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Ausstellung

Das eigene

Leben malen



Bewertung:    



Nach fünf Jahren des Umbaus öffnet das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster mit einer fulminanten Ausstellung dem Besucher nun die Türen zu seinen neuen Räumen. Unter dem vielversprechenden Titel Das nackte Leben stellt die Schau die Malerei in London von 1950 bis 1980 in den Mittelpunkt und zeigt dabei, dass das alltägliche, das nackte Leben als Sujet jeden Pinselstrich wert ist.

Es sind große Namen, die in den schlichten, weißen Neubau des Museums locken und große Kunstwerke, die ihm gehörig Farbe verleihen. Francis Bacon ist unter den ausgestellten Künstlern, ebenso wie Lucian Freud, David Hockney, Frank Auerbach oder Leon Kossoff. Insgesamt hat man 16 Maler und 120 ihrer Werke in dieser großen Sammelausstellung zusammengebracht und kann so einen umfassenden Überblick über eine wichtige Epoche der britischen Kunstgeschichte präsentieren.

„Warum nicht das eigene Leben malen?“ hatte der Maler R.B. Kitaj gefragt und damit auch seinen Künstlerkollegen den Anstoß gegeben, die persönliche und alltägliche Lebenswelt auf Leinwand zu bannen. Auch wenn sich die Künstler und ihre hier gezeigten Werke in ihrer Individualität deutlich voneinander absetzen, sie keinen gemeinsamen Stil haben, ist ihnen doch ein Element gemein, das sie nutzten, um die gewöhnliche Lebensrealität zu beleuchten und die verschiedensten Facetten ihrer Wirklichkeit darstellen zu können: die figurative Malerei.

Die Schau zeigt, wie die Künstler begannen, sich von dem Trauma des Zweiten Weltkriegs zu lösen, es zu verarbeiten und die kulturelle Welt wieder aufzubauen. Beim nackten Leben geht es also auch um das nackte Überleben – nicht nur um das der Künstler, sondern auch um das der Kunst. Die Kunst sollte nach der Zäsur des Krieges wiederbelebt und neu erschaffen werden. Dabei standen den Künstlern alle Möglichkeiten offen. So entwickelte sich beispielsweise in Amerika der abstrakte Expressionismus mit seinen bedeutenden Vertretern wie Jackson Pollock oder Mark Rothko. Aber auch ein Gegenpol zu dieser Richtung entstand, der von London ausging und sich dort auch konzentrierte. Statt sich in das Abstrakte zu flüchten, lenkte man hier den Fokus auf das reale Sein und dessen figurativer Darstellung.


Eintauchen in das Leben


Das Leben an sich ist natürlich ein vielfältiges Thema, und dementsprechend mannigfaltig sind auch die gezeigten Werke in der Ausstellung. Hier kann man Porträts sehen, Akte, Landschaftsbilder, Stadtansichten und Alltagsszenen. Und so hängt etwa Freuds wunderbares, stilles Portrait of a Girl von 1950 neben Michael Andrews‘ People Sunbathing (1954/55), das in seiner Landschaftsdarstellung an den Impressionismus erinnert. Alltagssituationen werden künstlerisch reflektiert und die Wirklichkeit so hinterfragt. Menschen werden genau beobachtet, ihre Psyche eingefangen und ihre alltäglichen Handlungen zum Thema. Nichts ist zu unwichtig oder unbedeutend, zu intim oder zu alltäglich, um nicht dargestellt zu werden. Während Hockney für Flight into Italy – Swiss Landscape (1962) eine eigene Reise zur Anregung nahm, beschäftigte sich Leon Kossoff mit dem Londoner Stadtverkehr und schuf mit wilden Pinselstrichen den Morgenhimmel über der Willesden Junction (1962). Sowohl die Körper- als auch die Landschaftsbilder scheinen hier Mittel zu werden, die Spuren aufzuzeigen, die das Leben eben hinterlässt.

Auch Geschichte, Politik, Werbung, Fotografie und Film werden in den gezeigten Gemälden ebenso behandelt wie Sexualität, Familienleben, Einsamkeit oder das Alter. Leon Kossoff zeichnete seinen Vater (Father Resting, 1977), Freud malte gerne seine Tochter (Esther, 1980) und Euan Uglow verewigte einen eigentlich banalen Alltagsgegenstand in Öl. Der Flour Man von 1972-74 war ein Mehlsieb in der Form eines kleinen, putzigen Kunststoffmännchens. Richard Hamilton schließlich fand seine Motive in Filmen, wie bei I’m Dreaming of a White Christmas (1967) deutlich wird.



Lucian Freud, Esther, 1980; Privatbesitz © The Lucian Freud Archive / Bridgeman Images

Richard Hamilton, I´m Dreaming of a Black Christmas, 1971; British Council Collection © R. Hamilton. All rights reserved/ VG Bild-Kunst, Bonn 2014/ Foto: British Council Collection

David Hockney, A Diver (Paper Pool 17) 1978, National Gallery of Australia, Canberra © David Hockney / Tyler Graphics Ltd. | Photo Credit: National Gallery of Australia, Canberra


Wie der Taucher auf Hockneys gleichnamigen Bild von 1978 in das kühle Nass springt, so springen die Künstler kopfüber in den Pool des Lebens und tauchen wieder auf mit Eindrücken, die sie dann in ihren Gemälden festhalten. Überhaupt ist David Hockneys A Diver ein zentrales Element der Ausstellung. Zum einen wegen seiner Größe – es besteht aus 12 aneinandergefügten Blättern – und seiner leuchtenden Farbigkeit, zum anderen weil es in seinen Bann zieht und fasziniert. Schade, dass ausgerechnet in diesem Raum der Ausstellung keine Bank zum längeren Verweilen einlädt.


Ein bisschen Pop muss sein


Das Leben selbst ist keiner speziellen Ordnung unterworfen, und dies spiegelt sich auch in der Ausstellung wider. Die Werke sind nicht chronologisch geordnet und oft scheinbar nur nach ästhetischen Gesichtspunkten gehängt. Wegen der schieren Menge der Gemälde ist die Aufteilung der Ausstellung in sechs Räume sinnvoll, kann der Betrachter doch so die Konzentration besser aufrecht erhalten und kurz nach Luft schnappen, wenn er von einer Räumlichkeit in die anderen wechselt. Einzig bei einem Raum scheint sich eine stilistische Ordnung abzuzeichnen: hier hat man sich nämlich der Pop Art zugewandt. Pop ist in den deutschen Museen eben gerade das große Thema.

In diesem Zimmer knallt es nun aber so richtig, grelle Farben springen den Betrachter an. Hier ist es sexy, schrill und reißerisch. Auch das gehört zum Leben. Die Bilder erinnern an die Klatschpresse, an Graffitis und an Werbung. Nicht umsonst hat man eine riesige gelbe Bank in der Mitte des Raumes platziert und dort die Informationstafeln zu den Gemälden ausgelegt, die an die englische Yellow Press erinnern. Besonders sticht hier Allen Jones‘ Green Dress (1964) ins Auge. Denn der Leinwand wurde bei diesem Gemälde die Form des dargestellten Gegenstands gegeben.

Man verlässt die Ausstellung mit einem „Wow“ auf den Lippen, überwältigt von der Bilderflut. Das nackte Leben ist unbedingt sehenswert, alleine schon, weil viele der hier gezeigten Werke zum ersten Mal in Deutschland zu sehen sind, aber auch weil die Ausstellung die unabdingbare Verbindung von Leben und Kunst zu ihrem Zentrum macht und zeigt, dass das Leben überall seine Spuren hinterlässt.


Jessica Koch - 30. Dezember 2014
ID 8346
Weitere Infos siehe auch: http://www.lwl-museum-kunst-kultur.de


http://www.culture-enroute.de



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