So fern,
so nah
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Bewertung:
Die HAMBURGER KUNSTHALLE - eines der größten und renommiertesten Bildermuseen Deutschlands - wartet derzeit (noch bis zum 12. Oktober) mit einer spektakulären Doppel-Schau zahlreicher Werke des Surrealismus und der Romantik auf. Vor vierzehn Tagen war Eröffnung; und was auffällt ist, wie nah (und fühlbar "ungeschützt") die Exponate von ihren Betrachtern wahrgenommen (ja und hoffentlich nicht aus Versehen angefasst) werden können; so viel kontemplative Nähe hatte ich bislang nur selten wo erlebt.
Rendezvous der Träume - ein vielleicht nicht unabsichtlich die Gemüter deutscher Hausfrauen und -männer anlockender Titel - heißt die Ausstellung und wird mit einem der in ihr gezeigten Hauptwerke, nämlich dem 1937 gemalten Hausengel von Max Ernst [s. Plakatmotiv o.re.], beworben. Anlass dieser schier unglaublich anmutenden Schau ist das einhundertjährige Jubiläum der surrealistischen Bewegung, welche gleichsam "der deutschen Romantik als einer der wichtigsten Geistesverwandtschaften des Surrealismus" nachgespürt hätte:
"Ausgehend von einem erstmals thematisierten Bilderpaar der Kunsthalle, treffen über 230 surrealistische Ikonen von großen wie auch neu zu entdeckenden Surrealist*innen wie Max Ernst, Meret Oppenheim, René Magritte, André Masson, Salvador Dalí, Dorothea Tanning, Paul Klee, Valentine Hugo, Victor Brauner, Toyen und vielen anderen in neuartigen Kontexten und spannungsvollen Gegenüberstellungen auf über 70 Meisterwerke der deutschen Romantik, unter anderem von Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge sowie auf romantische Dichtung.
Denn Leitthemen wie die Faszination der deutschen romantischen Künstler*innen und Dichter*innen für den Traum – als ein Sehen höherer Art begriffen – die Einbildungskraft, die Nacht, aber auch für den Mikro- wie Makrokosmos oder ein besonderes Naturgefühl gehörten zu den Inspirationsquellen, die sich der Surrealismus ein Jahrhundert später zu eigen machte. Geisteshaltungen und Bilderfindungen von Friedrich, Runge, Carl Gustav Carus, Carl Wilhelm Kolbe und vielen mehr spielten wie die Schriften von Novalis, Achim und Bettine v. Arnim, Karoline v. Günderrode, Johann Wolfgang v. Goethe, Friedrich Hölderlin oder Heinrich v. Kleist eine bedeutende Rolle bei der Suche nach einer revolutionären Kunst im 20. Jahrhundert. Dies erstaunlicherweise besonders in den Jahren des Krieges, in Widerstand und Exil. Der Surrealismus knüpfte an die Romantik als Reaktion gegen die 'Entzauberung der Welt' an und spiegelte ihre revolutionäre Dimension; Ziel beider Bewegungen war ein Lebensgefühl, die Infragestellung einer scheinbar gegebenen Realität und ihrer Grenzen und damit nicht weniger als eine Transformation sowohl des Individuums wie der Gesellschaft. Auch wenn aus unterschiedlichen historischen Situationen geboren, scheint das Credo von Novalis nach der 'Romantisierung der Welt' das Streben der Gruppe nach einer höheren geistigen Revolte in einer 'Surrealität' vorwegzunehmen."
(Quelle: hamburger-kunsthalle.de)
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Caspar David Friedrich (1774–1840), Wanderer über dem Nebelmeer, um 1817; Öl auf Leinwand, 94,8 x 74,8 cm; Dauerleihgabe der Stiftung Ham-burger Kunstsammlungen | © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford
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Die Schau wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Pariser Centre Pompidou (wo sie bis Anfang Januar bereits zu sehen war) organisiert, und zu ihren wichtigsten Leihgaben zählen beispielsweise Dalís Die Unsichtbaren - Schlafende, Pferd, Löwe (1930) oder Magrittes Das doppelte Geheimnis (1927).
Die Hängungen sind relativ dicht, die Räume überwiegend schwarz; die in gezielte Lichtspots getauchten Bilder kommen so besonders intensiv und farbig zur Geltung.
Der Besucherstrom verteilt sich - auch wegen der sehr zahlreich auf- und eingebauten Zwischenwände, um die herum man wandeln kann - recht gut.
Sitzgelegenheiten gibt es wenige, doch wer sie sucht wird (allerdings nicht in allen Räumen) fündig.
Für besonders Gehfaule (oder gar Gehbehinderte) besteht die Möglichkeit, in einem der Video-Vorführräumlichkeiten ruhend Platz zu nehmen - ich tat das dann bei einem Film, in dem es um die Rezeptionsgeschichte von Max Ernst' berühmtem Gruppenbild Das Rendezvous der Freunde (1922) - dem womöglich zentral(st)en Exponat der Hamburger Schau - geht. In einer anderen "Filmecke", in der sich auch gut ausruhen ließ, lief endlosschleifig Buñuels & Dalís Ein hündischer Andalusier.
Allein die sage und schreibe 230 (!) ausgestellten "surrealistischen Ikonen" - um Gotteswillen ja nicht zu verpassen!
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Gisela Herwig - 28. Juni 2025 ID 15333
Weitere Infos siehe auch: https://www.hamburger-kunsthalle.de
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