L'État du Ciel – Der Zustand des Himmels
Dritter Teil der Ausstellung im Palais de Tokyo, Paris (noch bis zum 7. September 2014)
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Bewertung:
Das neoklassizistische Palais de Tokyo ist ein weitläufiges Gebäude und liegt unweit des Eiffelturms in einer verhältnismäßig ruhigen Gegend. Es wurde 1937 fertiggestellt, mehrfach umgewidmet und dient seit 2002 als Zentrum für Zeitgenössische Kunst. Die übersichtliche äußere Form des Baus steht im krassen Gegensatz zum inneren Raum. Wenn man hereinkommt, fallen die nackten Wände auf, die nicht renoviert wurden und bei denen teilweise die unverputzten Steine zu erkennen sind, sowie Spuren vorheriger Nutzung, z.B. als Cinemathek. Im Palais de Tokyo gibt es keine Dauerausstellungen. Das Zentrum versteht sich als leerer Raum, der von den Künstlern und Künstlerinnen belebt werden soll. Das Ephemerische ist Prinzip. Alles wird nur für den Augenblick konzipiert und hinterher wieder in seinen leeren Urzustand zurückversetzt.
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Das Palais de Toyo, Paris | Bildquelle: Wikipedia
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Der Zustand des Himmels (L'État du Ciel) ist eine dreiteilige Ausstellung mit einer Vielzahl von Kunstschaffenden und Themen, die am 14. Februar begann und bis zum 7. September 2014 geht. Der Titel verweist auf Victor Hugo, der schrieb, dass der natürliche Zustand des Himmels die Nacht sei. Die Anspruchshaltung ist sehr hoch: Die Kunstschaffenden hatten die Aufgabe, die physischen, moralischen und politischen Faktoren zu reflektieren, die unsere Welt bestimmen. Entsprechend „düster“ sind teilweise auch die Themen.
Die Videoinstallation Bastards von Ed Atkins, die seit dem 6. Juni 2014 zu sehen ist, thematisiert u.a. die Einflüsse, unter denen wir stehen. Die werden von außen kontrolliert, sei es durch soziale Anpassung, Alkohol und eine Lebensweise, die nicht unserem eigenen Ausdruck entspricht. Das Video besteht aus teils verfremdeten Bildern, Texten und Musik, die Atkins in einer sehr grimmigen und extremen Weise zusammengesetzt hat. Seine Absicht war es, für jedes Video eine Art Ökosystem zu kreieren.
Für All That Falls hat sich eine Gruppe von mehr als 20 Künstlern und Künstlerinnen zusammengetan. Ob es die Berliner Mauer ist oder das World Trade Center in New York, alles muss fallen. Ob das befreiend oder traumatisch ist, macht dabei keinen Unterschied. Vielleicht aber, so die Intention der Kunstschaffenden, kommen wir zu besseren Erkenntnissen, wenn auch die Illusion erst einmal gefallen ist.
Bei Aujourd'hui, le monde est mort – Heute ist die Welt gestorben von Hiroshi Sugimoto ist schon alles gelaufen. Die Menschheit ist untergegangen, und wir bekommen nur noch zu sehen, was übrig bleibt. Doch was die Archäologen der Zukunft (in diesem Falle auch die Besucher) zu sehen bekommen, sind nicht die hehren Künste, technischen Errungenschaften und Meisterleistungen der Menschheit. Es sind Ruinen, verrostete Wellblechwände und banale Gegenstände, wie Barbiepuppen und ein Playboy-Magazin. In schriftlichen Überresten beschweren sich die Schreiber über Wohlstandsmüll, den Einsatz von Chemiewaffen und den Aufstand von Robotersklaven. Es ist eine komplexe Ausstellung, die mit Esprit, Prägnanz und Tiefsinnigkeit punktet.
Dies sind nur kleine Schlaglichter. Die Ausstellungsreihe enthält de facto so viel Aspekte, dass man sie gar nicht aufführen kann, zudem man immer wieder neue entdeckt, je länger man sich damit beschäftigt.
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Was im Palais de Tokyo zählt, ist nicht so sehr, welcher Künstler, was und wann ausgestellt hat. Keines der Exponate wird in 100 Jahren im Louvre oder sonstwo zu bestaunen sein. Es zählt der Augenblick und das Erlebnis des Besuches, der aufgrund der schnellen Wechsel die jetzige Ausstellung in der gegebenen Form nicht mehr besuchen können wird, weil schon wieder das nächste dran ist. Das Museum hat kein künstliches Licht, ist aber bis Mitternacht geöffnet. So müssen sich nach Sonnenuntergang die Besucher mit Taschenlampen auf einen ganz eigenen Weg machen.
Es gibt nur eine kleine Räumlichkeit im Basement des Palais de Tokyo, die erhalten bleiben soll. Dort sind die Wände von mehreren Straßenkünstlern mit Grafitti bemalt worden. Das Lasco-Projekt erlangte Berühmtheit, und so wollte man es belassen. Allerdings werden auch da von Zeit zu Zeit Wände übermalt, so dass nichts Permanentes entstehen kann.
Als Zentrum für Zeitgenössische Kunst hat sich das Palais de Tokyo konsequent vom musealen Umgang mit Kunst verabschiedet. Es herrscht auch keine andächtige Stille. Wenn nicht gerade Literaten ihre Werke vortragen, sind es die Besucher, die lebhaft, manchmal leidenschaftlich das Gesehene und Erlebte diskutieren.
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Helga Fitzner - 1. Juli 2014 ID 7933
Weitere Infos siehe auch: http://www.palaisdetokyo.com/
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