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Bewertung:    



Lynn Hershman Leeson hat ein verschmitztes freundliches Lächeln - mit viel Erfahrung schaut diese einflussreiche Medienkünstlerin in die Welt.

In den USA oft abgelehnt dort auszustellen, hat sie hier und jetzt in den Deichtorhallen Hamburg-Harburg (Ciciv Radar) ein großes Forum bekommen, ihre gesellschaftskritischen Werke zu zeigen. Es ist eine Retrospektive ihrer 1940er oder 1950 Jahre Schaffenszeit mit erstmals gezeigten Kunstwerken - und neuesten Produktionen. Sie ist sehr innovativ, benutzt Fotografie, Video, Film, Performance und Installationen sowie interaktive und netzbasierte Medienkunst.

An dieser Stelle bewunderndes Lob an die Handwerker, die mit viel Akribie die vielen Kunstwerke an ihren Platz bringen, anschließen und ins rechte Licht rücken.


1941 in Cleveland, Ohio, USA geboren, fing sie 1959, von Rembrandt inspiriert, zu malen an, interessierte sich für Naturwissenschaft, technische Entwicklungen und Erfindungen.

Mit ihrem Charme betrat sie die Kunstwelt, war in der Feministischen Bewegung vertreten, hatte gesellschaftliche Fragen, die Mensch und Maschine, ja überhaupt Identität hinterfragen.

All diese Themen über künstliche Intelligenz, über Cyborg, Überwachung, das Gender-Thema waren eigentlich Fiktion, doch Lynn H.L. hatte feinfühlige Antennen, dafür Bilder zu finden.




Civic Radar in den Deichtorhallen Hamburg-Harburg - atmendes Wachsmasken-Portrait als Soundinstallation mit der Stimme von Lynn Hershman Leeson | Foto (C) Liane Kampeter


Das macht die Ausstellung aktuell - und während sie lange Zeit ignoriert oder wegen ihrer Atmenden Wachsmasken Portraits in Museen abgelehnt wurde (Sound gehöre nicht in ein Museum), ist sie doch maßgeblich an der Entwicklung dieser Kunstgattung beteiligt.


Sie gibt nicht auf, fordert heraus, provoziert, inszeniert in den 1970er Jahren das Thema Rassismus anstatt im Museum in einem Hotelzimmer, welches man rund um die Uhr besuchen kann. Dort liegen zwei Wachsfiguren im Bett, eine mit schwarzer die andere mit weißer Hautfarbe. Doch das Dante Hotel wird polizeilich geräumt, die Requisiten geraten unter Beschluss.

Also fängt sie 1973 an, die Kunst auf die Strasse zu tragen. Als fiktive Person Roberta Brightmore führt sie über 6 Jahre ein Doppelleben mit Liebhabern, Psychodoc, eigenem Führerschein und Kreditkarte. Als Lynn H.L. war ihr diese verwehrt worden, sie war nicht kreditwürdig. So zeigt sie die Abhängigkeit von der Technik, kritisiert den Überwachungsstaat, ist aber auch viel in der Opferrolle und wird tatsächlich von Polizeigewalt bedroht. Hat das letztendlich ihr persönliches Leben geprägt?

„What makes us real?“ ist ihre Frage. - Die Kreditkarte?

In ihrer neusten Installation The Infinity Engine (2014) thematisiert sie Biological Scientific Research, die Regenerative Medizin, wo DNA verändert, Körperteile und Organe per 3-D-Printern künstlich hergestellt und implantiert werden. Dazu gibt es visuell so etwas wie einen Krankenhausgang zum OP, angeschlossen an ein multimediales Laboratorium, Ersatzteillager mit Biomaterial. Es geht auch um das Patentieren von Genen, um die Modifizierung von Mensch und Gemüse.

Und was, wenn der Mensch keine Erinnerung mehr hat, weil diese im Gehirn gelöscht ist oder durch Gehirnchips verändert wurde? Bisher galt eher der Spruch: Du bist deine Erinnerungen.

Das Argument für eine bessere Welt ist, traumatische Erfahrungen zu löschen, es geht einfach schneller als Bewusstwerdung anzustreben.

Was kommt dabei heraus? - „I am not me.“

Nun gibt es auch Meinungen, dass künstliche Intelligenz besser ist als gar keine Intelligenz. Doch wer will das beurteilen? Und immer tritt das schlechte Gewissen auf wie in der Lenor-Werbung, bin ich ein guter Mensch?

Was ist virtuelle, was reale Welt? Gibt es ein Second Life? Wer ist der Mensch noch ohne Seele?

Recreate Yourself! Make Yourself a better human!

Verändern Überwachungskameras unser Leben? (Auch in der Ausstellung gibt es welche.)

Aus der Physik weiß man, dass Moleküle sich unter Beobachtung anders verhalten. Und wer ist der Beobachter und wer das Objekt der Beobachtung? Inzwischen wissen wir, dass Computerviren entschlüsselt und an den Absender zurückgeschickt werden können. Und diese eingespeisten Viren und Würmer infizieren das Netz auf Ewigkeit. Eine Cyberwaffe verschwindet nicht, kann sich irgendwann gegen den richten, der sie ursprünglich erfunden hat.

Für ihrem Film Teknolust (2002) konnte Herzmann Leeson u.a. die Schauspielerin Tilda Swinton gewinnen, die mit ihrer Eigenart und Humor die Absurdität der Virtuellen Welt darstellt und das gleich in vier Rollen. Es geht um kontrollierte „Liebe" und künstliche Befruchtung.




Civic Radar in den Hamburger Deichtorhallen - die fiktive Person Roberta Brightmore (1979-1985) von Lynn Hershman Lyson | Foto (C) Liane Kampeter


„Privacy has been murdered.“

Lynn H. L. hat ein paar abschließende Worte: „Ein Künstler muss authentisch sein, Humor haben und heiß drauf sein, etwas zu geben.“

* * *

Es ist eine sorgsam zusammengestellte Ausstellung, die sich mit Künstlichkeit auseinander setzt, interaktiv auch; man kann am Computer mit der fiktiven Person „Agent Ruby“ reden. Das funktioniert allerdings nur beschränkt. Es gibt Sprachschwierigkeiten, und die Akustik im Raum kann störend wirken. Manches ist kompliziert und lässt sich nicht einfach erschließen.

„I wanne know all about you“, sagt die Computerperson, „tell me your first memory.“

Aber unsere Unterhaltung kommt nicht so richtig in Gang.

An anderer Stelle wird Touchscreen eingesetzt. Meist geht es um die Rolle der Frau in unserer Konsumwelt. Lynn H.L. ist dabei, Alltag und Kultur zu analysieren, wobei es (wie ich finde) gewisse Unterschiede zwischen den USA und Europa gibt. Und amerikanische Kontrollinstanzen sind schnell bei der Hand zu schreien:

„This is not art! It’s pornography!“ (Rep. Robert K. Dornan)

Als Professorin für Medien Kunst in Berkley/Kalifornien ist Lynn Herzmann Leeson engagiert, ihre Einsicht weiter zu transportieren. Nach künstlerischen Vorbildern gefragt, erwähnt sie Jean Tinguely, weil er experimentiert und Humor hat und Marcel Duchamp natürlich, der als erster den Kunstbegriff erweitert hat, und William Turner wohl wegen seines dramatischen Malstils, der uns an Filmszenen erinnert.

Auf eine schöne neue Welt?



Der Betrachter als Voyeur in Lynn Hershman Leesons Civic Radar in den Deichtorhallen Hamburg-Harburg | Foto (C) Liane Kamppeter

Liane Kampeter - 20. Juni 2015
ID 8713
Diese Ausstellung ist in Zusammenarbeit mit dem ZKM / Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe entstanden.

Weitere Infos siehe auch: http://www.deichtorhallen.de


Post an Liane Kampeter

http://www.liane-kampeter.de



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