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Werkbetrachtung

Kreuzabnahme

von Max Beckmann



Max Beckmann (1884-1950) zieht direkt nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges freiwillig in diesen. Er ist nicht der einzige Kriegsromantiker, der sich mit feurigem Enthusiasmus auf dieses apokalyptische Ereignis einlässt. Beckmann wird als Sanitäter zuerst an der Ostfront und dann in Flandern eingesetzt. Aber schon ein Jahr später zerbricht er an der Aufgabe und wird mit der Diagnose "psychologisch zerrüttet" beurlaubt. Frankfurter Freunde nehmen den 30-jährigen Künstler auf. In Frankfurt fängt er an, sich künstlerisch mit neutestamentlichen Szenen auseinanderzusetzen. Zwei Jahre später entstehen die Bilder Adam und Eva, Christus und die Sünderin und die Kreuzabnahme. Beckmann fusioniert in diesem Gemälde El Grecos Manierismus mit Picassos Kubismus und erzählt im Stile einer spätmittelterlichen Gotik von seinen Erlebnissen und Traumata im Krieg. Max Beckmann hat mit dieser erschütternden Kreuzabnahme seine persönliche Apokalypse gemalt.



Kreuzabnahme von Max Beckmann | 2023 Artists Rights Society (ARS), New York /
VG Bild-Kunst, Bonn; Bildquelle: moma.org


Beckmanns Golgota ist ein steiler, das halbe Bild ausfüllender, bräunlich-sandig überfüllter und unwirtlicher Hügel, auf dem ein paar Steine und Reste einer verdorrten Vegetation zu sehen sind. Jesu Christis langgezogener Körper sprengt beinahe das Bild. Seine zerschundenen Füße scheinen es unten über den Rahmen verlassen zu wollen. Die ungesunde, gelbliche Hautfarbe seines ausgezehrten, manieristischen Körpers findet sich in der Haarfarbe des Josef von Arimathäa wieder. Letzterer und Nikodemus sind gerade dabei, den ausgemergelter Retter vom Kreuz zu holen. Die Leichenstarre scheint schon eingesetzt zu haben. Es gestaltet sich sehr mühsam, und die beiden Männer wirken ungeschickt und nicht sehr kräftig, ja überfordert. Ihre Beine sind noch dünner als die des Gekreuzigten. Der Leichnam nimmt beinahe das komplette Gemälde in Anspruch, legt sich über die Szene. Der ältere Josef hat seine beiden Arme um den toten Körper geschlungen, während der jüngere Nikodemus versucht, diesen zur Seite zu ziehen und dabei ein verbissenes Gesicht macht. Der Sohn Gottes hängt noch halb auf der sehr prominent präsentierten Leiter, die weit und überproportional über das T-förmige Kreuz hinaus in den Himmel ragt. Über den toten Augen ist die Dornenkrone gut sichtbar. An seiner mageren, rechten Brust klafft die blutende Wunde, die ihm der römische Hauptmann Longinus mit der Lanze zugefügt hat. Diese Wunde ist der Mittelpunkt und wird mit dem Hemd von Maria und der Delaunay-Sonne links oben zur blutigen Diagonale. Eine weitere, weiße Diagonale bilden die spindeldürren Arme, die sich von links oben nach rechts unten durch das komplette Bild ziehen. Der ganze Körper Christi ist übersät mit Wunden und Verletzungen von Dornen, Peitschen, Nägeln. Die knieenden Frauen unter dem Kreuz dürften die Mutter Jesu und Maria Magdalena sein. Maria, seine Mutter, hat die Rolle des Klageweibes und will gerade mit ihrer rechten Hand ostentativ die weinenden Augen bedecken. Ihre Nase, ihr Gesicht gleicht einer afrikanischen Maske, wie sie Picasso seinen Demoiselles d’Avignon ein paar Jahre früher verpasst hatte. Rechts von ihr sitzt Maria Magdalena mit einem schwarzen Tuch auf dem Kopf. Der linke Arm des Gekreuzigten wirkt wie ein Schutzschild über den Köpfen der Frauen. Im Spätmittelalter und der Malerei von Rogier Van der Weyden gehörten die Farben Blau, Rot, Weiß zu einer Kreuzabnahme. Beckmann nimmt diese Farben auf, setzt sie nur anders ein. Nicht Maria hat ein blaues Kleid sondern Josef einen Schal in dieser Farbe. Interessant ist die Größe der jeweiligen Figuren. Beckmann hat sie nach Mittelalter-Art in Szene gesetzt, das heißt an der Größe der jeweiligen Person kann man seine Bedeutung erkennen. Die größte Gestalt ist der Gekreuzigte, gefolgt von den Männern, die ihn bergen. Die beiden Frauen sind in dieser Hierarchie am kleinsten. Diese Bedeutungsperspektive dürfte ihn vor allem beim Isenheimer Altar beeindruckt haben. Ansonsten hat ihn eine Perspektive nicht interessiert. Rechts hinter der Leiter sind zwei neugierige Zuschauer zu erkennen, und die Männer links im Bild, hinter Nikodemos, scheinen Soldaten mit Helm und Dolch zu sein. Beckmann zweifelt daran, dass dieser zerstörte, geschundene Körper ein paar Stunden später als Sieger wieder auferstehen wird und legt einen Grauschleier über die Kreuzabnahmeszene. Das komplette Bild erzählt seinen niedergeschlagenen Schmerz und trieft vor Hoffnungslosigkeit.


Das Bild entstand 1917, misst 151,2 x 128,9 cm und hängt im Museum of Modern Art in New York.
Christa Blenk - 10. März 2023
ID 14094
Das Gemälde Kreuzabnahme kommt 1919 für ein paar Jahre ins Frankfurter Städel Museum. Max Beckmann verliert 1933 aus politischen Gründen seine dortige Professur. Die Kreuzabnahme gehört zu den zehn Beckmann-Bildern, die 1937 in der Ausstellung Entartete Kunst in München gezeigt werden. Er selber verlässt am Vorabend der Vernissage Deutschland und geht mit seiner Frau nach Amsterdam. Erst 1947 lässt er sich in den USA nieder. Beckmann verstirbt 1950 in New York, ohne vorher Deutschland nochmals betreten zu haben.

MoMA-Link zu Kreuzabnahme von Max Beckmann


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