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Josef-Hegenbarth-Archiv, Dresden-Loschwitz

Trümmerfrauen – Ruinenlandschaften

Zeichnungen von Josef Hegenbarth und Wilhelm Rudolph

Dresden, wie es danach war

Dresden ist in aller Munde. Naziaufmärsche und Gedenkveranstaltungen zum Fanal des 13. Februar 1945 lassen die Augen der Welt auf Dresden ruhen. Das ZDF dreht im Eis auf der Augustusbrücke über die Ereignisse am Kriegsende einen Fernsehfilm, „wie es ihn noch nie gab“ (FAZ), und Wiglaf Droste hat kürzlich in der taz sogar „Schlachthof 5“ wiederentdeckt, Kurt Vonneguts romaneske Auseinandersetzung mit dem zerstörerischen Luftangriff, den er als amerikanischer Kriegsgefangener im Schlachthof im Dresdner Ostragehege überlebte.
Aber auch in der Stadt hat sich die Erinnerung an die Nacht der Zerstörung, wie immer um den 13. und 14. Februar herum, verlebendigt. Zu den zahlreichen Vorträgen und Ausstellungen, die anläßlich des 60. Jahrestags der Zerstörung der Stadt stattfinden, gesellt sich auch die kleine Schau mit Werken Josef Hegenbarths und Wilhelm Rudolphs, die das Dresdner Kupferstich-Kabinett in den Räumen des Hegenbarth-Archivs im Künstlerviertel Loschwitz noch bis zum 30. April präsentiert.

Zwei Dresdner Namen des 20. Jahrhunderts

Daß diese beiden Namen in einer Ausstellung über Dresden nebeneinander stehen, kommt nicht ganz von ungefähr. Es handelt sich um zwei Künstler, deren Schaffen im 20. Jahrhundert eng mit der Stadt und ihrem Schicksal verknüpft war: zunächst als Studenten in der wilhelminischen Ära, dann als Künstler und Kunstlehrer in den zwanziger und dreißiger Jahren und schließlich noch einmal nach dem Katastrophenjahr 1945.
Wer sich eingehender mit der jüngeren Geschichte Dresdens befaßt, wird früher oder später auf den Namen Wilhelm Rudolph stoßen. 1889 in Chemnitz geboren, wirkte der Maler und Zeichner zeit seines Lebens in Dresden. Wie so viele Menschen verlor Wilhelm Rudolph in den Bombennächten des Februar 1945 alles, darunter auch fast sein gesamtes künstlerisches Werk. Ähnlich wie der Fotograf Richard Peter, der den Totalverlust seines Fotoarchivs in seinem Buch Dresden – eine Kamera klagt an zu kompensieren versuchte, mußte auch Rudolph mit über 50 Jahren noch einmal ganz neu anfangen. Er tat das, indem er in den Jahren bis 1949 insgesamt 150 Federzeichnungen von der versehrten Stadtlandschaft anfertigte, die sich heute im Besitz des Dresdner Kupferstich-Kabinetts befinden. Bis zu seinem Tod 1982 wurde Rudolph in der DDR mehrfach ausgezeichnet.
Der Maler, Graphiker und Illustrator Josef Hegenbarth, 1884 in Böhmisch-Kamnitz / Èeská Kamenice geboren, hatte insofern mehr Glück als Rudolph, als er das Kriegsende in seiner Geburtsstadt erlebte. Dort wurde der größte Teil seiner Bilder zwar anschließend von den tschechoslowakischen Behörden beschlagnahmt und er selber ausgewiesen, Hegenbarth erhielt seine Werke jedoch noch vor seinem Tod 1962 in der 50er Jahren zurück. Gleichwohl hat er die meiste Zeit seiner künstlerischen Laufbahn, abgesehen von einem frühen Aufenthalt bei August Brömse an der Prager Kunsthochschule, in Dresden verbracht. In seinem Loschwitzer Wohnhaus wurde 1998 ein Archiv eingerichtet, in dessen Ausstellungsräumen bisher 16 Ausstellungen zu Hegenbarths vielschichtigem Werk gezeigt worden sind.

Trümmer statt Menschen, Menschen statt Trümmer

Es lassen sich, bei aller Bescheidenheit der Präsentation, kaum unterschiedlichere Blickwinkel auf das zerstörte Dresden denken, die sich dennoch so prächtig ergänzen. Die auf zwei der vier Räume verteilten 19 Zeichnungen aus Rudolphs Zyklus zum 13. Februar 1945 bilden zunächst einmal eine düstere Topographie der Zerstörung. Seine endlosen Steinhalden, schwarzen Häuserskelette, die amorphen grauen Gebilde, die einmal Menschen behaust haben sollen, lassen in der Vorstellungskraft keinen Platz mehr für das, was dort zuvor gestanden haben könnte.
Ein Spaziergang zu den auf den Blättern angegebenen Orten offenbart heute eine völlig andere Stadt. Einzig der Blick über die zerstörten Elbbrücken und die Ruine der Frauenkirche, die so noch bis 1993 bestand, rührt an Bekanntes. Gleichwohl sind Rudolphs Blätter mehr als die Wiedergabe zerstörter Straßenfluchten und entvölkerter Stadtensembles. Seine feinen Schraffuren haben nicht nur dokumentarischen Charakter, sie sind auch lakonischer Ausdruck einer ganzen Generation im Schockzustand, die physisch vor dem Nichts steht.
Ganz anders die 18 Tuschezeichnungen von Josef Hegenbarth, die sich auf die übrigen beiden Räume verteilen. Im Gegensatz zu Rudolph sind auf ihnen statt der entvölkerten Trümmerszenarien nur Menschen abgebildet, während Ruinen oder Gebäude allenfalls angedeutet werden. Die farbenfrohen, dicken Frauen, die Steine sortieren, oder auch die Kolonnen dunkel gewandeter Arbeiter mit Schaufeln über der Schulter wirken, als wären sie aus den Rudolph-Bildern herausgelaufen.
Ihre Farbigkeit löst die Graphiken aus deren düsterem Zusammenhang. Dennoch wirken sie nicht wie eine Paraphrase des Aufbaugeists der 50er Jahre. Hegenbarth, der an menschlichen Szenen motivisch mehr Gefallen fand als am Abtragen innenstädtischer Schutthalden, ließ sich in seiner zutiefst persönlich strukturierten künstlerischen Arbeit nicht beirren, obwohl viele seiner Zeichnungen in einer Zeit entstanden, als mit den Aufräumarbeiten auch die Planungen für die neue Dresdner Innenstadt in vollem Gange waren.

Etwas wie historische Wahrheit

So kommt es, daß in Hegenbarths und Rudolphs Zeichnungen vom zerstörten Dresden zwei völlig verschiedene, aber dennoch sehr eindringliche Positionen sichtbar werden. Man könnte sich auch eine gemischte Hängung vorstellen, durch die sich die Werke gegenseitig noch stärker durchdringen könnten.
Ausschlaggebend ist hingegen eher, daß letztlich die schiere Faktizität der Ereignisse und damit auch so etwas wie historische Wahrheit in den Werken beider Künstler aufscheint. Weil sie darin über jegliche Vereinnahmung erhaben sind, können sie auch heute noch, im Konzert höchst widersprüchlicher Deutungsversuche 60 Jahre nach Kriegsende, ihre Wirkung entfalten.


p.w. – red. / 5. April 2005
ID 1801
Eine Ausstellung des Kupferstich-Kabinetts Dresden
Josef-Hegenbarth-Archiv, Calberlastraße 2, 01326 Dresden
Geöffnet Di. n. Vereinb., Do. 10–12 und 14–16 Uhr, Eintritt frei
Noch bis 30. April 2005

Zu Josef Hegenbarths künstlerischem Schaffen immer noch grundlegend: Fritz Löffler: Josef Hegenbarth, Dresden: Verlag der Kunst, 1959 (und später).
Zu Wilhelm Rudolphs Federzeichnungen in der Folge des 13. Februar 1945 empfiehlt sich auch heute noch: Wilhelm Rudolph:
Das zerstörte Dresden. 65 Zeichnungen, Leipzig: Reclam, 1988.
Beide Werke sind leider nur noch antiquarisch erhältlich.


Weitere Infos siehe auch: http://www.skd-dresden.de






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