Pissarro pur
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Bewertung:
Einer der womöglich schönsten und auch interessantesten Kulturbauten in der Park- und Schlossstadt Potsdam dürfte das am Alten Markt nach Plänen der Architekten Hilmer & Sattler und Albrecht zwischen 2013 und 2016 errichtete MUSEUM BARBERINI sein. Die Ruine des bei einem Luftangriff der Alliierten im April 1945 zerstörten Palais ließ die DDR 1948 abreißen. Im Zuge einer 2005 von Stadt und Land beschlossenen umfassenden Rekonstruktion des historischen Altstadtkerns sollte es so originalgetreu wie möglich als Museum wiederhergestellt werden. Initiatorin und Ermöglicherin dieses Projektes war die Hasso Plattner Foundation.
Stifter und Mäzen Hasso Plattner (Mitgründer und ehemaliger Vorsitzender des Softwareunternehmens SAP) trug in den letzten zwei Jahrzehnten eine der bedeutendsten Sammlungen impressionistischer und postimpressionistischer Kunst zusammen. Im Museumsbestand befinden sich 115 von ihm im Laufe seines langen Sammlerlebens erworbene Gemälde von Claude Monet, Auguste Renoir, Alfred Sisley, Berthe Morisot, Gustave Caillebotte und Paul Signac sowie vielen weiteren Malern des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.
Auch sieben Bilder von Camille Pissarro (1830-1903) zählen - als Dauerleihgabe Plattners - zum Museumsbestand. Sie dienten gleichsam als "Grundstock" zu einer der derzeit bemerkenswertesten und auch umfangreichsten Ausstellungen mit Werken dieses französischen Malers und Impressionisten:
Mit offenem Blick. Der Impressionist Pissarro heißt die Schau und umfasst auf einer Ausstellungsfläche von 1.250 Quadratmetern insgesamt 108 Werke von 53 leihgebenden Institutionen sowie weiteren nicht namentlich genannten Sammlungen und Sammlern. Sie ist noch bis zum 28. September besuchbar und wandert danach zum Denver Art Museum (mit dem das MUSEUM BARBERINI seine Ausstellung kooperierte), wo die Schau dann vom 26. Oktober 2025 bis zum 8. Februar 2026 gezeigt werden soll.
Außer dem Denver Art Museum steuerten weitere renommierte US-Sammlungen aus Chicago, Los Angeles, Williamstown, Philadelphia, Washington und New York Pissarro-Werke als Leihgaben bei - ebenso das Van Gogh Museum Amsterdam, das Musée d’Orsay Paris, das Ordrupgaard Kopenhagen, das Szépművészeti Múzeum Budapest, das Courtauld und die National Gallery London sowie die Gallery of Ontario Toronto.
"Camille Pissarro gilt als Gründungsfigur der impressionistischen Bewegung in Frankreich. Dabei lagen seine künstlerischen Anfänge in der Karibik und in Südamerika. Diese Wurzeln verbanden sich mit einem malerischen Interesse an ländlichen Alltagsszenen und Sympathien für den Anarchismus. Pissarros Motive sind oft schlicht, ihr Ton leise. Erst auf den zweiten Blick offenbart sich der Reiz ihrer aufmerksam beobachteten Details und sorgsam abgestimmten Harmonien, der aus der respektvollen, von Idealismus geprägten Haltung des Künstlers, seiner Offenheit und Experimentierfreude erwächst. Die Themenvielfalt seiner Bilder umfasst Landschaften und Gärten, Familienportraits, Szenen des bäuerlichen Lebens oder urbane Motive wie die Häfen der Normandie oder die belebten Straßen von Paris." (Quelle: museum-barberini.de)
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Ich hatte das Glück, und obwohl ich es nicht angemeldet oder gebucht hatte, bei einer Gruppenführung still und leise im Hintergrund mitlaufen zu dürfen, um den Erklärungen des Pissarro-Sachverständigen neugierig zu lauschen. Vor einigen der über hundert Werke macht er dann jeweils Halt und vermittelte umfangreiches Werk- und Hintergrundwissen. So bestätigten seine Ausführungen auch dann das, was Nerina Santorius, die Kuratorin der Ausstellung, auf der Website des Museums wie folgt formulierte:
„Vor allem Pissarros Landschaftsauffassung ist ein Alleinstellungsmerkmal unter den Impressionisten. Während Kollegen wie Monet oder Renoir Stadt und Land meist als Freizeitraum des Bürgertums darstellen, richtet Pissarro den Blick darauf, wie die einfache Bevölkerung unterschiedliche Alltagslandschaften gestaltet und prägt: durch das Leben und Arbeiten des Einzelnen im Einklang mit der Natur ebenso wie durch die Bewegung der Menschenströme in den großen Städten. Er zeigt, wie seine Frau Julie den Garten kultiviert, eine erfahrene Bäuerin auch mit nassem Holz ein Feuer anzündet oder auf einem Pariser Boulevard Kutschen im Feierabendstau stecken. Den kleinen Dingen des Alltags Schönheit abzugewinnen, war für Pissarro ein zentrales Anliegen seiner künstlerischen Arbeit.“
Auf einem überdimensionalen LED-Bildschirm im Vortragsraum wird unter anderem aufs digitale Begleitprogramm zur Pissarro-Ausstellung verwiesen. Wer also Zeit und Muße hätte, sein bisher Gesehenes noch einmal unter anderen Gesichtspunkten und -winkeln Revue passieren zu lassen, wäre dort bestens aufgehoben. Es sind unter anderem Gespräche und Expertenvideos mit Clarisse Fava-Piz und Christoph Heinrich (vom Denver Art Museum), Colin Harrison Ashmolean (vom Museum of Art, Oxford) oder Joachim Pissarro, Lionel Pissarro, Ortrud Westheider (vom Museum Barberini) sowie Daniel Zamani (vom Museum Frieder Burda) zu sehen uns zu hören.
Sehr, sehr aufschlussreich das alles.
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Camille Pissarro, Boulevard Montmartre, Abenddämmerung, 1897; Öl auf Leinwand, 54 x 65 cm | Sammlung Hasso Plattner, Museum Barberini, Potsdam
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Gisela Herwig - 25. August 2025 ID 15427
Weitere Infos siehe auch: https://www.museum-barberini.de
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