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Ausstellung

Auf dem

Silbertablett

serviert



Bildquelle: museum-fuer-ostasiatische-kunst.de

Bewertung:    



Chinesische Silberschmiedearbeiten aus der ausgehenden Phase der Qing-Dynastie (1855 –1925) sind derzeit im Museum für Ostasiatische Kunst in Köln (MOK) zu bewundern. Anlass für Silber für Tsingtau – Chinesisches Exportsilber der Sammlung Hildebrand ist eine überraschende Erbschaft aus dem Jahr 2021 von der Bonnerin Phoebe Roesberg, die die Sammlung ihres Großvaters dem Museum vermachte. Der Bitburger Eisenbahningenieur Heinrich Hildebrand (1855 - 1925) war 1891 als kaiserlicher Baurat nach China entsandt worden, leistete dort Beachtliches und hat sich nebenbei als Kunstsammler betätigt. Das Silber ist herrlich anzuschauen, denn die chinesischen Künstler konnten auf eine über dreitausendjährige Tradition und Erfahrung in der Metallverarbeitung zurückgreifen. Die Arbeiten zeugen von einer meisterhaften Beherrschung des Handwerks, denn die Chinesen fertigten auch ihnen bis dahin unbekannte Gefäßformen an, wie Zuckerzangen, Besteck und anderes nach europäischem Vorbild. Zu Anfang wurden noch chinesische Motive verwendet, später kamen vermehrt westliche Einflüsse dazu wie Jugendstil und Art déco, was die Vielfalt der Sammlung ausmacht. Der Sahnelöffel mit chinesischen Glückszeichen auf dem Plakat stammt aus dem Nachlass.



Fußschale mit chinesischen Motiven aus der Sammlung Hildebrand, China, Jiaozhou, Provinz Shandong, Werkstatt Cheng De, Qing-Dynastie, Guangxu-Periode, 1875 – 1908 | Foto: Helga Fitzner


Petra Resch, die stellvertretende Direktorin des MOK, und der Kunsthistoriker Daniel Suebsmann beleuchten in der Ausstellung auch den kolonialen Hintergrund. Nach der Reichsgründung 1871 wollte auch Deutschland seinen Platz an der Sonne, denn andere europäische Länder, wie England, waren ihnen in der kolonialen Besetzung fremder Regionen weit voraus. Die chinesische Kolonie Kiautschou mit ihrer Hauptstadt Tsingtau war eines der Stücke vom imperialistischen Kuchen, das Deutschland als „Schutzgebiet“ ergattern konnte. Es war die Zeit der Industrialisierung Chinas, an der die Japaner, Amerikaner und europäische Länder großes Interesse zeigten und in Konkurrenz zueinander standen. Es gab in Kiautschou Kohlevorkommen und Erze, die für den Bau der Eisenbahnstrecken benötigt wurden, und unter der preußischen Leitung wurde der Ausbau des Hafens, der Stadt und die Gestaltung der Landschaft sehr effektiv und schnell vorgenommen. Im Jahr 1911 betrug die Umschlagmenge des Hafens von Tsingtau schon zwei Millionen Tonnen. Rund 1.000 Zivilisten bzw. Marinesoldaten bevölkerten die Stadt, und die Produktion von Artefakten aus Silber blühte, die die Deutschen als Erinnerung gerne mit nach Hause nahmen.



Einige der Ausstellungsvitrinen mit ihren unterschiedlichen Exponaten, im Vordergrund eine Kanne mit Jugendstilmotiven | Foto: Helga Fitzner


Der Eisenbahnbau stieß auf Widerstand bei der einheimischen Bevölkerung, die keinen angemessenen Ausgleich für den Verlust ihres Landes erhielt. Der Verlauf der Strecke erfolgte z.B. über Wasserwege, Friedhöfe und andere sensible Orte. Auch hielt man Feng Shui für Wahrsagerei, dessen Berechnungen die Chinesen bei Eingriffen in die Umwelt verwenden, worauf keine Rücksicht genommen wurde. Heute weiß man, dass es sich bei Feng Shui um eine ernst zu nehmenden Erfahrungswissenschaft handelt, damals gingen die deutschen Besatzer darüber hinweg. Auf Sabotage wurde mit Militäreinsätzen reagiert, die den Tod von knapp 500 Chinesen zur Folge hatten und Mitauslöser des Boxeraufstands waren, mit dem die Chinesen sich zur Wehr setzten.

Silber war die globale Hauptwährung in dieser Zeit, sodass der Kauf von Silberschmiedearbeiten allein vom Material her eine Anlage war. Heinrich Hildebrand wirkte insgesamt 17 Jahre in Tsingtao (heute Qingdao). Der koloniale Traum der Deutschen in der Kolonie Kiautschou endete 1914, als das „Schutzgebiet“ an die siegreichen Japaner übergeben werden musste.



Oben drei Schalenfassungen aus der Sammlung Hildebrand, Provinz Shandong, Qing-Dynastie, Guangxu-Periode, 1875 – 1908, unten ein moderneres, schlichteres Silbertablett | Foto: Helga Fitzner


Noch immer ist in der ostchinesischen Hafenstadt Qingdao Hildebrands Stadtplanung erkennbar, in ganzen Straßenzügen ist z.B. die damalige Architektur noch erhalten. Es ging damals der Spruch um: „Der liebe Gott weiß alles, Hildebrand weiß es besser“, denn er war schon recht durchsetzungsfähig. Trotzdem wird heute seine Leistung von den Chinesen respektiert. Seine (legal erworbene) Kunstsammlung zeugt von einer gewissen Weitsicht. Abgerundet wird sie durch Objekte aus den Beständen des MOK, darunter auf Seide gemalte Pläne mit geografischen Stadt- und Landansichten aus der Vogelperspektive, private Fotoalben von Deutschen aus Tsingtau, Bilder von Silberwerkstätten und natürlich Fotos von Hermann Hildebrand an seiner Wirkungsstätte. So würdigt das MOK die Erbschaft und lässt die Öffentlichkeit daran teilhaben.


Helga Fitzner - 8. Mai 2023
ID 14186
Weitere Infos siehe auch: https://museum-fuer-ostasiatische-kunst.de


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