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Werkbetrachtung

Madame X von

John Singer Sargent

(1856-1925)



Der vielversprechende Student und begabte amerikanische Maler John Singer Sargent (1856-1925) kommt 1874 in Paris an und wird schnell zu einem kosmopolitischen Maler, der seinen Platz zwischen Manet und Bonnat finden: nicht zu experimentierfreudig wie die Impressionisten, aber auch Nichtstehenbleiben ist seine Devise. Bei seinen Porträts inspiriert er sich vor allem an Goya oder Vélazquez. Das Portrait der Madame X soll ihn in die erste Reihe der Porträtisten katapultieren. Aber es kommt zum Skandal. Sein kometenhafter Aufstieg ist aber trotzdem nicht aufzuhalten.

Madame X ist nach eigenen Angaben des Künstlers sein bestes Porträt. Es entsteht mitten in der Belle Époque, 1884, misst 208,6 x 109,9 cm. Die amerikanische Mona Lisa, wie es genannt wird, hängt heute im Metropolitan Museum of Art in New York.

Bei der geheimnisvollen Madame X handelt es sich um die ebenfalls in den USA, und zwar in New Orleans geborene Virginie Amélie Avegno Gautreau. Eine Dame der Pariser Gesellschaft, bekannt für ihre ungewöhnliche Schönheit und die unzähligen, außerehelichen Beziehungen.



Madame X von John Singer Sargent (1856-1925) | Bildquelle: wikimedia.org


Es ist ein Ganzkörperportrait. Aufrecht und stolz und sehr ernst ihr Gesichtsausdruck. Madame X blickt streng nach rechts, was ihre zu große Nase und das ausgeprägte Kinn noch mehr hervorheben. Ihre Augen sind schwarz geschminkt. Der dunkle Lippenstift unterstreicht ihre sehr schmalen Lippen. Der Haaransatz ist weit hinten, die roten Haare sind hochgesteckt, und die Halbmond-Tiara im Haar könnte auf die Göttin Diana hinweisen. Das Kleid hat er selbst ausgesucht. Ihr perfekter Körper mit schmaler Taille und ausladenden Hüften, ganz im Sinne der modischen Vorgaben der Zeit, ist hingegen von vorne zu sehen. Die Pose galt damals als erotisch gewagt. Ihre Haut ist alabasterweiß, was durch die Hell-Dunkel-Technik des Bildes noch verstärkt wird. Ihr Ohr hingegen ist gerötet. Sie trägt ein tief dekolletiertes, schwarzes Kleid aus Satin, das er aus ihrer Garderobe ausgesucht hat. Die Träger des Kleides sind mit Edelsteinen besetzt. In einer Erstfassung war ein Träger nach unten gerutscht. Die Arme sind nackt, nicht einmal von Handschuhen bedeckt. Ihr Kleid ist so lang, dass man ihre Füße oder Schuhe nicht sieht. Hintergrund und Boden sind in einem satten Braun gemalt, so wie auch der Tisch, an deren Kante sie sich mit der rechten Hand klammert. Sirenen aus der griechischen Mythologie verzieren die Tischbeine. Es gibt außer schwarz, braun und weiß keine anderen Farben, nicht einmal bedeutende Nuancen in dem Gemälde.

*

Virginie Gautreau wurde wegen ihrer seltenen Schönheit gefeiert, obwohl sie nicht unbedingt einem klassischen Schönheitsideal entspricht mit ihrer großen Nase. Sie hat angeblich sehr viel weißen Puder benutzt, um diesen blassen Hautton zu erzielen. Der Biograf von Singer Sargent, Olson, meint sogar zu wissen, dass sie eventuell Arsen zu sich nahm, um so eine Hautfarbe zu bekommen. Virginie Gautreau stellte einen neuen, unkonventionellen Frauentypus dar und wurde durch das Portrait bekannt. Den gesellschaftlichen Stand hat sie ihrem Aussehen und ein wenig auch ihrer Ehe mit dem alten Bankier zu verdanken, denn ihre Mutter blieb nach Ankunft in Paris – trotz angeblich adeliger Abstammung – eine Außenseiterin.

Das Bild Madame X wurde im Salon de Paris kontrovers aufgenommen. Für die Belle Époque zeigte sie eindeutig viel zu viel nackte Haut. Das Gemälde war kein Auftragswerk. Einem gemeinsamen Freund von Virginie hat der Künstler im Vorfeld geschrieben:


„Ich habe große Lust, sie zu porträtieren, und Grund zu glauben, dass sie es gestatten würde und eigentlich nur darauf wartet, dass jemand ihr diese Huldigung ihrer Schönheit vorschlägt. Wenn Du Dich gut mit ihr verstehst und sie in Paris triffst, dann könntest Du ihr vielleicht erzählen, dass ich ein Mann mit ungeheurem Talent bin.“


Sein Erfolg als Porträtist ließ aber trotz Skandal oder gerade deshalb nicht auf sich warten. Parallel zu Madame X entstand das schimmernde Porträt Mrs. Henry White, züchtig und ohne einen Zentimeter nackter Haut.
Christa Blenk - 17. September 2025
ID 15466
John Singer Sargent war ein brillanter Maler, ein Stratege mit großem, technischem Können und ein opportunistischer Verführer, der provokant und meisterhaft den alten Meistern wie Goya huldigte und genial mit Farben umzugehen wusste. Sargent bezauberte das Publikum, die Kunden und wusste sich deren Wünschen anzupassen, auch wenn er dadurch die Moderne verleugnen musste. Er bekam bedeutende Aufträge von bürgerlichen Liberalen, aristokratischen Prominenten und Amerikanern, die in Paris lebten und natürlich von Künstlern und Intellektuellen seiner Zeit. Er portraitierte eine Gesellschaft im Wandel zwischen Aristokratie und Neureichtum, eine Fusion zwischen Europa und der Neuen Welt.

Mit seiner Familie verlässt er die USA und reist mit ihr durch ganz Europa, bis sie sich 1874 (da war er 18) in Paris niederlassen. Ein paar Jahre später geht er nach London und übernimmt dort das Atelier von James McNeill Whistler. Singer Sargent wird zum gefragtesten Society-Porträtisten in Europa und bekommt viele Auszeichnungen. Das Pariser Leben interessiert ihn künstlerisch eher wenig. Sargent hinterlässt ungefähr 900 Ölgemälde, darunter Porträts von der Komponistin Ethen Mary Smyth, vom Dichter Yeats und der Suffragette Nancy Astor, 2.000 Aquarelle und Landschaftsbilder. Ab 1890 entstehen Wandmalereien für drei Bostoner Institutionen zum Thema "Triumph der Religion". Nach seiner Rückkehr aus den USA 1918 wird er offizieller Kriegsmaler von Großbritannien und Frankreich. Das Kriegsgemälde Gassed entsteht 1919. Auch unzählige Skizzen gehören zu seiner Hinterlassenschaft.

Singer Sargent war u.a. mit Gabriel Fauré und Oscar Wilde befreundet. Mit dem jungen Künstler Albert de Belleroche soll er auch eine emotionale Beziehung gehabt haben. Einige seiner späten Gemälde deuten auf homoerotische Beziehungen hin. Den afroamerikanischen Liftboy Thomas McKeller malte er um 1920 immer wieder nackt, voyeuristisch, intim. Allerdings erschienen erst über 50 Jahre nach seinem Tod schriftliche Hinweise auf seine sexuelle Orientierung.

Er verstarb 1925 in London.


Wikimedia-Link zum Bild Madame X


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