Meisterwerke
von Hokusai
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Bewertung:
Wer kennt sie nicht, die große Welle von Kanagawa. Ein Farbholzschnitt des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai (1760-1849). Es handelt sich bei dieser Welle um das 16. Blatt einer Serie von insgesamt 36 Holzschnitten. Heute zählt dieses Kunstwerk zu den berühmtesten grafischen Arbeiten weltweit.
Seit Ende Juni 2025 ist im Schloss der Herzöge der Bretagne in Nantes eine umfangreiche Ausstellung mit Werken von Hokusai zu sehen. 160 Exponate, darunter vierzig Gemälde, von denen die Mehrzahl Japan bisher noch nie verlassen hat, sind dort ausgestellt, und dementsprechend lange ist die Schlange am Einlass.
Die Schau ist in Kapitel eingeteilt und erklärt den Künstler und seine Arbeiten anhand unterschiedlicher Themenbereiche: Natur und Landschaft, Wasser, der heilige und über 3.000 Meter hohe Vulkan Fuji, Schönheit, Hexenbeschwörung in der Edo-Zeit. All das, was Hokusai Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhundert am Herzen lag.
Das Blatt, auf dem die bekannteste Welle der Welt in Blautönen von links nach rechts wogt, ist nur 25 x 37 cm groß. Man kann nicht sagen, wie oft es reproduziert wurde. Die Große Welle ist ein Mischwerk, eine hybride Arbeit, bei der japanische Ästhetik auf die lineare Perspektive und auf Preußisch-Blau, ein synthetischer Farbstoff, der seit den 1820er Jahren massiv importiert wurde, trifft. Sie steht für eine Zeit, in der nichts ohne das andere denkbar war. Die Große Welle wurde zu einer globalen Ikone, ähnlich Munchs Schrei, Van Goghs Sonnenblume oder dem Lächeln der Mona Lisa.
Hokusai ist bereits 70 Jahre alt, als er diese Serie in Gedanken an 36 unsterbliche Poeten aus dem 11. Jahrhundert erschafft. Die Große Welle ist heute auf jedem japanischen Pass aufgedruckt und findet sich auf Banknoten wieder.
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Wasser spielt auch im zweiten Teil der Schau eine Rolle. Hier geht es um Hokusais Kaskadenreihe, die er in unterschiedlichen Provinzen entdeckt und auf dem Papier festgehalten hat. Unglaublich vielfältig zeigen die Blätter wütendes Wasser, friedliches Wasser, spielerische Szenen und beeindruckende Blickpunkte über bekannte Brücken. Diese Bilder dürften hauptsächlich den Jugendstil beeinflusst haben.
Zwischen den dunklen Gängen entdeckt man immer wieder eines der delikaten Skizzenbücher des Künstlers, gut aufbewahrt in Vitrinen.
Die Darstellung weiblicher Schönheit oder Ästhetik überhaupt ist das Thema im Obergeschoss. Hier verlässt Hokusai die Natur und begibt sich in die Stadt, dort wo sich das wohlhabende, elegante und manieristische Bürgertum aufhält. Er befasst sich mit Mode, Stoffen, Frisur, Positionen in der für die Edo-Zeit spezifischen Ästhetik, mit dem Kult des Vergänglichen, der Gegenwart, dem Augenblick, die Loslösung von der Welt (iki). Porträts von Ehefrauen hochrangiger Krieger, Aristokraten, Kaufmannsfrauen, Kurtisanen und Prostituierten, Kellnerinnen in Teehäusern und Frauen aus dem Volke. Wie sein erster Meister Shunsh, fertigte auch Hokusai Porträts von Schauspielern an und reagierte damit auf die starke Nachfrage in seiner Zeit. Das Kabuki-Theater war der privilegierte kulturelle Ort der Stadtbewohner und die Schauspieler Idole einer Sekunde.
Die Schau endet mit einer Serie von Radierungen, die sich mit der Hexenbeschwörung befassen. Eine Hexe für jeden Tag - in Schwarz-Weiß. Der Film am Ende der Ausstellung widmet sich Hokusais letzten Jahre in Obuse. Die Decke im Vorführraum ist die Nachbildung einer bekannten Tempelfreske.
Unerschöpflich und genial Hokusais Erfindungsreichtum auf der Suche nach Erweiterung seiner eigenen Welt und der Symbiose zwischen fernöstlichen und westlichen Tendenzen.
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Paravan von den sieben Schönheiten - in der Ausstellung Hokusai | Château des ducs de Bretagne-musée d’histoire de Nantes © David Gallard
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Die Ausstellung ist keine Retrospektive und doch nimmt sie all seine vorrangigen Themen auf. Wasser, Natur, Schönheit und natürlich immer wieder den Fuji-Berg, ein japanisches Heiligtum.
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1868, mit der Meiji-Restauration, endete die lange Periode der japanischen Isolierung der Welt. Außer zu China und den Niederlanden wurden bis dahin keine internationalen Beziehungen gepflegt. Die Moderne konnte kommen und ermöglichte Importe aus dem Westen. Umgekehrt kamen japanische Kunstwerke nach Europa, vor allem nach Frankreich. Der Japonismus wurde geboren, eine regelrechte Japan-Mode überschüttete die westliche Kunstwelt und beeinflusste viele Künstler im Jugendstil, Impressionismus und Van Gogh. Selbst Claude Debussy inspirierte sich bei seiner Komposition La Mer an Hokusais Großer Welle. Jedenfalls hatte er einen Abzug in seinem Komponierzimmer hängen. Auch die Bildhauerin Camille Claudel bezog sich in ihrer Skulptur La Vague (1897) auf Hokusai.
Hokusai mit seinen „schwebenden“ Bildern war einer der bedeutendsten Künstler in der Edo-Ära (1603-1868). Seine Bilder sind exzentrisch wie der Künstler selbst. 93 mal soll er umgezogen sein. 3.000 Radierungen/ Holzschnitte hat Hokusai in über 70 Jahren gefertigt, 2.000 Bücher und bekannte Romane bedruckt und illustriert und über 4.000 Mangas (ungezügelte Bilder) entworfen. Der Sohn unbekannter Eltern wurde mit drei Jahren adoptiert, bildete selbst viele Lehrlinge in seiner Werkstatt aus und wechselte 30 mal seinen Namen. Katsushika Hokusai starb 89jährig in Asakusa, einem Stadtteil von Tokio. Mit seinen Werken hat Hokusai einen Katalog der Schönheit Japans erstellt.
Am Ende seines Lebens beschrieb er sich stolz als „Landarbeiter“. Auf seinem Totenbett soll er gesagt haben: „Hätte der Himmel mir weitere fünf Jahre geschenkt, wäre ich ein großer Maler geworden.“
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Christa Blenk - 27. Juli 2025 ID 15379
Abgesehen von der Ausstellung ist das Schloss oder die Schloss-Burg der Herzöge der Bretagne einen Besuch wert. Bereits in der Vergangenheit fanden dort Ausstellungen mit Japan-Bezug statt. Das hat mit der freundschaftlichen Verbindung zwischen Osaka und Nantes zu tun.
Die sehr gut gestaltete Ausstellung Hokusai endet am 7. September 2025. Nach dem Besuch kennt man den Künstler. Der Eintritt ist 9 Euro. Der Museums-Pass kostet 15 Euro und ermächtigt ein Jahr lang gratis den Besuch von fünf Nanter Museen. Eine Reservierung für die Hokusai-Ausstellung wird unbedingt empfohlen.
https://www.chateaunantes.fr/expositions/exposition-hokusai
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