Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Kulturspaziergang

Paestum

Tempel und Fresken für Äon


Grabplatte mit Tomba del tuffatore (Turmspringer) - Foto (C) Christa Blenk


Die Gründung von Paestum geht auf das Jahr 600 v.C. zurück, als die griechischen Sybarer, die sich ab dem 7. Jahrhundert auf der anderen Seite des Stiefels, in der Stadt Sybaris, angesiedelt hatten, am Golf von Salerno einen Ort gründeten, den sie Poseidonia nannten. Poseidonia war aber nicht nur ein Zentrum griechischer Kultur. Begünstigt und beschützt durch die optimale Position direkt am Mittelmeer, das fruchtbare Ackerland und unter dem Schutzmantel von Poseidon trieben die Sybarer dort einen regen Handel mit allen möglichen Gütern. Die Bewohner gelangten im Laufe der Jahre zu großem Wohlstand und lebten - so sagt man - in Saus und Braus. Wir benutzen das Wort Sybariter immer noch, um von Luxus oder Völlerei zu sprechen.



Heratempel in Paestum - Foto (C) Jean-Noel Pettit


Diese Ansiedlung wird heutzutage als eine der wichtigsten der griechischen Kolonisationsbewegungen, die ab dem 8. Jahrhundert v.C. in Süditalien und Sizilien stattfanden, angesehen. Ab dem 6. und 5. Jahrhundert v.C. bauten die Griechen dort drei imposante dorische Tempel, die sie drei der bedeutendsten Personen des Altertums weihten. Der Zeus-Schwester Hera ist der älteste Tempel, auch fälschlicherweise seit dem 8. Jahrhundert Basilika genannt, gewidmet. Zeus' Lieblingstochter (und Lieblingsgöttin der Griechen überhaupt), Athene, wird der erste und der filigranste von ihnen zugeschrieben. Er wird auch Cerestempel genannt und liegt ein wenig abgesetzt von den anderen beiden. Der mittlere Bau trägt den Namen des Meeresgottes Poseidon und ist der am besten erhaltene Tempel der Magna Graecia. Die Bauten thronen inmitten einer imposanten und weitläufigen archäologischen Anlage, die leider ziemlich abgetragen ist. 200 Jahre später, also ca. 400 v.C. ließen sich die Lukaner aus dem Süden, genauer gesagt aus der heutigen Basilikata, dort nieder und gaben dem Ort den Namen Paistos. Erst die Römer, die im Zuge der Eroberung von Kampanien um 200 v.C. diese Kolonie besetzten und Umbauten vornahmen, nannten den Ort Paestum. Aus dieser Zeit stammt auch die noch ziemlich gut erhaltene Stadtmauer aus großen rechteckigen Quadern. Sie ist ca. 5 Kilometer lang und umfasst beinahe die komplette Anlage. 

Die Sarazenen im 9. und später die Normannen im 11. Jahrhundert haben Paestum zum Dornröschenschlaf verurteilt; und die Tempel, die komplette archäologische Anlage sowie die Nekropole der Lukaner versumpften zwischen Wäldern, und Moskitos übernahmen das Zepter. Auf der anderen Seite dürfte das auch einer der Gründe gewesen sein, warum die Tempel relativ gut erhalten sind. Von den antiken Wohnanlagen, dem Amphitheater oder den Thermen sind wirklich nur noch Ruinen übrig. Sicher findet man in jedem Haus in Paestum und Umgebung Figuren, Steine und Quader aus der Antike. Man hat uns erzählt, dass die Bewohner noch in den 80er Jahren nach jedem Regen massenhaft Lampen und Scherben auf den Feldern fanden.

Es muss in der Mitte des 18. Jahrhundert eine unbeschreibliche Emotion gewesen sein, diese umfangreiche Anlage zu entdecken, die sich Jahrhunderte lang zwischen Bäumen versteckt hielt.

Die Bildungsreisenden im 18. Jahrhunderts, die bis dato nur bis Pompeji und Herculanum kannten, kamen zwar auf ihrem Weg nach Sizilien an Paestum vorbei, haben aber in der Regel nicht angehalten. Dieses hat sich mit der Wiederentdeckung um 1750 postwendend geändert, und Paestum fand Eingang in die Reiseroute der Grand Tour. Baron Giuseppe Antonini di San Biase hat als einer der ersten Beschreibungen des Ortes verfasst, französische, deutsche oder englische Künstler machten unzählige Skizzen und Gemälde, und die Souvenirkultur blühte.

Ein bekanntes Gemälde von Antonio Joli um 1766, „Tempelruinen von Paestum“, gibt einen perfekten Blick auf die drei Tempel, er muss es von einer Anhöhe aus gemalt haben. Eine bukolische Szene, Schafe und Bauern tummeln sich zwischen den Ruinen, und nobel gewandete Reisende sind im Gespräch mit Archäologen oder Ausgräbern oder vielleicht sogar Ausräubern. Jakob Philipp Hackert war einer der Beobachter, und seine Zeichnungen aus dem Jahre 1777 gehören zu den bekanntesten der deutschen Reisenden. Der wertvollste Zeitzeuge war allerdings Piranesi. Dieser König der italienischen Druckgrafiken hat Mitte des 18. Jahrhunderts unzählige Radierungen von Paestum gemacht, die das Leben inmitten von Vegetation in den Tempeln beschreiben. Außer der Pflanzenwelt verschwanden natürlich auch sehr schnell Teile des Tempels und große Steinquader, damit wurden – wie das in Italien durchaus üblich war – andere, neue Gebäude errichtet. (In Rom findet man in fast allen Kirchen aus der Barockzeit Säulen von Tempeln aus dem Forum Romanum oder aus dem Kolosseum.)



Fresken auf einer Grabplatte des Paestum - Foto (C) Christa Blenk


Johann Wolfgang von Goethe, der 1787 mit dem Maler Christoph Heinrich Kniep von Neapel nach Sizilien unterwegs war und dem die Tempel auf den ersten Blick nicht gefielen, ja ihm sogar plump und bäuerlich erschienen, notierte am 23. März 1787: „Wir waren zusammen in Pästum. Woselbst er, so wie auf der Hin- und Herreise, mit Zeichnen sich auf das tätigste erwies. Die herrlichsten Umrisse sind gewonnen… Kniep suchte sich schnell einen Standpunkt, von wo aus das Eigentümliche dieser völlig unmalerischen Gegend aufgefasst und dargestellt werden könnte.“

Auf der Rückreise teilte er allerdings Herder per Brief genau das Gegenteil mit: „...es ist die letzte und fast möchte ich sagen herrlichste Idee, die ich nun nordwärts vollständig mitnehme. Auch ist der mittlere Tempel nach meiner Meinung allem vorzuziehen was man noch in Sizilien sieht.“

In den 50er Jahren wurde Paestum von einer Gruppe von Wagnerianern aus Bayreuth wieder entdeckt, die sich dort am Meer Häuser bauten. Deshalb heißt eine Straße auch „Via Wagner“ (das ist kein Scherz!).

Aber mindestens so beeindruckend wie die Tempel sind die Grabmalereien aus dem 4. Jahrhundert v.C. der Nekropole der Lukaner. Dieser italienische Stamm bestattete seine Toten in unterirdischen Grabhäusern. Einer der wichtigsten Funde, die Grabplatte mit dem Turmspringer [s. Foto o. re.] wurde erst in den 50er Jahren entdeckt. Ein Bauer ackerte diese Preziose sozusagen frei, als er sich einen modernen und tiefer gehenden Pflug kaufte. Poetisch und elegant gleitet der Turmspringer von einem ins andere Leben! Selten sieht man etwas so Schönes! Diese Bilder, die nicht für die Lebenden sondern für die Toten gemalt wurden, warteten fest in Steinplatten eingeschlossen und weit weg vom Leben. Totenriten und Geschichten der herrschenden Schicht und Kriegserlebnisse, vor allem Siege, wurden – immer in aller Schnelle - in den Männergräbern verewigt, während die Frauengräber das häusliche Leben, Kultur, Kleider oder Schmuck beschrieben.



Malerei auf einem der gefundenen und frei gelegten Männergräber in Paestum - Foto (C) Christa Blenk


Das Archäologische Museum in Paestum ist vor kurzem renoviert worden, und viele der Grabplatten sind in voller Pracht vor Ort zu bestaunen.


Christa Blenk - 17. Dezember 2014
ID 8328
Landwirtschaft spielt heute in Paestum auch wieder eine große Rolle. Oliven und Artischocken gibt es dort und ausgezeichnete Büffelmozzarella, die von den Büffel-Bauern direkt verkauft wird. Wir haben sogar Büffelmozzarella-Joghurt und Eis probiert. Allerdings braucht man dann kein Abendessen mehr!

Weitere Infos siehe auch: http://www.museopaestum.beniculturali.it


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr



  Anzeigen:




EXTRA Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

ANTHOLOGIE

INTERVIEWS

KULTURSPAZIERGANG

MUSEEN IM CHECK

THEMEN


Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal




Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)