Filme, Kino & TV
Kunst, Fotografie & Neue Medien
Literatur
Musik
Theater
 
Redaktion, Impressum, Kontakt
Spenden, Spendenaufruf
Mediadaten, Werbung
 
Kulturtermine
 

Bitte spenden Sie!

Unsere Anthologie:
nachDRUCK # 4

KULTURA-EXTRA durchsuchen...

Feuilleton


Noch bis zum 26. Januar 2014 - MAXXI, Rom

CLEMENS VON WEDEMEYER

Eine Reise durch das italienische Kino




In Pygmalions Atelier

Der Berliner Video-Künstler Clemens von Wedemeyer ist zur Zeit Stipendiat der prestigeträchtigen Deutschen Akademie in Rom - der Villa Massimo. Seit gestern präsentiert er im MAXXI (Museum für die Kunst des XXI. Jahrhunderts) seine vier neuen Arbeiten als Eine Reise durch das italienische Kino, kuratiert von Giulia Ferracci.


Mythos Cinecittà: „Der Film ist die stärkste Waffe“, soll der Diktator-Kinofreak Mussolini 1937 bei der Eröffnung von Cinecittà gesagt und hat sich selbst gleich  zum ersten Kameramann in dieser Filmstadt gemacht. Ob er dabei an Eisenstein und Alexander Newski gedacht gehabt hätte, ist (bis heute) nicht dokumentiert. Bombardiert und ziemlich zerstört hatte Cinecittà, dessen Geschichte nicht nur ruhmreich war, während des Zweiten Weltkrieges auch als Lager für Vertriebene herhalten dürfen; Roberto Rosselini, Vittorio De Sica, Visconti und Fellini waren mit und durch Cinecittà zum Mythos geworden. Kommerzielle Mammutproduktionen wie Ben Hur und Quo Vadis Ende der 50er Jahre leiteten dann allerdings die schleichende Talfahrt ein. Die unvermeidlichen und leidlichen Italo Western Mitte der 60er gaben dieser zweifelhaften Kultstätte dann den Rest. Das intellektuelle Kino fand den Tod, und Sergio Leone übernahm. Cinecittà kränkelte weiter bis zum Fast-Bankrott und schließlich zur Privatisierung 1997.

Martin Scorsese drehte dort Gangs of New York, und Mel Gibson seine Passion Christi. 2007 waren über 2000 Quadratmeter durch einen schweren Brand zerstört worden, und jetzt steht es halb vernachlässigt vor den Toren Roms und wartet wieder gebraucht zu werden... Heute werden höchstens noch Werbespots und TV Serien dort gekocht.



Clemens von Wedemeyer ist 1974 geboren und kennt die Glanzzeit des italienischen Kinos nur aus den Archiven und aus Cinematheken; sein nostalgischer Rück- und Ausblick auf das italienische Kino ist originell und einfallsreich.

Gleich bei der ersten Installation darf der Ausstellungsbesucher hinter die Türen von Cinecittà schauen. Man wandelt mit den Augen im Halbkreis durch die dreidimensionale Requisitenkammer vorbei am Kino-Fundus, an Skulpturen, Armen, Beinen, Perücken, Kleidern, allen möglichen Deko-Utensilien, Pappe und Gips - fast wie in enem Gemälde von Jean-Leon Gérôme.

Direkt dahinter – einen Stock tiefer – werden Filmausschnitte auf in den Boden eingelassenen Glasplatten gezeigt. Im hinteren Teil schließlich The Cast

Kinobänke, große Leinwand, zurück nach 1958. Ben Hur wird gedreht; und wie alle wissen, die diesen Schinken gesehen haben, wimmelt es darin von Menschen, d.h. Komparsen. 4000 Römer und Römerinnen wurden einbestellt, nur 1500 ausgewählt. Der Kunstkritiker Mino Argentieri hatte am 7. Juni 1958 in l'Unità über die Revolten während der Dreharbeiten berichtet. Demnach zahlten die Bewerber für eine Statistenrolle sogar Geld, um sich vorstellen zu dürfen. Die Nichtgenommenen stürmten also die Tore von Cinecittà, und die Polizei musste einschreiten. Wir sehen Schilder in italienischer und englischer Sprache mit der Aufschrift: Warning: The money you earn is entirely yours. Do not give any percentage or gift to anyone. Any person who requests any recompense for having called you for the job are punishable by law. Dessen ungeachtet wechseln zerknüllte Lire-scheine trotzdem verschämt und hoffnungsvoll den Besitzer.

Der Film strahlt eine surrealistisch-metaphysische De Chirico-Kälte aus, nicht zuletzt natürlich auch, weil er vor dem Hintergrund der faschistischen EUR-Architektur gedreht wurde. Die Mitwirkenden in Wedemeyers Cast sind die derzeitigen Besetzer und Schauspieler eines der ältesten Theater in Rom, des Teatro Valle - dieses steht vor der Schließung und sorgt seit längerer Zeit für Polemik.

Mit griechischer Mythologie und 50er-Jahre-Charme stellt Clemens von Wedemeyer gekonnt Beziehungen zwischen den Schauspielern und Statuen her, die sich manchmal zum Verwechseln ähnlich sehen; und der Zuschauer tut das, was er tun muss: Er schaut zu.

Im letzten Saal werden wir mit Deukalion und Pyrrah konfrontiert. Sie stehen mit Steinen in der Hand vor dem großformatigen Panorama Fenster und blicken auf Rom. Auch hier liegen Requisiten-Beine auf dem Boden. Ob sie die Steine (oder Beine)  aber über ihren Rücken werfen, wie es das Orakel wollte, bleibt offen. Vielleicht ist es aber auch das Atelier von Pygmalion, der versucht, Cinecittà (oder dem Teatro Valle) wieder Odem einzuhauchen!




Das ist Clemens von Wedemeyer - Bildquelle: www.fondazionemaxxi.it


Christa Blenk - 26. September 2013 (2)
ID 7190

Weitere Infos siehe auch: http://www.fondazionemaxxi.it


Post an Christa Blenk

eborja.unblog.fr



  Anzeigen:




KUNST Inhalt:

Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN

Rothschilds Kolumnen

AUSSTELLUNGEN

BIENNALEN | KUNSTMESSEN

INTERVIEWS

KULTURSPAZIERGANG

MUSEEN IM CHECK

PORTRÄTS

WERKBETRACHTUNGEN
von Christa Blenk



Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal


Home     Datenschutz     Impressum     FILM     KUNST     LITERATUR     MUSIK     THEATER     Archiv     Termine

Rechtshinweis
Für alle von dieser Homepage auf andere Internetseiten gesetzten Links gilt, dass wir keinerlei Einfluss auf deren Gestaltung und Inhalte haben!!

© 1999-2024 KULTURA-EXTRA (Alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar!)