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Kunst Feuilleton

Dieter Göltenboth: 70 Jahre und noch kein bisschen leise...

1949-2003 | Arbeiten aus fünf Jahrzehnten
Bislang konnte Stuttgart-Vaihingen nicht gerade durch ein üppiges Kulturangebot glänzen. Allenfalls auf ökonomischem Gebiet ragt dieser wirtschaftlich stark expandierende Stadtteil aus dem Mittelmaß heraus. Diesen Mangel an kultureller Vielfalt in dem fast 30000 Einwohner zählenden Teilort zu beseitigen – und nicht weniger – hat sich der Verein „Kultur am Kelterberg“ seit nunmehr vier Jahren zum Ziel erklärt.
Mit viel Eigeninitiative und bescheidenen, finanziellen Mitteln renovierten die Initiatoren des Vereins ein verwinkeltes, älteres Gebäude, indem sich zuvor das lokale Polizeirevier befand. So entstanden mehrere Ateliers, in denen Künstler mietfrei – man höre und staune! – arbeiten können. Darüber hinaus bietet eine Kunstschule Kurse zu verschiedenen künstlerischen Techniken an. Das umfangreiche Angebot wird durch eine Galerie abgerundet, wo sowohl ortsansässige als auch externe Künstler ausstellen. Zahlreiche interessante Ausstellungen und Aktionen hat es hier seit der Eröffnung 2000 gegeben, u.a. über zeitgenössische Kunst aus Ost-Afrika. Eine Graffiti-Kunstaktion im Mai 2002, stieß trotz der widrigen Wetterumstände auf reges Interesse.


Bild 1: Dieter Göltenboth bei seiner Eröffnungsrede. Rechts von ihm: „Monstranz“, Mitte der 1980er, Holzfundstücke, Farbe.


Am Samstag, den 13. Dezember 2003, hatte nun der Verein zu einer Vernissage ihres 1. Vorsitzenden Dieter Göltenboth in Stuttgart-Vaihingen geladen. Dieter Göltenboth, der durch seine langjährigen Kontakte in der Kunstszene maßgeblich zum Erfolg dieses Vereins beigetragen hat, zeigt noch bis zum 27. Dezember über 70 Arbeiten aus seiner persönlichen „Schöpfungsgeschichte“ – wie der Einladungstext „augenzwinkernd“ verrät.


Bild 2: „Fesselung“, 1973, Strick, Jacke, zugenäht und mit Rosshaar ausgestopft.

So vielschichtig wie seine beruflichen Betätigungsfelder, u.a. als Bildender Künstler, Kunsterzieher, Entwicklungshelfer und Kulturpolitiker, so unterschiedlich sind auch die künstlerischen Ausdrucksmittel (Papier, Ölbilder, Materialbilder aus Holz, Fundstücken, Plastiken, Druckgrafik, Fundstücke und andere Materialien) mit denen Dieter Göltenboth im Laufe seines Lebens gearbeitet hat. Dieser Prozess scheint bei weitem noch nicht abgeschlossen zu sein, wie im letzten Raum des Erdgeschosses deutlich wird. Dort hängt neben graphischen Arbeiten aus den 1960ern ein aktueller Siebdruck. Bei der „Weißen Göttin“ benutzte er ein ungewöhnliches Druckverfahren bei dem Leim und Sand zum Teil die Farbe ersetzten. Trotz der zeitlichen Spanne von über 40 Jahren fallen Ähnlichkeiten in Bezug auf Komposition und abstrakter Formensprache sofort ins Auge.


Bild 10: „Weiße Göttin“, 2000, Leimfarbe und Sand im Siebdruck.

Außer Frage steht, dass Dieter Göltenboth an ästhetischen und oberflächlichen Spielereien nicht interessiert ist. Die bloße Wiedergabe von Erscheinungen ist für ihn Kunsthistorie, d.h. der Fotoapparat erfüllt diese Aufgabe heute viel besser. Am Anfang von Dieter Göltenboths künstlerischen Entwicklung steht das autonome Kunstwerk, dass mittels einer abstrakte Formensprache ohne direkte Bezüge zur Wirklichkeit auskommt. Willy Baumeister, der große anerkannte Vertreter der abstrakten Kunst im Südwesten, wies ihn als Lehrer Anfang der 1950er in die Möglichkeiten der gegenstandslosen Malerei ein.


Bild 3: „Scherben“, 1955, Farbe auf Leinwand, aus dem Bildzyklus „Zentren“.

Auf Dauer erweist sich jedoch diese Bildsprache für das Anliegen Dieter Göltenboths als ungeeignet. Schmerzlich vermisst er den Bezug zur Lebensrealität. Die Mittel der abstrakte Formensprache reichen nicht aus, um seine Vorstellung der Welt zu transformieren. Während seiner beiden ausgedehnten Afrikaaufenthalte in den 1960ern und 1970ern eignet sich Dieter Göltenboth eine lebendigere Bildsprache an, die mit Materialien und Formen experimentiert. Bewusst wird dabei der Symbolgehalt von Formen, Farben und Materialien zur Unterstützung der Bildaussage eingesetzt. Mythologische Anspielungen, sei es aus der Antike oder aus dem afrikanischen Kulturkreis, bringen tiefverborgene Seiten des Menschseins im Betrachter zum Klingen. Dieter Göltenboths Arbeiten erscheinen uns als visualisierte Präzedenzfälle menschlicher Grunderfahrungen.


Bild 4: „Stein des Anstoßes“, 1974 Stein, Rosshaar, Puppenteile, Farbe.

Auffallend sind die immer wiederkehrende Motive und Materialien, die als Ansatzpunkt zum tieferen Verständnis von Dieter Göltenboths Arbeiten dienen können. So erscheinen häufig, in vielerlei Abwandlungen, das Kreuzsymbol und die Kreisform.


Bild 5: „Strandkreuz“ 1987, Plastik, Strandgut, Holz.

Durch diese Urformen (wie zum Beispiel bei der Abbildung eines Steinkreises) können mystische, mythologische und archaische Assoziationen beim Betrachter entstehen. Die Verwendung einfachster und vergänglicher Materialien wie Holz, Steine, Sand und Haare unterstreicht diese Wirkung.


Bild 6: Ein Betrachter tief in die grafischen Arbeiten aus der Reihe Sternbilder (1990er Jahre) versunken. Sand auf Leinwand.

Dies wird besonders deutlich an den Materialobjekten, die zumeist aus Fundstücken wie angeschwemmtes Holz, Strandgut, Zivilisationsschutt, Steinen, Haaren usw. arrangiert sind. Tief gefurchte Reliefs teilweise durch einen rechtwinkligen Rahmen begrenzt oder wie hier ohne Begrenzung, werfen unweigerlich Fragen nach Vergänglichkeit, nach Sein und Werden auf. Trotz aller Materialität erscheinen die Ordnungsprinzipien der abstrakten Kunst hier weiterzuwirken.


Bild 7: Materialrelief, 1980er, Strandhölzer, Farbe.

Nicht Brüche und abrupte Wechsel kennzeichnen Dieter Göltenboths Werk, sondern ein kontinuierlicher Entwicklungsprozess, wobei die künstlerischen Medien je nach Fragestellung wechseln. Die Motive für sein künstlerisches Wirken stellt Dieter Gölthenboth eindringlich in seiner Eröffnungsrede dar, wo er die Bedeutung von Kunst und Leben für sich schildert. Wobei Leben für Ihn in erster Linie Überleben bedeutet.


Bild 8: Impression von der Vernissage

Sich verbal den Arbeiten von Dieter Göltenboth zu nähern, fällt nicht leicht. Wo andere mit einfachen Aussagen und plakativen Motiven operieren, geben seine Bilder dem Betrachter Rätsel auf, die sich jedoch bei genauerem Hinschauen als lösbar erweisen. Das zu tun erweist sich als spannende und lohnende Aufgabe.
Letztendlich lassen sich nicht alle Bedeutungsebenen seiner Arbeiten vollständig entschlüsseln. Eine Rest von Mysterium bleibt in ihnen immer enthalten. Diese Gemeinsamkeit teilen sie mit dem Leben, wo einige Frage wohl auf ewig ungelöst sein werden.


Bild 9: „Inkarnation, 1979, Rosshaar, Stein, Farbe.

Zum Abschluss einige Erklärungen von Dieter Göltenbolth aus den 1970ern zu seinen Arbeiten:

„Das Verhältnis von Ergreifen zu Verlieren. Die Fassbarkeit der Dinge und ihre Unfassbarkeit sind wichtige Aspekt meiner Arbeit.

Ich bemühe mich, „Bilder“ zu realisieren, die anfassbar sind. Sie lassen sich nun ergreifen, haben Körper und verdrängen Raum und bleiben doch ihrem Wesen nach unfassbar.

Je rätselhafter mir die Welt erscheint, desto mehr bleibt mir das „Bild“ als geeignete Metapher um Aussagen über das Dasein zu machen.“

Diese Retrospektive von Dieter Göltenboth macht jetzt schon neugierig auf seine nächste Ausstellung, die für dieses Jahr in der Kulturhalle Tübingen geplant ist.

k.s. - red / Januar 2004
Links:
http://www.kultur-am-kelterberg.de/




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