Nacho Criado,
Blanco
auf der PHotoESPAÑA in Madrid
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Foto: Jean-Noel Pettit
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Bewertung:
Im Rahmen von PHotoESPAÑA 2025 präsentiert der Círculo de Bellas Artes de Madrid Blanco, eine Ausstellung, die dem hauptsächlich fotografischen Werk von Nacho Criado (1943-2010) gewidmet ist. Der Künstler ist eine wesentliche Figur der zeitgenössischen spanischen Kunst. Für seine Arbeit wurde Criado 2009 mit dem Nationalen Preis für bildende Kunst ausgezeichnet. Er konzipiert und entwickelt sein Werk in dem schwierigen Kontext der letzten Jahre der Franco-Diktatur. Hiermit war er maßgeblich am Erwachen neuer experimenteller Praktiken in Spanien beteiligt. Criado lässt sich in keine Stil-Schublade stecken.
Die Ausstellung Blanco ist eine großartige Zusammenstellung von fundamentalen Arbeiten. Der Kurator César Borja hat zusammen mit dem Sohn des Künstlers, Gonzalo Criado, in aufwendiger und mühsamer Recherchearbeit genau diese Exponate aus dem Archiv ausgegraben, die uns jetzt so perfekt diesen Ausnahmekünstler präsentieren und somit diese brillante und poetische Schau zusammengestellt, die mit wenig sehr viel preisgibt. Es sind Installationen und fotografische Arbeiten aus der ersten Hälfte der 1970er Jahre, einer Schlüsselzeit für Criados Werk: Die Fotografie als Experimentierfeld des Denkens und des poetischen Handelns. Eine Reise zwischen Vision, Fiktion, konzeptueller Intervention, die das Ephemere, das Stille, das Ungesagte sichtbar macht.
Das Hauptwerk der Ausstellung mit dem gleichnamigen Titel „Blanco“ ist eine Installation in der Dunkelheit. Eine Doppelprojektion. Ein Diapositiv-Karussell in der Mitte des Raumes wirft zeitgleich auf der einen Seite Bilder im Positiv und auf der anderen im Negativ an die Wand. Diese Installation wurde 1974 von Criado im Rahmen des Zyklus Die neuen künstlerischen Verhaltensweisen in Zusammenarbeit mit den deutschen Kulturinstituten in Madrid und Barcelona konzipiert mit dem Ziel, dem spanischen Publikum der Franco-Ära die Augen für eine unterschiedliche, praktisch unbekannte Annäherung an Kunst zu öffnen.
"Just as a camera is a sublimation of the gun, to photograph someone is a subliminal murder - a soft murder, appropriate to a sad, frightened time." (Susan Sontag)
Das [s.o.] ist der erste Satz im Ausstellungtext des Kurators.
"Blanco" ist ein visuelles Experiment, eine Archäologie der Geste, in der die Fotografie aufhört nur ein Dokument zu sein, sondern einen Prozess in Gang setzt. Es geht nicht mehr nur um das Ergebnis, sondern vor allem um das Dazwischen, es geht um den Weg zum Ziel. Nacho Criados Fotografie stellt sich über die Endlichkeit des Ereignisses, springt voraus und fängt somit das Phänomen ein. Er kokettiert mit den Gegensätzen.
„Die Fotografie schafft nicht - wie die Kunst - die Ewigkeit, sondern sie balsamiert die Zeit ein; sie subtrahiert sie lediglich von ihrer eigenen Vergänglichkeit.“ (André Bazin, Filmkritiker)
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Man muss sich auf die Schau einlassen, sie nicht als Ausstellung von Fotos betrachten, sondern das, was dahintersteckt, finden. Jedes Exponat verrät eine Geschichte, ist eine Reise von gestern auf dem Weg nach morgen, und je nachdem wo man anhält, präsentiert sie sich unterschiedlich, wie der Inhalt von „Trasvase“. Ein durchnummeriertes Multiple (dreidimensionales Kunstwerk) bestehend aus zwei Flaschen und fünf Fotografien in einem schlichten, gerillten Pappkarton ein wenig größer als DIN A 4 (1977- herausgegeben seinerzeit von der Madrider Galerie Buades. Licht und Zeit kämpfen miteinander, werfen sich den Ball zu, werden von negativ zu positiv. Cesar Borja hat zu dieser Plastik ein besonderes Verhältnis. Er hat sie schon als Kind immer vor seinen Augen gehabt, da sein Vater ein Exemplar davon besaß. Dieser einfache, geheimnisvolle Pappkarton stand weit oben in einem Regal im Wohnzimmer, nicht erreichbar für ein Kind, aber Borja wusste, dass Flaschen, eine helle und eine dunkle, darin waren. Der Vater hat die Box einmal geöffnet. Heute, nach fast 50 Jahren ist die Flüssigkeit weniger geworden. Hier hat die Zeit ihre Arbeit getan. Das Werk ist noch nicht beendet, die Zeit arbeitet weiter. In 100 Jahren ist eine Flasche vielleicht leer.
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Trasvase von Nacho Criado - in der Ausstellung BLANCO auf der PHotoESPAÑA in Madrid | Foto: Jean-Noel Pettit
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Für Criado war die Fotografie Anfang der 1970er Jahre ein unerschöpfliches Experimentierfeld, da mit wenig Mitteln viel kommuniziert werden konnte.
"Nacho Criado nutzt die Fotografie für eine fortschreitende Entmaterialisierung des künstlerischen Objekts. Die Installation ‚Blanco‘, die der Ausstellung ihren Titel gibt, ist vielleicht das Werk, das dieses permanente Suchen von Nacho am besten zusammenfasst. Es umfasst den Minimalismus über Arte Povera, Land Art oder Body Art, um seine eigene Sprache zu entwickeln, in der der Prozess zum Mittel und zum Ziel wird. " (Cesar Borja)
Die Ausstellung Blanco ist ein facettenreiches Juwel, eine wunderbare Hommage an den 2010 verstorbenen, bedeutenden spanischen Konzeptkünstler Nacho Criado.
Die Schau ist noch bis zum 27. September 2025 zu sehen. Der Eintritt kostet 5,50 Euro.
Abgesehen davon ist der im Zentrum von Madrid gelegene Circulo de Bellas Artes ein wunderbarer Ort, um einen Kaffee oder ein Glas Wein zu trinken und das Flanieren auf der Calle de Alcalá zu beobachten.
Beeindruckendes Kunsterlebnis!
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Christa Blenk - 9. Juni 2025 ID 15297
https://www.circulobellasartes.com/exposiciones/blanco-nacho-criado/
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