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Jenseits der Berge und zwischen den Wolken

Mehr als ein Ausflug ins Kunst- und Naturzentrum Cerro Gallinero in Hoyacasero


Alchimiefeuer von Carlos de Gredos - Foto (C) Christa Blenk

"Der Cerro ist das Kunstwerk!" Mit diesen Worten begrüßte uns Carlos de Gredos, der Initiator und Leiter dieses Kunst- und Naturzentrums auf der Spanischen Hochebene, bevor wir uns auf den Weg zu seinem erst vor kurzem finalisierten Projekt machten. "Wir weihen es heute gemeinsam ein", fuhr er fort.

Fuego Alquímico (Alchimiefeuer), so heißt die Landart-Installation [s. Bild o. re.] und ist ein Dreieck im Dreieck. Carlos de Gredos hat dafür auf der einen Seite des Feldweges einen kleinen Felsbrocken, der wie auf ihn wartend auf einem Felsen liegt, gelb angemalt und, in perspektivistischer Verbindung, ca. 200 Meter gegenüber ein Dreieck in den Ginster geschnitten, eine Art Dekonstruktion. Das Gelb ist eine Huldigung an die Piornos, eine Art Ginster, der jetzt gerade anfängt zu blühen und den Cerro prägt. Im Cerro Gallinero sollen die Künstler (oder Besucher) die von der Natur vorgegebenen und manchmal kaschierten Werke finden, erkennen, sie enthüllen oder vervollständigen.

Wir stapfen also mit unseren Bergschuhen und bei für diese Höhe und Jahreszeit eher unüblichen 28 Grad hinter ihm her, über Steine und Geröll und vorbei an Büschen und den am Anfang der Blüte stehenden gelben Sträuchern. Tausend Gedanken, Assoziationen und Ideen schwirren uns durch den Kopf. Wir verlassen nun den Weg und machen uns an den ca. 20minütigen leichten Aufstieg Richtung Wolken. Schon von weitem sehen wir die Weiße Steinwolke (nube) - eines seiner ersten Werke. Unendlich und fast schwerelos hängt dieser Felsen am Horizont – fast zum Greifen nahe vor den noch immer verschneiten Bergen der Sierra de Gredos und wahrlich grandiosen Tiepolo und Tintoretto-Wolken. Wir befinden uns auf fast 1500 Meter Höhe in Nordkastilien.

Vor ca. 15 Jahren hat Carlos de Gredos die Idee eines Kunst- und Naturparks entwickelt. Sein erstes Werk ist noch klein und schüchtern und heißt Desde mi atalaya (von meinem Wachturm aus) - ein Oxymoron; der Aussichtspunkt ist nämlich in die Erde eingelassen und en miniature. Allerdings hat er jetzt einen Platz identifiziert, um bald die Observationspyramide in Echtformat zu realisieren.

Seit 2010 ist das ca. 35 Hektar große steinig-raue und abgeschiedene Gelände ein offizielles Kunst- und Naturzentrum, und mit kleinen Stipendien werden dann und wann Künstler eingeladen, das Gelände zu ergründen, sich führen lassen und einen Dialog mit ihm aufzubauen, um eine Installation oder Arbeit zu hinterlassen. Der geografische Raum wird in einen künstlerischen oder architektonischen umgewandelt, ohne große Intervention von Außen. Bis jetzt sind die Projekte im Cerro alle "von Hand" realisiert worden. Große Geräte und Maschinen kamen noch nicht zum Einsatz, und die 12 Tonnen schweren Steine, die Helena Aikin für ihr Labyrinth brauchte, wurden per Karren herangeschafft.




El Labertino de Mogor Hoyocasero (2012) von Helena Aikin - Foto (C) Christa Blenk



In den letzten vier Jahren hinterließen so u.a. Azuzena Pintor, Luis Luna, Manu Pérez de Arrilucea und eben Helena Aikin ihre Handschrift und haben permanente Werke im Cerro installiert oder vervollständigt. Workshops und Poesieveranstaltungen in Verbindung mit der Natur begleiten das Programm des Zentrums. Alles geschieht in situ, und nur ab und zu werden fremde Elemente (Farbe, Keramik oder Stoffe) von außerhalb benutzt, um ein Projekt zu verwirklichen – die Harmonie und der Einklang zwischen Natur und Kunst mit dem Universum jenseits der Berge stehen allerdings immer im Vordergrund. Ein stillgelegter Steinbruch in der Nähe ist schon des öfteren Lieferant für die Realisierung von Projekten geworden.

Derzeit gibt es im Cerro 15 permanente Projekte, darunter auch einige anonyme, von Besuchern kurzerhand konstruiert. Ureinflüsse und keltisch-gallizische Mystik (manche natürliche Formen erinnern durchaus an Dolmen und Menhire) haben Carlos de Gredos und die anderen Künstler animiert, sich dort im Einklang mit der Natur zu verewigen. Die Vegetation und die geologische Beschaffenheit im Cerro haben etwas Primordiales, und auch wir hatten große Lust, Steine durch die Gegend zu schleppen, um etwas zu hinterlassen. Vor vielen tausend Jahren haben dort vielleicht alte Zivilisationen gelebt und unter den Felsen Schutz vor Sonne und Regen gesucht.

Azucena Pintor hat zwei Installationen - Constelación Diurna SRT 1 5(2) und Líneas ingrávidas - im Cerro Gallinero geschaffen. Ihre ephemeren Stoffkonstruktionen aus gesammelter und nicht mehr benutzter Kleidung hat sie so installiert, dass sie die Spalten eines besonders großen Felsen ausfüllen. In einer Spalte hat sie sogar eine Schlangenhaut gefunden und dann einfach weitergemacht.




Constelación Diurna SRT 1 5(2) von Azucena Pintor - Foto (C) Christa Blenk



Helena Aikin hat eine jahrtausende alte Felszeichnung (Labyrinth) aus der Gegend nachgebaut und fordert die Besucher auf, es komplett abzulaufen und einen selber gesuchten Stein an einem beliebigen Platz im Labyrinth zu positionieren; somit wüchse es und verändere sich.

Die Installation Collar de agua (Wasserkette) von Carlos de Gredos ist eine Arbeit, die die Natur selber erschaffen hat, und von ihr wird sie auch fortgeführt. Die natürlichen, durch Erosion entstandenen Kuhlen hat Carlos de Gredos ausgebaut, Farbgebung und Weiterbildung übernimmt dann die harsche Witterung auf der Meseta.

Hommagen an Paul Celan (Buchstaben) und an Adolfo Schlosser (Pilze) sind „work in progress“ und entwickeln sich noch weiter, je nachdem welche Buchstaben noch identifiziert werden.

Das Zentrum ist noch ganz jung und ein Geheimtipp. Vor kurzem haben es die Kunststudenten der Complutense Universität Madrid besucht, und Universitäten aus Frankreich haben die ersten Besuchs-Anfragen geschickt. Spätestens wenn landart Größen wie Nils Udo, Andy Goldworthy, Richard Long oder auch Hannsjörg Voth ihren Weg in den Cerro finden werden, wird es sich vor Besuchern nicht mehr retten können! [Gott bewahre!! Anm.d.Red.] Zumal die Autofahrt von Madrid mit dem Auto nur zwei Stunden dauert und man bis auf die letzten 40 km die Autobahn benutzen kann.

Nach unserer Vierstunden-Tour und vielen prägenden, bleibenden und beeindruckenden Geschichten und Erlebnissen – auch olfaktorischen, denn es gibt dort alle möglichen Pflanzen und Heilpflanzen, und je nach Jahreszeit duftet es unterschiedlich – gab es dann eine gastronomische Belohnung in Form eines Mittagessens (um 16 Uhr – das ist halt Spanien!) in der Venta del Obispo in einem alten Landgasthof ein paar Kilometer vom Cerro entfernt; früher wurden dort die Pferde der Reisenden gewechselt, man konnte übernachten und die köstlichen weißen dicken Bohnen aus Avila verzehren.

"Denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur, wer sie heraus kann reißen, der hat sie."

Besser als Albrecht Dürer dies vor ca. 500 Jahren beschrieben hat [s.o.], kann man die Philosophie dieses Kunst- und Naturparks Cerro Gallinero nicht beschreiben.




Von meinem Wachturm aus (2008) von Carlos de Gredos - Foto (C) Christa Blenk



Bewertung:    



Christa Blenk - 14. Mai 2014
ID 7828
Der Gründer des Cerro (und gleichsam der erste Künstler dort) Carlos de Gredos wurde 1958 in Hoyacasero geboren und kennt in seinem Paradies so gut wie jeden Stein und fast jede Pflanze. Er hat uns in einer Privatführung sein Projekt erklärt und vorgestellt, und seine Begeisterung ist auf uns übergesprungen. In den 90er Jahren ist die Idee dazu entstanden, und er hat mit Genehmigung der autonomen Gemeinschaft Kastilien-Léon sein erstes Landart-Projekt dort realisiert.

Der Park ist für Alle geöffnet, er hat keine Türen, Tore oder Eintrittsbeschränkungen; allerdings kann man auch nichts dort kaufen: Wasser und Verpflegung muss man sich am besten im Rucksack mitbringen.

Ende Mai beginnt die „Fiesta del Piorno“ - Carlos de Gredos hat hierzu 10 Künstler eingeladen, die mit diesem Ginster-ähnlichen Strauch das Dorf Hoyocasero verschönen sollen.

In nur fünf Kilometer Entfernung des Parkes gibt es außerdem einen immensen Pinienwald; die Masten für das Schiff von Christoph Kolumbus kamen aus diesem Wald. Von Madrid aus dauert die Anfahrt ca. 2 Stunden, und auf dem Rückweg kann man noch die Stadt Avila besuchen. Sie liegt ebenfalls auf ca 1200 m Höhe und ist damit die höchst gelegene Stadt in Spanien. Aus der Zeit der Mauren stammt die 2500 Meter lange und komplett erhaltende romanische Stadtmauer aus dem 11. Jahrhundert, die seit 1985 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört.

c. b.


Weitere Infos siehe auch: http://cerrogallinero.com/


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr



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