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Ausstellung

Picasso der

Bildhauer. Materie

und Körper



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Pablo Picasso (1881-1973) - das ist die blaue und die rosa Periode, der Kubismus, seine klassizistische Epoche, der Surrealismus, der Realismus, der Futurismus und die übrige Stilpalette in den über 70 Jahren seiner künstlerischen Tätigkeit. Jetzt kommt ganz offiziell noch die Bildhauerei hinzu, und dafür sorgt seit dem 9. Mai das MUSEO PICASSO MÁLAGA mit einer ganz ausgezeichneten und sehr gut bestückten Ausstellung von 61 Plastiken, von denen einige noch nie in die Öffentlichkeit gelangten. Drei Räume im Museum wurden dafür leer geräumt, sodass der Besucher allein mit den Skulpturen konfrontiert wird. Picasso, der Künstler ohne Grenzen, ein Selbstdarsteller vor dem Herrn und ein Genie der Selbstvermarktung, beherrschte und mitbestimmte jahrelang die internationale Kunstszene. Da will es so gar nicht zu ihm passen, sein bildhauerisches Werk jahrzehntelang in seinen Ateliers für sich behalten zu haben. Nur wenige Freunde kannten den Bildhauer Picasso. Er war schon über 80 Jahre alt, als er schließlich seine dreidimensionalen Arbeiten im Pariser Petit Palais der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Außer einer Schau der Tate London 1967 hat bis jetzt kein Museum Picassos Skulpturen größere Aufmerksamkeit geschenkt. Das hat sich nun geändert.

Diese erste Ausstellung in Spanien, die nur den Skulpturen des Künstlers gewidmet ist, kam anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Picasso-Museums in Màlaga und Picassos 50. Todestages zustande. Die Schau Picasso Escultor. Materia y cuerpo (dt.: "Picasso der Bildhauer. Körper und Materie") präsentiert den Körper als Picassos unmissverständliches Motiv und Instrument und besticht mit dessen ausgesprochen unorthodoxer Darstellung mit Hilfe von allen möglichen Materialien wie Holz, Eisen, Gips, Zement, Metall und Bronze.



Picasso Escultor. Materia y cuerpo im Museo Picasso Málaga - Saalansicht
© Museo Picasso Málaga


Die gezeigten Exponate stammen aus den Jahren 1909 bis 1964 und umfassen somit beinahe Picassos komplette Schaffensperiode. Der Spanier war schneller als seine Zeitgenossen, kam viel herum, erkannte eine gute Idee – auch von anderen - in einem Geistesblitz, und unter seinen Künstlerfreunden waren viele Bildhauer. Da kam es ihm nur zugute die traditionelle Last - auferlegt durch Studien, Tendenzen oder Konventionen - umgehen zu können. Seine Plastiken strotzen vor Stil- und Materialvielfalt und bewegen sich zwischen Giacometti und der europäischen Skulptur Anfang/ Mitte des 20. Jahrhunderts, Hommagen an Rodins Plastiken und die Errungenschaften der Antike oder die afrikanischen Masken, die ihn in Paris so faszinierten. Picasso fusioniert das alles mit Gefundenem und Erfundenem, mit Mystik und geheimen Talismanen und unerschöpflichem Ideenreichtum.

Er war kein ausgebildeter Bildhauer, aber sein Blick war der eines dreidimensionalen Künstlers. Picasso betrachtete die Welt mit den Augen eines Skulpteurs. Diese These hatte seinerzeit schon der spanische Künstler Julio Gonzalez erstellt, mit dem Picasso Anfang der 1930er Jahre an Konstruktionen aus geschweißtem Eisen experimentierte, die heute als Vorläufer und Wegbereiter für die moderne Skulptur nicht wegzudenken sind. Picasso Skulpturen dienten ihm immer wieder als Modelle oder Vorlagen für seine Bilder, und so ist es auch verständlich, dass er seine „Werkzeuge“ nicht öffentlich ausstellen wollte, kommentiert César Borja, ein Mitarbeiter der Ausstellungskommissarin Carmen Giménez. Schon im Barock ließen sich Maler von Plastiken inspirieren; so hatte El Greco eine Anzahl von kleinen Figurinen in seinem Schrank, mit denen er zum Beispiel den Lichteinfluss messen oder festlegen konnte, erzählt Borja weiter.

Wenn man in der Ausstellung um die Exponate herumgeht, tauchen immer wieder Picassos Bilder vor unseren Augen auf und fusionieren mit den Plastiken. Das ist eine großartige Erfahrung und gibt der Installation recht. Mit der Bildhauerei konnte Picasso sich in seinen riesigen Ateliers noch mehr austoben als mit seiner sonstigen Kunst. Obwohl er sich – im Gegensatz zur Malerei, die ihn permanent beschäftigte - der plastischen Kunst nur sporadisch widmete, brachte er es immerhin auf 700 dreidimensionale Arbeiten. Jedes dieser „Werkzeuge“ diente ihm für unterschiedliche Bilder. Dabei war die Wahl des Materials eher ein Zufallstreffer. Er griff auf das zurück, was ihm eben gerade zur Verfügung stand oder leicht zu beschaffen war. Als er nach seinem Umzug in eine eher privilegierte Wohngegend in Cannes keinen Schrottplatz mehr in der Nähe hatte, benutzte er Holz, Gips oder Bronze.

1902 entsteht seine erste Tonarbeit Die sitzende Frau. Er hat sie im Atelier seines Bildhauerfreundes Emili Fontbona in Barcelona geschaffen. In seinem Schloss Boisgeloup florieren die kurvig-sinnlichen und körperlichen Gips- oder Bronzemodelle wie La Dama oferente (Frau mit Gefäß). Sie ist ein Beispiel dafür, wie sehr ihn die Entdeckung und Befassung afrikanischer und ozeanischer Masken und Kunst inspirierte. Diese emblematische und über zwei Meter große Plastik aus Bronze steht sonst im Madrider Reina Sofia Museum. Das früh-kubistische Porträt Kopf einer Frau ist aus dem Jahre 1909. Es handelt sich bei ihr um das Modell Fernande Olivier, Picassos erster Lebensgefährtin, die er 1905 im Atelierhaus Bateau Lavoir zusammen mit Guillaume Apollinaire und Kees van Dongen kennengelernt hatte.

Aus einer Ecke starren uns drei einfache, linienförmige Holzskulpturen an, und so wie Picasso mit drei Strichen ein Gesicht zaubert konnte, sind es hier drei schlanke Latten, die einen Körper zustande bringen. Die Stehende Frau (1953) ist leicht bemalt und aus der Zeit in Vallauris, so auch das originelle Portrait Sylvette aus geschnittenem und auf beiden Seiten bemaltem Blech. Das Modell dazu war die junge Keramikerin Sylvette, die in der Nähe seines Ateliers in Vallauris lebte und arbeitete. Mit ihrem Pferdeschanz hinter dem Fransenpony mit einem gestreiften Tuch soll sie angeblich Brigitte Bardot für ihre Rolle in Und immer lockt das Weib inspiriert haben.



Pablo Picasso (1881-1973): Sylvette - Vallauris, 1954; geschnittenes und gefaltetes Blech, beidseitig bemalt, 69.9 × 47 × 7.6 cm | Fondation Hubert Looser, Zurich © Fondation Hubert Looser, Zürich © Nachfolge Pablo Picasso, VEGAP, Madrid, 2023


Das Pariser Picasso-Museum stellte einen Teil der Exponate zur Verfügung, darunter das filigrane und transparente Drahtgestell Figur: Projekt für ein Monument für Guillaume Apollinaire. Diese Plastik entwarf Picasso im Herbst 1928 in Paris. Sie stieß aber zum großen Bedauern des Künstlers auf enorme Ablehnung. Eine Installation von sechs Badenden aus Bronze nimmt einen Logenplatz in der Ausstellung ein. Diese Skulpturen sind allesamt 1956 in Cannes entstanden. Auch seine letzte Frau Jacqueline ist dreidimensional präsent. Ihren Kopf hat Picasso 1962 geformt.

Ansonsten kommt ein Großteil der Exponate aus privaten Sammlungen.

1967 wurde auf der Daley Plaza in Chicago die Monumentalskulptur aus COR-TEN Stahl Chicago Picasso aufgestellt. Die Konstruktion ist 15,2 Meter hoch und wiegt 162 Tonnen und soll den Kopf seines Hundes darstellen. Das Modell dazu ist ebenfalls in der Málaga-Ausstellung zu sehen. Picasso selber reiste nie in die USA.

Die Kommissarin der Ausstellung Carmen Giménez ist keine Unbekannte im spanischen und internationalen Ausstellungsgeschäft. Sie hat vor 20 Jahren maßgeblich an der Entstehung des Picasso Museo Málaga mitgewirkt und war auch dessen erste Direktorin. Vorher hat sie als Beraterin des Kulturministeriums und des Guggenheim-Museums in New York gearbeitet. Carmen Giménez hat mit ihrem Team diese wunderbare Ausstellung auf die Beine gestellt und damit das Picasso Museum in Málaga noch mehr zu einem bedeutenden Picasso-Anlaufpunkt gemacht.

*

Der aus Málaga stammende Picasso soll nach der Geburt ziemlich schwach gewesen und erst durch den Rauch der Zigarette seines Onkels hustend in diese Welt getreten sein. Diese Geschichte ist aber vielleicht nur eine Legende. Picasso war jedenfalls sein Leben lang ein Kettenraucher, der 1973 mit einem Pinsel in der Hand mit 91 Jahren die Welt wieder verlassen hat.

Der revolutionäre Traditionalist Pablo Picasso studierte in Barcelona und Madrid und kam 1904 in Paris an, wo er mit Braque zum Begründer des Kubismus wurde. Seit dem Gemälde Les Demoiselles d’Avignon (1907) gehört Picasso zu den maßgeblichen Schlüsselgestalten der Moderne. Die frenetischen, passionierten und problematischen, nicht immer friedlichen Beziehungen zu seinen Modellen, Geliebten, Lebensgefährtinnen und Ehefrauen sind Teil seines Künstlerdaseins geworden. Picassos Gesamtwerk ist irgendwo im mittleren fünfstelligen Bereich angesiedelt, dazu gehören Gemälde, Grafiken, Zeichnungen, Plastiken und Keramiken und auch seine Partizipation im Theater.

1997 erwarb die Regierung von Andalusien den Palacio de los Condes de Buenavista, um darin den prominenten Sohn der Stadt, Pablo Picasso, zu präsentieren. Der Palast liegt nicht weit entfernt von Picassos Geburtshaus an der Plaza de la Merced. Über 200 Werke von Picasso aus allen Schaffensperioden sind normalerweise im Picasso-Museum in Málaga zu sehen. Die Arbeiten sind Leihgaben aus der Erbengemeinschaft. Im Jahre 2006 bekam das Museum vom American Institute of Architects einen Ehrenpreis für die gelungene Adaption des Gebäudes aus dem 16. Jahrhunderts – einer Fusion italienischer Renaissance mit Mudéjar-Elementen. Andalusien und natürlich auch Málaga befand sich jahrhundertelang im muslimisch beherrschten Teil der Iberischen Halbinsel.


Christa Blenk - 14. Mai 2023
ID 14197
Die Ausstellung Picasso escultor. Materia y cuerpo ist noch bis zum 10. September im MUSEO PICASSO MÁLAGA zu sehen und wird anschließend im Guggenheim Museum Bilbao bis Mitte Januar 2024 gezeigt. Die Schau ist Teil des offiziellen Programms der Picasso-Feierlichkeiten 1973-2023 und geht auf eine Initiative der spanischen und der französischen Regierung zu Ehren des in Málaga geborenen Künstlers anlässlich seines 50. Todestages zurück.

Das Museum ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Eine Reservierung vorab empfiehlt sich sehr. Zur Ausstellung ist auch ein umfangreicher Katalog mit sehr guten Texten erschienen.


Weitere Infos siehe auch: https://www.museopicassomalaga.org


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