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Ausstellung

MANET -

SEHEN


Der Blick der Moderne


Bewertung:    



Nichts als Skandalbilder - wohin man schaut, eine Provokation des Bürgertums.

Kritiker nennen es "dilettantische Schmiererei und banale Wiedergabe der Realität".

Ja, so sah man das damals um 1870 herum. Der direkte Blick einer lustvoll entspannten Prostituierten war gegen alle Moralvorstellungen. Dabei schaut sie selbstbewusst und emanzipiert - die Nana, Édouard Manets berühmtestes Bild von 1877 (im Besitz der Hamburger Kunsthalle).

Seine Gemälde wurden damals in den Pariser Salons allenfalls hoch unter die Decke gehängt - dort, wo man nicht so genau hinschaute.

Doch Manet ist dabei, die Kunst zu revolutionieren, er ist gegen Historienmalerei. Und im Kampf gegen Akademiker macht er alles anders, leitet einen Paradigmenwechsel ein. Er malt keine Hintergründe, die in den weiten Raum weisen und Fantasiewelten erzeugen, in denen man verschwinden kann, sondern er konfrontiert mit geschlossenen Flächen in Grau oder Schwarz und verhindert damit ablenkende Projektion.

Die Aufmerksamkeit soll ganz der abgebildeten Person gewidmet sein, selbst wenn sie auf rätselhafte Weise ein Schleier verdeckt, sie mit dem Fächer kokettiert oder unscharf dargestellt ist; man muss umso mehr hinschauen.

Der Mensch wird in den Vordergrund gestellt, sieht uns direkt an oder haarscharf an uns vorbei, als würde er unseren Schatten betrachten. Sagt man nicht, der Tod steht knapp hinter der rechten Schulter, uns Dinge einzuflüstern?

Wir als Betrachter werden also irritiert, als wäre es ein Dialog mit unseren eigenen Geistern.

Manet war begeistert von Illusion und Zauberei mit Spiegeln, wo Menschen verschwanden oder aus dem Nichts wieder auftauchten. Er liebte Revuen und anrüchige Szenen, das kleine beiläufige Geschehen in der Ecke einer Bar.



Manet, Jean-Baptiste Faure in der Rolle des Hamlet, 1877, Öl auf Leinwand, 194 x 131,5 cm | (C) Museum Folkwang, Essen - ARTOTHEK


Während wir zuschauen wie Voyeure, sehen die Bilder in Wirklichkeit uns an! Im Moment des durchdringenden Blicks erkennen wir unbemerkt etwas von uns selbst. Walter Benjamin erklärt es so: "Der Angesehene oder angesehen sich Glaubende schlägt den Blick auf." Normaler Weise weichen wir eindringlichen Blicken aus Scham und Sittlichkeit aus, doch hier in Anbetracht eines Bildes können wir verweilen und selbst eine Aura wahrnehmen. Ein Flimmern erzeugt Atmosphäre und deutet gleichzeitig Kronleuchter an, Schatten erscheinen am äußeren Bildrand, sie könnten vom Betrachter kommen. Manet inszeniert, als wären es Theaterstücke, sie laden zum genauen Sehen ein. Aufmerksam halten wir dem Blick stand, lassen ihn nach Innen. Dann müssen wir selbst die Geschichte zu Ende spielen.

Im Bild oder davor, Motiv oder Betrachter - es macht keinen Unterschied.

Wahrlich - das ist der Beginn der Modernen Malerei.

Dieser Skandalkünstler, selber aus wohlhabendem Hause, stellt arme Bettler in lebensgroßer Erhabenheit dar, und zwar genauso wie man davor den Adel repräsentiert hat - im Großformat.

Der Hintergrund in Ocker und Schwarz wirkt wie grelle Farbigkeit, wird übersinnlich durch Lichtkegel und Heiligenschein. Abgetragene Kleidung oder die schwarze Eleganz wohlhabender Kunstkenner, wissend, was idealistische Ästhetik ist - es sind Allegorien, mit denen Manet eine öffentliche Aussage macht. Auch korrigiert er seine Bilder nicht, nur damit sie gekauft werden, er tut höchstens so. Die Konkurrenz ist groß.

Zwei Seelen schlagen in seiner Brust. Das Leben der einfachen Leute und die Dekadenz des Großbürgertums, nicht erkennbar in ihrem Milieu, weil es neutrale Hintergründe gibt, aber erkennbar im Gesicht, der Art, wie sie in die Welt schauen. Moment von Begegnung.

Manet wird zum Türöffner beider Gesellschaftsschichten, es sind nur unterschiedliche Erscheinungsformen des Menschseins. Denn in Wirklichkeit geht es ihm um etwas anderes - den tieferen Sinn des Lebens.

* *

Diese aufwändige Ausstellung brauchte sechs Jahre an Planung und zwei Jahre intensiver Vorbereitung. Mit den drei Meisterwerken, die im Besitz der Kunsthalle sind, dann Leihgaben von 30 Museen, Gemälde also aus aller Welt, 90 Radierungen und Lithographien und einem didaktischen Teil zum Thema "Sehen", ist es eine einzigartige Zusammenstellung, die ein immenses Budget erforderte. Es gab großzügige Sponsoren und selbst Airbus (Toulouse) konnte überzeugt werden, weil Manet ein französischer Künstler ist.

Ein Dank geht auch an den Leiter der Kunsthalle Hubertus Gaßner. Es ist seine letzte Ausstellung, die er bei der Pressekonferenz mit feuriger Leidenschaft begleitet, laufend Episoden erzählt, schwer zu timen ist, wo doch noch weitere Termine für heute angesetzt sind.

Liane Kampeter - 27. Mai 2016
ID 9342
Wie immer gibt es ein großartiges Rahmenprogramm, den "Nana Abend" am 10. und 11. Juni, eine "Wagner Revue“ am 21. Juni u.a.

Weitere Infos siehe auch: http://www.hamburger-kunsthalle.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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