"Nicht nur"
Regenbogen
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Plakatmotiv | Advertisement: Homage to Benglis, part of the larger body of work CUTS, ©Heather Cassils and Robin Black 2011
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Bewertung:
Pünktlich zum diesjährigen CSD (Berlin) startete letzten Freitag eine Doppelausstellung zum Thema Homosexualität_en, die zeitgleich im Deutschen Historischen Museum und im Schwulen Museum* zu sehen ist.
Ich war mit meinem Sohn - bevor er dann mit mir am Samstagnachmittag dem bunten CSD-Umzug und seiner menschlich-schönen Ausgelassenheit entgegenschlenderte - im DHM und muss im Nachhinein gestehen, dass ich (von den dort gezeigten Homosexualität_en) reinweg kräftemäßig etwas überfordert war; mir kam das Alles etwas zu bombardementhaft vor. Ich kriegte so kaum Luft vor lauter mitteilender Masse - und entweder grenzt man Dieses oder Jenes, was man sehen und erfahren wollte, während des Besichtigungsverlaufes für sich ein oder verlässt entnervt den Pei-Bau und weiß hinterher "genauso wenig wie vorher". Es ist einfach zu viel!
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Buchcover zu Kurt Hiller, § 175: Die Schmach des Jahrhunderts, 1922; Paul Steegmann Verlag, Hannover; Streitschrift für die Abschaffung des § 175 und damit zur Entkriminalisierung von homosexuellen Männern | © Deutsches Historisches Museum, Berlin
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"Die Sonderschau bietet auf insgesamt 1.600 Quadratmetern 150 Jahre Geschichte, Politik und Kultur homosexueller Frauen und Männer in Deutschland. Sie legt dar, wie gleichgeschlechtliche Sexualität und nonkonforme Geschlechtsidentitäten von der Gesetzgebung kriminalisiert, von der Medizin pathologisiert und gesellschaftlich ausgegrenzt wurden. Sie zeigt die rechtliche Entwicklung des Paragraphen 175 des Deutschen Strafgesetzbuches auf, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte, von seinem Inkrafttreten im Jahr 1872, über die massive Verschärfung während der NS-Zeit und seine Beibehaltung bis zur endgültigen Abschaffung 1994. Neben den gesellschaftlichen Repressionen widmet sich die Ausstellung auch der Lesben- und der Schwulenbewegung, die insbesondere seit der gesetzlichen Liberalisierung seit den 1960er Jahren an Dynamik gewannen und das gesellschaftliche Verständnis von geschlechtlicher Identität verändert haben.
[...]
Im Fokus des Ausstellungsteils im Deutschen Historischen Museum steht die Entwicklung in den Bereichen Gesellschaft, Politik, Kunst, Recht und Wissenschaften seit der 'Entdeckung' der Homosexualität Mitte des 19. Jahrhunderts."
(Quelle: dhm.de)
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Mösen in Bewegung – Christopher Street Day Berlin, 1998 | Foto und © Kristina Strauß
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Zwei Etagen hat die Schau allein im Pei-Bau:
Großflächig gestaltete Zitatplakate in Blau-Gelb mit teils sehr unruhig angeordnetem Layout dienen als Eingangszone, und sofort wird auf "Das erste Mal" gelenkt; von den 12 Video-Stelen flackern resp. wispern die jeweils per Interview befragten und in Skype-Art sich artikulierenden 12 Menschen, die dann je von/über sich berichten, und per Kopfhörer lassen sie sich dann sicherlich lauter und wärmer und auch inniger vernehmen, falls man Lust hat, lauter/wärmer/inniger hinter die Kurzviten dieser Betroffenen zu kommen.
"Andere Bilder" - angereichert durch die vielzu engen Hängungen von Werken Kirchners, Lanes, Horners, Jollains, van Egmonts, Elles etc. pp. - werden mit nachfolgenden Einteilungen, meist per Foto und per Text, kommuniziert: "Antike und ihre Rezeption", "Europäische Männeraktfotografien", "Homoerotik in der Kunst", "Geschichte der Travestie...", "Sozialgeschichte der Homosexuellen", "Amerikanische Männeraktfotografie"; nein, wer soll das Alles lesen? (Aktfotos, okay, die sieht man immer gern!)
An Gitterzäunen - um vielleicht die Ghettoisierung Homosexueller früher als wie heute, und nicht nur ironisch, zu verdeutlichen - wird "Wildes Wissen" mittels zahlreicher Objekte und in alphabetisch angeordneter Thematik ausgestellt, das geht von A (wie Act up) bis zu Z (wie Zensur)...
Im zweiten Stock ist - wieder gleich am Eingang - leises aber durcheinanderschwirrendes Stimmengewirr (9 schwarze Audio-Nischen zähle ich), korrespondierend mit 30 Schwarz-Weiß-Fotos auf rotem Untergrund, bedrohlich zu vernehmen; "Schimpf und Schande" heißt diese Station.
Dann gibt es ausgiebige Möglichkeiten, auf drei Riesen-Weltkarten die unrechtmäßigen Verfolgungspraktiken von Homosexuellen durch diverse Staaten und Regime früher als wie heute im Globalen nachvollzogen zu bekommen; rein statistisch. Das erschüttert allerdings, in seiner großdidaktischen Vermessenheit, nicht allzu sehr. Halt Zahlen, Fakten, die man auch schon aus Geschichtsbüchern kannte und kennt.
Den wiederum berührendsten und (gottlob) leisesten Stationenteil wirst du letztlich "Im Rosa Winkel. Ein Gedenkraum" vorfinden: Diverse Einzelschicksale von Karl, Annette, Josef, Pierre, Willem und Frieda können dort in Ruhe und Beklommenheit verinnerlicht und nachgelesen werden. Einzig überzeugendes Moment der insgesamt doch völlig überladenen und überanstrengenden Homosexualität_en-Ausstellung.
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Unbekannt: Soldatenfreundschaft, ca. 1913; Sepia Fotografie | © Schwules Museum*, Berlin
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Gisela Herwig - 29. Juni 2015 ID 8734
HOMOSEXUALITÄT_EN (26.06.-01.12.2015)
Deutsches Historisches Museum
Unter den Linden 2
10117 Berlin
Öffnungszeiten:
täglich 10 – 18 h
http://www.dhm.de
Schwules Museum*
Lützowstr. 73
10785 Berlin
Öffnungszeiten:
Mo, Mi, Fr, So | 14-18 h
Do | 14-20 h
Sa | 14-19 h
http://www.schwulesmuseum.de
Post an Gisela Herwig
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