Wie sich von der Kunst befreien oder Sommer in Rom
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(C) Martin Barré, 63-O, 1963
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Bewertung:
Während sich die Römer den 15. August (Fer agosto) herbeisehnen und ihn erwarten wie die Kinder den Weihnachtsmann, wird die glühende und dampfende Stadt immer leerer. Es bleiben dann nur noch die schwitzenden und apathisch vor sich hin stierenden Touristenströme und die Taschendiebe. Restaurants schließen, und sogar einige Eisdielen. Dafür gibt es überall Parkplätze und Keinen, der sie kontrolliert.
Wir machen uns auf zur Villa Medici und erfahren beim Ticketlösen, dass die bequeme und stilvolle Cafetería mit Blick auf die Stadt geschlossen hat - gehen aber trotzdem in die Ausstellung.
Eine Kollektivausstellung riecht ja immer ein wenig nach einem Kompromiss. Wenn man nichts anzubieten hat, dann sucht man halt ein paar Künstler zusammen und erfindet einen Titel. La pittura o come sbarazzarsene (zu deutsch: Die Malerei oder wie sich von ihr befreien bzw. sie auszumisten). Interessante Annäherung.
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Der Franzose Martin Barré (*1924), die Amerikanerin Marica Hafif (*1929), der Italiener Fabio Mauri (*1926-2009) und der Schweizer Olivier Mosset (*1944) haben gemeinsam einige ihrer Werke hier ausgestellt. Ihr Berührungspunkt ist ein längerer Rom-Aufenthalt (bei diesem Kriterium hätte man natürlich noch viel mehr Künstler ins Boot holen können). Aber die Vier passen dann doch sehr gut zusammen; mehr oder weniger sind sie alle konzeptionell-konstruktivistische Minimal-Künstler.
Der jüngste unter ihnen, Olivier Mosset, gehört auch zu den späteren Monochrom-Künstlern wie Gotthard Graubner. 1965 ging er nach Paris und lernte Daniel Buren kennen. Seine Arbeiten in den Jahren von 1966 bis 1974 reduzieren sich auf Kreise – meistens Schwarz auf weißem Hintergrund. 1967 sollte er zusammen mit Buren, Parmentier und Toroni, im "Salon der jungen Malerei" in Paris ausstellen. Um allerdings den Akt der Kreation zu trivialisieren, entfernten sie nach dem Aufbau umgehend ihre Exponate wieder und brachten dafür die Banderole "Buren, Mosset, Parmentier und Toroni stellen hier nicht aus" an (die hier ausgestellte Banderole ist eine Replik).
Marcia Hafif hat von 1961 bis 1969 in Rom gelebt und hier ihre "Italienischen Bilder" erfunden. Sie schwebt zwischen Poliakoff und Louise Bourgeois hin und her, aber weniger originell. Ihre Bilder wirken irgendwie abgemalt oder haben mich wenigstens nicht angesprochen.
Martin Barré ist der Informalist. Ich habe bei seinen Bildern an Lucio Fontana gedacht, aber auch an die US-Künstler in den 60er Jahren wie Frank Stella. Vielleicht muss man mehr von ihm sehen, um ihn besser beurteilen zu können, doch seine Werke sind durchaus ansprechend.
Fabri Mauri war auch als Schriftsteller und Dramaturg tätig und gehörte vor allem zur italienischen (römischen) Avantgarde der 60er und 70er Jahre. Er ist der Star unter den vier Anwesenden. Fünfmal Biennale di Venezia-Teilnehmer (das letzte Mal 2003) und international bekannter als die anderen (außer Mosset). Mit Umberto Eco und Edoardo Sanguineti hatte er 1967 die Zeitschrift Quindici gegründet. Bekannt geworden war er v.a. durch seine Installationen und politischen Performance-Akte, einige davon hatte er mit Pasolini realisiert. Emblematisch und zeitgeistig sein Happening Was ist der Faschismus? (1971); es wurde 1979 sogar in New York gezeigt.
Eine Ausstellung, die man jetzt nicht unbedingt gesehen haben muss, aber sie hat uns vier Künstler näher gebracht, die nicht jeden Tag in der Zeitung stehen oder in allen Museen zu finden sind und trotzdem ihren Beitrag zur Kunst im 20. Jahrhundert geleistet haben. Aber in den Räumen der Villa Medici ist es sowie fast unmöglich, dass irgendetwas nicht beeindruckt.
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Die Villa Medici in Rom | Bildquelle: villamedici.it
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Christa Blenk - 9. August 2014 ID 8007
Weitere Infos siehe auch: http://www.villamedici.it/
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