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Ausstellung

THE DAY WILL COME

6. Triennale der Photographie


Bewertung:    



Die Deichtorhallen bieten unter dem Titel THE DAY WILL COME eine große Show neuer Fotografie und zeigen auch korrespondierende Fotos aus der Sammlung F.C. Gundlach. Vor dem Haus steht die Containercity (18. - 28. Juni 2015) angefüllt mit weiteren Fotografien. Entlang der Kunstmeile geht es dann in den Kunstverein, der Barlach Halle K, der Kunsthalle und dem Museum für Kunst und Gewerbe. Weitere Museen und Standorte der Kunst haben sich der neuen Art Fotografie zu sehen verschrieben. Diese Kunstgattung steht an einem Wendepunkt wie die Menschheit überhaupt. Bisher hatten Fotos zumeist die Funktion Vergangenes zu konservieren, in Erinnerungen zu schwelgen. Doch durch neue technische Möglichkeiten beschäftigt man sich - auf oft sehr persönliche Art - mehr und mehr mit der Zukunft.



Phillip Toledano - aufgepolstert und mithilfe von Kosmetik versetzt er sich in das Aussehen anderer Menschen | Foto (C) Liane Kampeter


* * *

When man falls (Deichtorhallen, 19.06.-06.09.2015)

Phillip Tolenado ist so ein Künstler, gebürtiger Engländer; seit 20 Jahren lebt er in New York. Mit seinen großformatigen brillanten Abzügen hat er sich vor 15 Jahren dem Medium Fotografie verschrieben und scheut nicht, sich selbst zu inszenieren. Es gibt eine Serie mit beeindruckenden Portraits unterschiedlichster Charaktere.

Mit aufwendiger Maske und einem großen Einfühlungsvermögen für das Menschliche überhaupt stellt er sich selbst dem Fotografen und der ganzen Welt.

Schon mit 6 Jahren hat er tiefsinnige Fragen an das Leben. Als Mann mit über 40 Jahren eröffnet sich ihm eine ungeheure Bandbreite an Themen, Blickwinkeln, und er stellt sich die Frage, wie wird es sein, wenn ich ein Greis bin? Tolenado probiert es aus, auch das Dicksein; das Leben anderer fasziniert ihn. Als übergroßer Fotoabzug XXL begegnet einem als erstes das Bild des Dicken (haben wir da etwa Vorurteile?).

Da sein Vater unter Demenz leidet und sehr alt ist, kümmert sich Toledano drei Jahren rührend um ihn und begleitet die Zeit des Sterbenden auf eine sehr ehrliche Art auch mit der Kamera. Eine einschneidende Erfahrung; seine eigenen Erzählungen und die Fotos rühren einen bei dieser Führung. Er thematisiert Ängste, Kontrollverlust, Alter, Gebrechlichkeit, den Tod. Als leiblicher Sohn macht er einen DNA-Test, um zu sehen, welche Krankheiten ihn anheimfallen könnten, und er setzt sich intensiv damit auseinander.

Was heißt es alt zu werden und zu sterben?

Eine weitere hyperrealistische Porträt Serie, The Beauties, ist die Konsequenz daraus. Menschen wollen sich verändern, bessere Menschen werden, den Alterungsprozess hinauszögern, die Sterblichkeit ignorieren. Diese Personen modellieren sich wirklich, lassen Aussehen operativ verändern, sind nicht mehr geschlechtsspezifisch, bekommen eine sehr eigene Ausstrahlung. Wir sind geneigt, uns in Bildern wiederfinden zu wollen; hier ist es nicht möglich. Die Stimmung dieser großen Abzüge macht beklommen. Man weiß, es sind echte Menschen, wunderschön fotografiert, aber sie werfen die Frage nach Authentizität auf.

Was ist Schönheit? Was ist Ewigkeit?

Oder seine Bilder von Menschen, die Telefonsex machen… die Männer und Frauen sind so nah, haben so eigene Persönlichkeiten. Man kann diesen Menschen begegnen, ihren Lebensthemen (es gibt dazu Wandtexte) und ihre Motivation verstehen.




Phillip Toledano, aus der Serie A New Kind of Beauty - Reale Modellierungen und Plastische Operationen | Foto (C) Liane Kampeter


When Photography revises (Kunstverein, 19.06.-13.09.2015)

Wie geht man also heute mit Fotografie um? Digital, analog…

Junge, experimentierfreudige Künstler nehmen mit eigenen Arbeitsweisen Positionen zur Zukunft ein, das Foto selbst wird zum Ereignis.

Wie materialisiert sich Fotografie, wo entsteht das tatsächliche Bild? Aktuelle Bildbearbeitung wird überspitzt, Ideen überlagern sich, Geschichtsschreibung gerät durcheinander, was ist noch wahr? Und hier wird Persönlichkeit oft ganz ausgelöscht.



When Millenium begins (Barlach Halle K, 18.06.-28.06.2015)

Wenn also das neue Jahrtausend beginnt, dann werden wir nicht mehr gebraucht. Möglich, dass uns Computer abgeschafft haben. Über Ordnung und Uniformität bekommen wir hier einen Zugang zur neuen Welt. Die Informationsgesellschaft geht schleichend über in die digitale Dienstleistungsgesellschaft.

Henrik Spohler forscht über weltweite Logistik-Systeme, Datenübertragung und Gentechnik und vermittelt mit seinen großen Glanzabzügen eine irreale Welt.

Auch er ist persönlich anwesend und kommt ungeheuer in Schwung beim Erzählen, wie er arbeitet, was er befürchtet - nämlich, dass Arbeitsplätze verschwinden.

Man sieht es in seinen menschenleeren, strahlend-sauberen, großen Fotoabzügen, perfekt gerahmt und gehängt.

Bleibt die Frage: Was hält die Welt in ihrem Innersten noch zusammen?



When there is Hope (Kunsthalle, 19.06.-13.09.2015)

Es gab Zeiten, da war Fotografie noch keine Kunst. Heute ist die Frage, ob man mit diesem Medium die Zukunft darstellen kann. Muss es Realität sein, um fotografiert werden zu können? Es geht um Hoffnung, Utopievorstellungen, die Auseinandersetzung mit Identität, Wünschen und Enttäuschung. Was ist mit Flüchtlingen, die sich auf den Weg machen? Sind wir nicht alle Handlungsreisende, die sich fragen, wohin es geht?

Augenscheinlich vermischen sich Gegenwart und Vergangenheit, um wirklich anzukommen im Hier & Jetzt.

Künstler bearbeiten ihre Fotos mit Nadeln, um an ihnen Fäden entlang zu spannen - Verbindungen. Wie entsteht Bedeutung? Wie können wir Träume verwirklichen?

Eine große Sammlung an Fotos begibt sich auf die Reise ins Innere, um Zuhause anzukommen.



When we share more than ever (MKG, 19.06.-20.09.2015)

Eine Menge an Bilddaten hat die Welt überflutet. Man könnte sich entscheiden, den nächsten Urlaub ohne Kamera zu genießen, wäre da nicht das Handy.

Jeder kann heute Fotos machen und sich mit seinen Intimbildern ins Netz stellen. Eine wunderbare filmische Installation von Natalie Bookchin zeigt Frauen, wie sie alleine in ihrem Zimmer vor der Webkamera tanzen. Und damit sie nicht alleine sind, hat die Künstlerin mehrere Aufnahmen nebeneinander gestellt.

Sie tanzen alle gleich, stereotype Bewegungen, aber jetzt nicht mehr so einsam.


*

Brauchen wir fotografische Beweise, dass wir leben, im Urlaub sind, in Restaurants gehen oder Freunde umarmen? Ein Wunsch nach Gemeinschaftsgefühl, sharing the world wird hier thematisiert. Noch gibt es Archive, kann man alte Vintage-Fotos betrachten, doch vielleicht sind es irreale Vorstellungen, 3-D-Abbildungen, digitale Konstruktionen, die fortan unser Leben begleiten und unsere Identität bestimmen werden.



Penelope Umbrico, Signals Still (2011) - die Künstlerin ist nicht zu sehen, erklärt aber gerade enthusiastisch ihr Wirken | Foto (C) Liane Kampeter


Liane Kampeter - 21. Juni 2015
ID 8718
Die Triennalen der Photographie Hamburg wurden Ende der 1990er Jahre von dem Sammler und Fotografen F.C. Gundlach und dem Arbeitskreis Photographie initiiert. Die erste Triennale fand 1999 mit Unterstützung der Kulturbehörde statt. 2005 wurde, anlässlich der Eröffnung der 3. Triennale, auch das Haus der Photographie in der Südhalle der Deichtorhallen Hamburg eröffnet. Mit der diesjährigen 6. Triennale feiert das Haus der Photographie sein zehnjähriges Jubiläum. Es gibt ein umfangreiches Begleitprogramm.

Die Triennale vereint unter dem Motto THE DAY WILL COME acht Hamburger Museen, künstlerisch geleitet vom Kurator Krzysztof Candrowicz.

Weitere Infos siehe auch: http://www.phototriennale.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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