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Ausstellung

Zwischen Kunst und Leben, Zufall und Kalkül

NOLDE IN HAMBURG


Buchcover zum Ausstellungskatalog Nolde in Hamburg in der Hamburger Kunsthalle

Bewertung:    



Überwältigt von dem Umfang der Bilder, stehe ich im ersten der insgesamt zwölf Räume:

Über hundert Tuschzeichnungen und Aquarelle, Radierungen und Holzschnitte von Hamburg und Hafen aus verschiedenen Blickwinkeln zeugen von Leidenschaft und Forscherdrang. Pulsierendes Leben auf Papier gebannt, weiße Flächen, darauf meist nur wenig Striche, schwarzer Qualm aus dem Schornstein - und doch erkennt man den Schlepper, die Kraft und das emsige Treiben der Arbeitswelt. Sein geliebtes Element Wasser ist für ihn stetige Bewegung. Diese Bilder muten fast an wie asiatische Kalligraphie, es gibt „Ungemaltes", und so entsteht eine bisher nicht gekannte Dynamik, eine gewisse Modernität oder auch Zeitlosigkeit. Man erkennt die Spontanität, aber auch die Planung.



Emil Nolde (1867–1956), Kleiner Dampfer, Hamburg, 1910; Tuschpinselzeichnung, aquarelliert; 35,6 x 46,5 cm | Nolde Stiftung Seebüll © Nolde Stiftung Seebüll | Photo: Dirk Dunkelberg, Berlin


Rausch mit Kalkül.

Mit einer guten Führung durch Kuratorin Karin Schick erfahren wir so Einiges über die Person Emil Nolde (1867-1956) - seinen Werdegang als suchender Künstler und wie die aufwändige Ausstellung in Zusammenarbeit mit Christian Ring (Nolde Stiftung Seebüll) zustande kam. Es ist auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung; trotz vieler Korrespondenzen weiß man noch längst nicht alles über diesen Menschen, heißt es.

Nolde war auf jeden Fall neugierig, war fasziniert von dem Zusammenspiel zwischen Natur und technischem Fortschritt. Er setzte sich selbst hinein ins Geschehen, ja mitten in die Schlepper, mit Zeichenblock oder der schweren Druckplatte für Radierungen. Trotz der Spontaneität versuchte er stets das Gleiche mit verschiedenen Techniken zu ergründen. Ehemals angewandter Künstler war er getrieben, auch Käufer für seine Kunst zu finden. Sein bürgerlicher Name ist Hans Emil Hansen, geboren im Dorf Nolde nahe Tondern in Nordschleswig, da wo grenzenlose Weite und deutsches Licht vorherrschen.

Das findet er in anderem Sinne auch in der modernen Großstadt. Künstler und Geschäftsmann zugleich, schmeichelt Nolde den Hamburgern mit den Worten: “Hamburg ist für mein Auge so reich an Schönheit."

Nolde war stets interessiert seine Bilder auch auszustellen, sah dafür die Kunsthalle als geeignet und bekam erstmals 1907 Kontakte zum Bildungsbürgertum. Er hatte vor, den Hamburgern die Bilder zu geben, die sie sich ersehnten. Für ihn war Hamburg eine Kunststadt und hatte viele Förderer wie die Sammler Martha und Paul Rauert, Gustav und Luise Schiefler und nicht zuletzt die Galerie Commeter. Hier gab es Anhänger des sich entwickelnden deutschen Expressionismus, nachdem ihm der französische Impressionismus voraus gegangen war.

Der Sammler und damalige Direktor Alfred Lichtwark (1852-1914) hatte trotz Ankauf schweren Zugang zu Nolde und seinen Werken. Anfangs war Nolde den Nationalsozialisten nicht abgeneigt.

Danach war Busch der Leiter, und 1934 gab es einen Nolde-Saal. Die NSDAP war begeistert und fragte "Wo ist das schrecklich Moderne?" Das großformatige Bild Grablegung von 1915 - ist das jetzt ein Problem, etwa entartete Kunst? Muss es beschlagnahmt werden? Man war sich gar nicht einig! Und so verschwand es sicherheitshalber im Depot.

Busch schreibt an Nolde: "In Berlin können nur noch Landschaften gezeigt werden, keine Figuren." Hamburg dagegen scheint noch offen für Neues?



Emil Nolde (1867–1956), In der Loge, 1911; Öl auf Leinwand, 79,5 x 69,5 cm | Nolde Stiftung Seebüll © Nolde Stiftung Seebüll | Photo: Elke Walford und Dirk Dunkelberg


Emil Nolde (1924): "Die Hamburger Kunsthalle ist der 1. Schritt in die Welt von hier oben."

Während der Nazizeit wurde dann aber hinterfragt, ob diese Bilder wirklich arisch seien. Denn da gab es bereits abstrakte und kubistisch anmutende Werke mit expressiven krassen Farben. Wieder ging es um die Grablegung Jesu, das Werk ist zu flächig, die Farben zu grell, zu aggressiv, verzerrte Körper, den Schmerz darstellend könne nicht akzeptiert werden. Man wollte unverfängliche Kunst - aufbauende Naturbilder. 1937 wurden 1052 Werke Noldes als "entartete" Kunst beschlagnahmt. Nolde bekam angeblich Berufsverbot.

Das alles wusste ich nicht. Bislang war Nolde für mich ein bürgerlicher Maler, der Hansestadt verbunden, Blumen malend. Ich kannte all die Postkartenmotive. Hier geht es aber auch um das Verstehen von Moderner Kunst, um Widerstände und intellektuellen Austausch. Nolde hatte lange gehofft, dass die Nationalsozialisten den Expressionismus zur "nordischen" Staatskunst erklären. Letztendlich war er Antisemit und Verfechter des Nationalsozialismus. Das hat man immer versucht zu vertuschen.

Der Alte Wilde - so könnte man ihn bezeichnen - fasziniert vom Ursprünglichen. Nolde wollte Geräusche und die vielfältigen Gerüche, ja all die damit verbundenen Emotionen darstellen. Seine Hafenbilder zeugen von der Arbeitswelt dieser Zeit, es roch nach Kaffee und allem, was heute nicht in Säcken sondern Containern verladen wird, und es war laut im Hafen, noch gab es keine Lichtsignale, sondern ein ständiges Hupen. Es herrschte rege Betriebsamkeit, die sich sofort in den Bildern erfassen ließ. Die Melancholie, Tiefe und Atmosphäre seiner Bilder erschließt sich nicht durch Poster, sondern liegt im Betrachten der Originale, nur da brodelt und zischt es, nur da sind seine Farben echt.

Der Mensch Hans Emil Hansen war ein glühender Nazi, der Maler Emil Nolde war es nicht? Auf jeden Fall hatte dieser Maler noch Zeit und Muße, sich seinem Sujet auszuliefern, er malte laut und bunt, wollte gesehen werden, und das ist es, was fasziniert.



Emil Nolde (1867–1956), Blumengarten F (Mohn u. blaue Kerzen), 1915; Öl auf Leinwand, 73 x 88 cm | Privatsammlung © Nolde Stiftung Seebüll | Photo: Christoph Irrgang, Hamburg


Liane Kampeter - 24. September 2015
ID 8896
Weitere Infos siehe auch: http://www.hamburger-kunsthalle.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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