text eigens für Kinder.


Petra Herrmann - 16. April 2019
ID 11355
Weitere Infos siehe auch: https://hausderkunst.de


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petra-herrmann-kunst.de

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