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Ausstellung

Die geheime

Geschichte der

Moderne



Begleitbuch zur Ausstellung Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872-1972 in der Frankfurter Schirn

Bewertung:    



Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt will eines der Geheimnisse der Kunstgeschichte lüften und dabei aufdecken, wie „Kohlrabi-Apostel“ die moderne Kunst von Egon Schiele bis Jörg Immendorf beeinflussten.

Verwinkelte, schmale Gänge, viele Räume und kleine Nischen, ein Labyrinth, durch das man sich winden muss wie durch ein Schneckengehäuse – schon die Ausstellungsarchitektur macht deutlich, dass man hier etwas entdecken und aufspüren soll, dass man hier einem Geheimnis auf der Spur ist. Und diese Erkundung kann nicht einfach und geradlinig sein: man muss um Ecken biegen, findet sich in Sackgassen wieder und muss umdrehen, nur um plötzlich in einem größeren Saal wieder aufzutauchen. Die geheime Geschichte der Moderne von 1872 bis 1972 will man auf diese Weise aufrollen und dem Besucher 100 Jahre bislang verborgener Kunstgeschichte offenbaren. Und so steht im Zentrum der großangelegten Schau [Künstler und Propheten] in Frankfurt der Versuch, eine Verbindung zwischen den bedeutenden Künstlern der Moderne und den (Künstler-)Propheten des späten 19. Jahrhunderts aufzudecken. Es soll aufgezeigt werden, welche Bedeutung das Leben und Werk der sogenannten Barfuß-Propheten auf die Großen der Moderne und damit auf die Entwicklung der modernen Kunst hatte.



Ausstellungsansicht | © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2015 Foto: Norbert Miguletz


Über 400 Exponate – darunter Gemälde, Installationen, Zeichnungen, Lithografien, Postkarten, Bücher, Prospekte – hat man dazu in der Frankfurter Schirn versammelt. Nicht das Kunstwerk an sich steht dabei nur im Mittelpunkt, sondern vielmehr auch der kultur- und sozialhistorische Kontext seiner Entstehung. Dieser klingt in den zahlreichen Begleittexten, verteilt in der Ausstellung, auch an; und dennoch fühlt man sich als Besucher in den Windungen der Schau teilweise verloren. Es ist ein großes Projekt, das Kuratorin Pamela Kort hier verwirklichen will. Deutlich wird dies auch durch das über 500 Seiten starke Begleitbuch [s.o.], das zur Ausstellung erschienen ist. Der Stoff in all seiner Fülle aber ist in der Ausstellung selbst nur schwer zu greifen, oftmals bleiben die Verbindungen zwischen Künstlern und Propheten verborgen, und die Geschichte der Moderne offenbart ihr Geheimnis daher auch nur gezwungen. Sehenswert ist sie trotzdem, allein schon wegen der Werke von Schiele, Hundertwasser oder Beuys. Aber auch wegen der vorgestellten, oftmals nur noch wenig oder gar nicht bekannten, Propheten.


Propheten und Künstler


Karl Wilhelm Diefenbach (1851-1913) setzt den Anfangspunkt der Ausstellung, deren Entree Teile seines Frieses Per aspera ad astra (1892) bilden. Dieser erinnert an einen Scherenschnitt, schwarze Silhouetten tanzen über weißen Grund. Mensch und Tier sind hier in Harmonie, folgen scheinbar einer eigenen Melodie, in deren Rhythmus sie über Stock und Stein tollen. Kinder mit wilden Wuschelhaaren und Erwachsene in wallenden Gewändern sind zu sehen, ebenso wie Äffchen, Hunde und Ziegen. Ein märchenhafter Reigen, der sich so auch durch ein Kinderbuch ziehen könnte. Diefenbach hat hier scheinbar sein Ideal eines friedvollen Miteinanders und eines Einklangs von Mensch und Natur verewigt. Er war nicht nur Künstler, sondern auch Prophet, eine Art Guru. Nach einem Offenbarungserlebnis legte er sich eine Mönchskutte an und gründete eine Kommune. Diefenbach war Vegetarier, Nudist und befürwortete die freie Liebe. Von vielen als barfüßiger „Kohlrabi-Apostel“ belächelt, zog seine Lebensweise und Einstellung dennoch eine Schar Anhänger in seinen Bann.



Karl Wilhelm Diefenbach, 1882 | Fotografie Archiv der deutschen Jugendbewegung, Witzenhausen, N 151 Nr. 62 © Foto: Studio Lichtwert, Eschwege


Zu diesen gehörten auch zahlreiche Künstler, wie etwa der tschechische Maler František Kupka (1871-1957), einem Pionier der Moderne, der die abstrakte Kunst vorantrieb. Sein Gemälde Printemps Cosmique I (1913/14) ist in der Ausstellung zu sehen und lässt Rückschlüsse auf seine Beschäftigung mit Diefenbach und dessen spirituellen Ideen zu.



František Kupka, Printemps cosmique I (Cosmic Spring I), 1913/14; Öl auf Leinwand 115 x 125 cm | Photograph © National Gallery in Prague 2014 / VG Bild-Kunst Bonn, 2015


Auch Egon Schiele (1890-1918), der mit einigen Werken in der Schau vertreten ist, kam mit der Lehre und Ästhetik des Propheten Diefenbachs in Berührung und ließ sich davon beeinflussen. Schiele selbst sah Künstler als Propheten und verewigte in vielen seiner Gemälde seine theosophische Idee vom Körper als Astralleib. Gemein ist Künstlern und Propheten die Abwendung vom Konventionellen und Traditionellen, vielleicht auch eine gewisse Rebellion gegen das Rationale.

Bis hierhin kann die Ausstellung durchaus die Verbindung von Künstlern und Propheten nachvollziehbar machen, da sie auch in den gezeigten Werken zum Vorschein kommt. Bei Beuys (1921-1986) und Immendorf (1945-2007) jedoch wirkt sie etwas gezwungen. Joseph Beuys selbst wird zu einem Propheten stilisiert und Jörg Immendorf, immerhin sein Schüler, zu seinem Anhänger. Vergleicht man das Bild von Joseph Beuys La Rivoluzione siamo Noi (1972) mit einer Fotografie von Diefenbach (1882), ist beiden jedenfalls die Umhängetasche gemein. Das Bildnis von Beuys wurde auf Capri aufgenommen, wo Diefenbach seine letzten Lebensjahre verbrachte. Zufall? Beuys, der Künstler-Prophet der Moderne? Ein Geheimnis, das jetzt aufgedeckt ist?


Jessica Koch - 25. März 2015
ID 8526
Künstler und Propheten. Eine geheime Geschichte der Moderne 1872-1972
(Schirn Kunsthalle Frankfurt | 06.03.-14.06.2015)


Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römerberg
60311 Frankfurt
Tel.: (069)29 98 82-0

Öffnungszeiten:
Di, Fr - So | 10 - 19 h
Mi, Do | 10 - 22 h


Weitere Infos siehe auch: http://www.schirn.de


Post an Dr. Jessica Koch

http://www.culture-enroute.de



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