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Werkbetrachtung

Danae und der Goldregen

von Tizian



Akrisios, der König von Argos, lässt seine Tochter in einen Turm sperren und sie schwer bewachen. Er will damit – obwohl er es eigentlich hätte besser wissen müssen – einem Orakelspruch entkommen, der ihm vorausgesagt hatte, dass sein Enkel ihm zuerst sein Leben und dann seinen Thron rauben würde. Der Gott der Götter und Schürzenjäger Zeus entdeckt die schöne Danae aber trotzdem, kommt nachts in Form von Goldregen zu ihr, und das Resultat aus der Liebesnacht ist der Held Perseus, der spätere Bezwinger der Medusa. Der König zweifelt, verdächtigt zuerst einmal seinen Bruder und setzt dann zur Sicherheit Mutter und Kind kurzerhand in einem Holzkasten auf dem Meer aus. Dabei hat er natürlich nicht mit den göttlichen Familienbanden gerechnet, denn Zeus‘ Bruder Poseidon verordnet dem Meer kurzerhand eine Wellenpause, damit die beiden Flüchtenden nicht ertrinken. Auf einer Kykladeninsel gehen sie schließlich an Land und werden von einem Fischer in Sicherheit gebracht, und weil es eben kommt, wie es kommen muss, tötet Perseus seinen Großvater Akrisios mit einer von den Göttern umgeleiteten Diskusscheibe während eines Wettkampfes – aus Versehen, versteht sich.

Einfach war es nicht, den großen Meister und seinerzeit begehrtesten Porträtisten Europas nach Rom zu locken. Tizian (ungefähr 1488-1576) wollte sein Venedig nicht verlassen. Reisen war ihm zuwider, und außerdem wütete die Pest wieder mal im Lande. Sowohl Kaiser als auch Papst buhlten um seine Gunst, und Tizian stand mitten im Machtkampf zwischen König Karl V., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, und dem Farnese Papst Paul III. Als ungefähr 60jähriger kommt Tizian schließlich doch noch in der ewigen Stadt an und bleibt ganze sechs Monate, besucht die antiken Bauten und die Sixtinische Kapelle. In Rom entsteht um 1545 die Neapel-Danae und ein großartiges Dreierportrait des fast 80-jährigen Papstes mit seinen verschlagenen und auf seinen Papststuhl lauernden Enkeln, wobei diese offiziell als Neffen durchgingen, musste ja nicht jeder sofort wissen, dass die Sprösslinge leibliche Nachkommen des Papstes waren. Das Bild ist unfertig und ein psychologisches Glanzstück. Der alte, listige Papst, in der Mitte sitzend, der junge Ottavio im Kniefall, gerade auf dem Weg des Papstes Schuh zu küssen und links hinter dem Obersten Kirchenfürsten stehend stolz Alessandro in Kardinalsrobe und erhobener Hand. Letzterer, Alessandro Farnese, war auch der Auftraggeber für das Bild Danae und der Goldregen. Ein Schlafzimmerbild, sehr beliebt gerade bei der Kurie und dementsprechend oft ist dieses Werk auch später kopiert worden.



Danae und der Goldregen von Tizian | Bildquelle: Wikipedia


Es leuchtet, glitzert und glänzt: Tizian malt den Moment der Ankunft des Zeus‘ in Danaes Verlies, das allerdings ziemlich luxuriös daher kommt. Den Turm in der Neapel-Version hat er 15 Jahre später weggelassen. Diesen Platz nimmt nun eine expressionistisch-farbenprächtige Explosion am Himmel ein. Der Meister malt die letzten Sekunden der Mutation des Zeus in Goldstaub und lässt den Betrachter bei diesem blitzartigen Jupitergewitter, ganz im Stil seines grandiosen Alterswerkes, zusehen. Begleitet wird dieser Akt von Theaterdonnerwolken in großartigen Blautönen. Auch den verschreckten Cupido der frühen Version hat er sich hier gespart. Dafür versucht sich der nun bereits über 75jährige Künstler sehr erfolgreich an einer Konfrontation der Generationen. Links räkelt sich die junge, nackte Danae, erwartungsvoll, bereit und gelangweilt auf ihrem Lager, während rechts ihr gegenüber die schäbig angezogene Kupplerin mit ihren kräftigen Männerarmen ihren Rock aufhält, um auch etwas von dem Goldregen abzuzweigen, oder ist es vielleicht sogar ihr Obolus, den Zeus an sie zu entrichten hat? Ein großartiger, farbiger Beweis von Raumgefühl, Augen- und Körpersprache. Die einst göttlich-erotische Szene hat sich nun hier in eine diabolische, materialistische verwandelt. Tizian hat die Schöne in eine halb liegende Position gebracht, die an den Adam von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle erinnert. Das Armband unterstreicht ihre zur Schau gestellte Nacktheit. Die blonden Haare fallen rechts auf ihre Brust. Ihre linke Hand krallt sich locker in das Laken, während sie unbeteiligt auf den phantasmagorischen, gelben Regen blickt. Der kleine, zusammen gerollte Hund rechts neben ihr symbolisiert Begierde und Lust. Bei den Farben übertrifft sich dieser Magier der Kolorierung selber. Kräftige Braun- und Blautöne und etwas Grün für die Magd, ein Tizian-Rot für den schweren Vorhang links und ein leidenschaftlicher Rotton aus der Färberkrapp-Pflanze für die schwere, teure Decke auf der Liege rechts von ihr, dazu ein umwerfendes Farbengemisch für die Zeus-Wolke im Kontrast zu den weißen, leicht zerknitterten, glänzenden Seidenlaken. Der Hautton, sein Inkarnat, scheint durch einen vielschichtigen Weichzeichner gelaufen zu sein, und man fühlt den Staub, den der göttliche Goldregen aufwirbelt, während er auf Danae herunter segelt.


Zeichnung und Linienführung sind zweitrangig geworden. Tizian verabschiedet sich hier definitiv aus der Renaissance. Genau das hat ihm übrigens Michelangelo nach der Betrachtung des Danae-Bildes um 1550 vorgeworfen. Vasari gegenüber ließ er verlauten dass „Tizians Kolorit ihm sehr wohl gefalle, aber es wäre schade, dass man in Venedig nicht von Anfang an gut zeichnen lerne“.

*

Um 1485 malt Botticelli die Geburt der Venus. Giorgione, der sich als junger Maler mit Tizian eine Werkstatt teilt, bringt 1510 die erste liegende, schlafende Venus in einer Landschaft auf den Markt. Giorgione stirbt im selben Jahr aber an der Pest und Tizian malt es wohl zu Ende. Erst über 30 Jahre später beginnt er, sich mit dem Danae-Thema zu beschäftigen. Vier bekannte Versionen davon gibt es. Aber bei Tizian schlafen die Modelle nicht mehr, sie sind lebendig, strahlend und aktiv am Geschehen beteiligt.

Christa Blenk - 11. September 2021
ID 13136
Tizian hat ungefähr 90 Jahre gelebt, war sehr produktiv und hat mehrere bedeutende Kunstepochen mitgemacht. Ab 1540 löst er sich definitiv von der Renaissance, die in seinen Jugendwerken noch zu erkennen ist. Sein Alterswerk besteht vor allem aus einem Universum von Farben und Nuancen, die die Werke von Turner vorwegnehmen. Wie damals üblich, führt er ein Atelier mit vielen Hilfskräften und weniger bekannten Malern und kümmert sich nur noch um die Portraits des Hochadel oder der Kurie, bei den anderen setzt er oft nur ein paar Akzente. Tizian stirbt 1576 in Venedig an der Pest

Danae und der Goldregen ist ein visuelles Meisterwerk und eines der besten Bilder im Madrider Prado. Es entstand um 1565 und misst ca. 130 x 181 cm.


Wikipedia-Link zum Tizian-Bild


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