Segantini aus/in Mailand
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Segantini, Katalog zur Ausstellung | (C) Palazzo Reale
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Bewertung:
Segantini. Ritorno a Milano - Rückkehr nach Mailand. Wieso dieser Untertitel?
Giovanni Segantini (1858-1899), bekannt für seine pointilistischen Landschaftsbilder, scheint weit entfernt von der großen Stadt, vom Stadtleben. Welche Rückkehr ist also gemeint? Geburts- und Sterbeort geben keinen Hinweis, da beide in den Bergen liegen: geboren im Trentino, als jene Region noch der habsburgischen Donaumonarchie angehörte, gestorben im Engadin.
Rückkehr nach Mailand. Segantini ist von Mailand aus aufgebrochen, nur seine Sehnsucht hat ihn fern und ferner gebracht. Aber sein Ausgangspunkt ist und bleibt Mailand. Sein Leben lang blieb er Mailand verbunden; eine konflikthafte Beziehung.
Mailand ist die Stadt, die ihn geformt hat, als Mensch und als Künstler. Als achtjähriger Waisenjunge, von der Halbschwester vernachlässigt und sich selbst überlassen, wird er ins Waisenhaus gesteckt, von dem er wegläuft, in das er zurückgebracht wird. Es sind harte Jahre, bis sich sein Halbbruder seiner annimmt und Segantinis Ausbildung an der Kunstakademie beginnt, wo er schon bald hervorsticht. Die ihn künstlerisch wie intellektuell formenden Jugendjahre verbringt er in dieser Stadt, die ihn formenden Freundschaften zu Gaetano Previati, Emilio Longoni und Angelo Morbelli lebt er hier.
Seine ersten Bilder haben die Stadt zum Inhalt. Verträumte, vergessene Winkel der Stadt. Und Portraits.
Doch Mailand ist nicht seine Stadt. Die kurzen glücklichen Kinderjahre in den Bergen sind tief in seinem Wesen verankert. Segantini verlässt Mailand. Der Rückzug in die Natur beginnt. Zuerst ins Voralpenland. Und dann immer weiter weg, immer höher hinauf in die Berglandschaft des Engadin, von Gletschern umschlossen.
Seine Bilder werden inniger, gewinnen an Tiefe. Was in den Frauenportraits der Stadt noch Verlorenheit, Melancholie war, wird nach und nach, je weiter sich Segantini räumlich wie zeitlich von der Zivilisation entfernt, Sammlung; wird stille, andächtige Einsamkeit.
Es ist eine Menschheit, die in Einfachheit lebt. Selbst die alltägliche Geste des Trinkens aus dem Brunnen wird innig erlebt. Die durststillende Kraft des Wassers wird zur symbolischen Stärkung.
Die Berglandschaft und ihre Menschen. Segantini bringt uns die karge Welt der Bauern in ihrer Mühe, aber auch Zufriedenheit näher.
Am höchsten Punkt inmitten der Bergwelt – noch weiter konnte sich Segantini nur innerlich zurückziehen, in noch fernere Welten, in die mystische Abgeschiedenheit der letzten Bilder.
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Diese Ausstellung ist Teil eines umfassenderen Konzepts „Milano, Cuore d‘Europa“, die Mailand als das Herz Europas auffasst, als Stadt, die von europäischer Kultur geprägt ist. Mehr als 120 Werke aus europäischen und amerikanischen Museen und Privatsammlungen sind hier vereint, um diesen bedeutenden Maler des Divsionismus, des italienischen Pointillismus, einem breiten Publikum näherzubringen - als Mensch und als Künstler.
Briefe, Fotografien, Dokumente und fast sämtliche Selbstportraits geben Aufschluss über Segantinis Leben, um dann in den verschiedenen Abschnitten der Ausstellung seine künstlerische Laufbahn nachzuvollziehen. Die ersten Bilder schwanken thematisch zwischen eindringlichen Portraits und stillen Winkeln der Altstadt Mailands. Im nächsten Saal sind seine Stillleben zu sehen. Der Abschnitt „Natur und Landleben“ vereinigt thematisch, was in seinen ersten Bildern noch getrennt war: Landschaft und Mensch werden eins und prägen einander gegenseitig. Im Abschnitt „Natur und Symbol“ gewinnt die Bergwelt symbolischen Charakter: Mezzogiorno sulle Alpi ist ein wunderbares Beispiel für die Suche nach dem Licht die zur symbolischen Suche, zum Aufbruch wird. Ave Maria a trasbordo ist zudem von einer intensiven Spiritualität geprägt ist. Das Thema der Mutterschaft, dem Segantini einige seiner innigsten Gemälde gewidmet hat, geht über in die letzten mystischen Bilder der Engel und der Quelle des Lebens.
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Giovanni Segantini ,Ave Maria a trasbordo (Ave Maria bei der Überfahrt), 1886 | San Gallo, Fondazione Otto Fischbacher - Bildquelle: Wikipedia
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Sylvia Schiechtl - 17. Oktober 2014 ID 8175
Weitere Infos siehe auch: http://www.mostrasegantini.it
Post an Sylvia Schiechtl
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