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UNSERE NEUE GESCHICHTE (Teil 59)

Die Magie und

Macht der

Fotografie



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Wegen des Weltklimas ist Amazônia die bedeutendste Ausstellung dieser Zeit, meinte Nanette Snoep, die künstlerische Direktorin des Kölner RAUTENSTRAUCH-JOEST-MUSEUMs. Es ist die 17. Station der internationalen Fotografie-Schau des in diesem Jahr mit 81 Jahren verstorbenen Brasilianers Sebastião Salgado. Dessen langjährige Ehefrau und Mitstreiterin Lélia Wanick-Salgado hat die Ausstellung selbst kuratiert. Vom 29. Oktober 2025 bis zum 15. März 2026 wird sie nun erstmals in Deutschland zu sehen sein, und die Vorzeichen stehen gut, dass das innovative ethnologische Museum RJM zum „Pilgerort“ wird. Die Rheinmetropole Köln verfügt da über entsprechende Erfahrungen.

Zur Pressekonferenz waren auch die indigenen Aktivisten Francisco Piyãko und Beto Marubo eingeladen, was noch auf einen Wunsch von Sebastião Salgado zurückgeht als Beweis dafür, dass sie wirklich existieren. Denn der normale Mensch bekommt die freiwillig in Isolation lebenden Regenwaldbewohner im Regelfall nicht zu sehen, doch diese beiden haben sich durch den Kontakt zu Salgado ebenfalls dem Erhalt des Regenwalds verschrieben. Es ist beeindruckend die damaligen Fotos von ihnen inmitten ihrer Familien und ihres Stammes zu sehen und sie nun im RJM zu erleben. Salgado hatte während seiner mehrjährigen Arbeit an dem Projekt das Vertrauen mehrerer Stämme gewonnen, weil er seine Bewunderung für den Regenwald und die Würdigung ihrer Lebensweise vermitteln konnte. Ein paar von ihnen tragen nun als Aktivisten Mitverantwortung für die Rettung ihrer Umwelt und setzen damit gleichzeitig die Arbeit des legendären Fotografen fort. (Inwieweit die 188 noch isolierten Stämme im Amazonas-Gebiet durch ihre Verbundenheit mit der Erde zu deren Stabilität und Selbstheilungskraft beitragen, lässt sich nicht beziffern, könnte aber erheblich sein).

Die Salgados zeigen die überwältigende Schönheit des Regenwalds und die Lebensweise einiger Stämme, die bis dahin keinen Kontakt zur Außenwelt hatten. In der mehr oder weniger abgedunkelten großen Halle leuchten einige der riesigen Schwarz-Weiß-Bilder, und Wolken, Baumwipfel und Flusslandschaften scheinen im Raum zu schweben [s. Foto unten]. Es gibt kleinere Nischen, in denen die Porträtaufnahmen der Indigen zum Betrachten einladen mit Videoaufnahmen von Ältesten, die über das Leben der Bewohner und z.B. über die Auswirkungen der Brandrodungen und Abholzungen sprechen. Auf den Bildern sind auch Francisco Piyãko, Beto Marubo und ihre Familienmitglieder abgelichtet. Die Frau auf einem der Plakatmotive ist Piyãkos Tante Julieta. Er selbst ließ sich für die Pressefotografen auch vor diesen Fotos aufnehmen und hatte sich zu dem Anlass in ein traditionelles Gewand gehüllt.



Francisco Piyãko (li.) Lélia Wanick-Salgado und Beto Marubo posieren im RJM vor den Porträtaufnahmen der Indigenen | © Helga Fitzner


Francisco Piyãko, Lélia Wanick-Salgado und Beto Marubo (v.l.n.r.)
vor einem der RJM-Plakate, das Piyãkos Tante Julieta zeigt
(C) Helga Fitzner


Francisco Piyãko setzt sich als Vertreter seines Stammes der Asháninka international für den Erhalt und die Verbesserung des Asháninka Territoriums vom Fluss Amonia ein. Beto Marubo ist Repräsentant der Union of Indigenous Peoples of the Javari Valley (UNIVAJA) und sensibilisiert die Öffentlichkeit und die Behörden national und international für den Schutz der in freiwilliger Isoliertheit lebenden indigenen Gruppen. Beide erzählten, dass die derzeitige brasilianische Regierung unter Präsident Lula da Silva zwar willens sei, sich für den Erhalt des Regenwaldes einzusetzen, dass diese Bemühungen seitens der Legislative aber verhindert würden. Sie berichteten, dass Aktivisten verschiedenen Bedrohungen ausgesetzt sind und dass es im Jahr 2022 zur Ermordung des britischen Journalisten Dom Phillips und des indigenen Experten Bruno Pereira gekommen sei, obwohl die Regierung wirklich versucht habe, die Gewalt in der Region einzudämmen. Nach heutigem Ermittlungsstand waren sie als Zeugen geladen, und die Morde an ihnen wurden aufgeklärt. Sie hingen mit ihrem Wissen über illegale Fischerei und andere rechtswidrige Aktivitäten zusammen.

Nun gibt es Kritiker, die Salgado vorwerfen, ein „Romantiker“ zu sein, weil er die atemberaubende Schönheit der Natur und die innere Schönheit der Indigenen zeigt. Sie vermissen die kritischen Untertöne, obwohl diese in den Videoaufnahmen durchaus vorhanden sind. Das hängt aber mit der Lebensgeschichte des Brasilianers zusammen, der in den 1970er Jahren als professioneller Fotograf für etliche Hilfsorganisationen arbeitete und an mehreren Schauplätzen auf dem Globus die Auswirkungen von Armut, Hunger, Ausbeutung, Flucht, Heimatlosigkeit und Krieg im Bild festgehalten hat. Da er diese Bilder in Schwarz-weiß fotografierte, fiel er auf und aus dem Rahmen. Dieses Elend hat er eindrücklich illustriert, doch als er 1994 in Ruanda das Massaker an den Tutsi mitbekam, fotografierte er zwar, aber er nahm Schaden und wurde krank. In Wim Wenders Dokumentation Das Salz der Erde erzählte er davon. Als er 2019 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, würdigte er seine Frau: „Lélia hat mir durch ihre Liebe das Leben gerettet, als ich aus Ruanda kam, ein gebrochener Mann, heimgesucht vom Blut und vom Tod, dem ich begegnet war.“

Die Familie kehrte daraufhin nach Brasilien zurück, das sie verlassen hatte, um der Verfolgung durch die Militärdiktatur (1964--1985) zu entgehen. Das Landgut der Familie fanden sie in einem desaströsen Zustand vor. Auch hier hatte der frühere Regenwald u.a. der Rinderzucht und dem Anbau von Soja weichen müssen. Die Wiederaufforstung war ein Abenteuer für sich, und Lélia Wanick-Salgado sprach mit großem Engagement darüber. Die Salgados gründeten das Instituto Terra, das sich für den Schutz bedrohter Ökosysteme einsetzt und zu einem Modellprojekt entwickelt hat, was auf dessen Webseite hervorragend dokumentiert ist.

Die 78-jährige hat erst vor wenigen Monaten ihren Ehemann und Gefährten verloren. Sie war von Anbeginn die starke Frau hinter diesem großen Mann und es war ihre Leica-Kamera, mit der er seine Karriere als einer der bedeutendsten Fotografen seiner Zeit begonnen hat. Im Jahr 2021 brachte sie den Bildband Amazônia heraus, wie auch schon zuvor Genesis, Africa, Children, Kuwait, Workers u.a. Die zierliche Person ging sehr freundlich und geduldig mit der Fotografenschar um, kennt sie doch den Platz hinter der Kamera allzu gut, sodass sie den Kollegen bereitwillig den Freiraum gewährte, den sie für ihre Arbeit brauchen.

Während die Wanderausstellung sich von Station zu Station bewegt und Menschenmassen anzieht, gibt es auch Kritiker, die die Nacktheit der Regenwaldbewohner als westlichen Blick monieren. Das setzt aber voraus, dass sich Menschen deswegen schämen. Unberührt vom Christentum kennen sie diese Art von Scham offensichtlich nicht. Vermutlich würden sie es für absurd halten, dass ein Neugeborenes schon als sündig gilt, noch bevor es das erste Mal ein Bäuerchen gemacht hat. Der Fortpflanzungstrieb und die Notwendigkeit der Nahrungsaufnahme sind natürlich angelegt, und genau da setzten die Religionen an. Im Mittelalter hat es noch bis zu 130 vorgeschriebene Fastentage im Jahr gegeben. Und das ist eine westliche Sichtweise. Wer das nicht kennt, ist davon unberührt. Sicher ist, dass die Fotos ohne die Einwilligung der Fotografierten nicht gezeigt würden.

Die Ausstellung ist nicht über alles erhaben und stellt auch diesen Anspruch nicht, aber sie ist in jeglicher Hinsicht ein bedeutsames Glanzstück. Direktorin Snoep nannte sie einen Meilenstein. „Aufgrund der Kulturpolitik fanden die Vorbereitungen unter extrem schwierigen Bedingungen statt und es gleicht einem Wunder, dass sie zustande kam“, berichtete sie. Das RJM ist nur Gastgeber, aber das Begleitprogramm unter dem Titel Die Zukunft ist indigen kann sich sehen lassen. Da konnte sich das RJM mit seiner Expertise einbringen.

* *

Ohne die Förderer wäre das alles nicht möglich gewesen. Einer von ihnen Carsten Schildknecht, Vorstandsvorsitzender der Zurich Gruppe Deutschland, war als globaler Hauptpartner zugegen:


„Für die Versicherer gehören die Schäden durch Klima und Umwelt zu den größten Risiken. Das ist ein klarer Bezug zur unverzichtbaren Nachhaltigkeit. Es betrifft uns alle und stellt auch eine Verbindung zwischen uns, Privatkunden und Unternehmen her. Es muss versicherbar bleiben.“


Die Besucher erwartet ein atemberaubendes Erlebnis, für das man sich Zeit nehmen sollte. Die Ausstellung zeigt eine Welt, die unbedingt erhaltenswert ist, schon im Interesse unseres eigenen Fortbestands. Was die Salgados auf die Beine gestellt haben, ist getragen von Schönheit, Wertschätzung, Wahrhaftigkeit und Menschenliebe.

Wenn vom 10. bis 21. November 2025 in Belém, direkt am brasilianischen Regenwald gelegen, die nächste Weltklimakonferenz stattfindet, sollen dort erstmals Vertreter der indigenen Völker teilnehmen. Zumindest werden ihre bislang marginalen Stimmen gehört und dem Selbstbestimmungsrecht der Indigenen möglicherweise Rechnung getragen. Die Hoffnung ist groß und vielleicht sollte man sich von unzureichenden Ergebnissen in der Vergangenheit nicht entmutigen lassen.



Die „schwebenden“ Bilder vom Regenwald | © Helga Fitzner

Helga Fitzner - 30. Oktober 2025
ID 15538
Weitere Infos siehe auch: https://rjm-amazonia.de/


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