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Ausstellungsbericht

9. 10. 2012 - 20. 1. 2013, Musée du quai Branly Paris

AN DER QUELLE DER MALEREI DER ABORIGINES





Mit über 200 Bildern und 70 weiteren Exponaten hat im Pariser Musée du quai Branly die größte Ausstellung der Kunst australischer Ureinwohner außerhalb Australiens eröffnet und bietet einen faszinierenden Einblick in die „Geburtstunde“ dieser Kunstart in 1970er Jahren.

Die Ursprünge der Kunst der australischen Aborigines liegen über 40.000 Jahre zurück, doch bis ins 20. Jahrhundert hinein kann man noch nicht von eigentlicher Kunst sprechen. Sie diente zu rituellen und spirituellen Zwecken, sei es für Zeremonien oder zur Unterrichtung über die Schöpfungsgeschichte, die Traditionen und die sogenannte „Traumzeit“. Der Begriff „Traumzeit“ ist irreführend, denn es handelt sich eher um Visionen oder um Kenntnisse von der Schöpfung der Welt, von einem raum- und zeitlosen Universum und dessen Verbindung zur dinglichen Welt. Es ist Ausdruck des tiefen spirituellen Wissens, das sich in Felsmalereien, Sandbildern und Körperbemalungen ausdrückt und gleichzeitig die soziale Ordnung des jeweiligen Stammes erklärt und festschreibt. Die „Traumzeit“ ist auch der Ort, zu dem der unsterbliche Teil des Menschen zurückkehrt, um nach Vorstellung der Aborigines wiedergeboren zu werden. Das kann allerdings auch als Baum oder Tier sein, weshalb die Aborigines die Natur und Tierwelt achten. Die Aborigines kennen keine Gottheit, für sie ist es die „Traumzeit“, in der sich das Spirituelle sowohl in der immateriellen Welt als auch in der physischen Geografie ihres jeweiligen Stammesgebietes äußert.




Großformatige Bilder, die vom Fluss des Lebens und der Vergänglichkeit handeln: Links Napperby Death Spirit Dreaming von Tim Leura Tjapaltjarri und rechts Old Man’s Dreaming von Uta Uta Tjangala - Foto © Helga Fitzner / Motive der Künstler urheberrechtlich geschützt


Aus dieser Tradition heraus entstand 1970 das, was die Kuratoren der Ausstellung als die Quelle der Malerei der Aborigines bezeichnen. Der junge Kunstlehrer Geoffrey Barden unterrichtete damals in Papunya, einem abgelegenen Ort in Nordaustralien, rund 240 Kilometer von Alice Springs entfernt. Die als Halbnomaden lebenden Stämme waren dort zusammengewürfelt und zwangsangesiedelt worden und von ihren Wurzeln abgeschnitten. Der junge Kunstlehrer ermutigte sie, die tristen Mauern des Schulgebäudes mit ihren traditionellen Motiven zu bemalen. Damit war die Malerei der Aborigines zur Kunst geworden, denn sie war zweckfrei erschaffen worden. Die Mauer wurde nach Bardens Weggang wieder abgewaschen, aber es war die Papunya Tula Artist Cooperative entstanden, die weiter arbeitete, ihren eigenen Stil entwickelte und einiges Aufsehen erregte.




Zeremonien und Krafttiere sind wesentlicher Bestandteil der Kultur der Aborignes: A Children’s Ceremonial Snake Dreaming von Tim Leura Tjapaltjarri - Foto © Helga Fitzner / Motive des Künstlers urheberrechtlich geschützt



Als im 18. Jahrhundert die ersten Siedler kamen, waren ihnen die seltsamen Punkte, Striche und Linien ein Beweis für die Primitivität der Ureinwohner. Sie ahnten nicht, dass sich hinter der simpel anmutenden Bemalung ein spirituelles Wissen verbarg, das nur für Eingeweihte entschlüsselbar war. Zudem können ähnlich wirkende Motive verschiedene Bedeutungen haben. Es haben nicht nur die Zeichen eine Bedeutung, sondern auch die Farbe. Ein Kreis kann für einen Baum, eine Feuerstelle, aber auch für ein Wasserloch stehen. Die Farben blau oder schwarz stehen dabei symbolisch für Wasser. Je nach Landschaft oder Kontext kann sich die Dekodierung der Zeichen aber wieder ändern.



Wasser ist von zentraler Bedeutung im Outback: Children’s Water Dreaming von Kappa Tjampitjinpa - Foto © Helga Fitzner / Motive des Künstlers urheberrechtlich geschützt



Von diesen traditionellen Vorstellungen haben sich die Künstler von Papunya zunehmend entfernt. Im ersten Raum sind frühe Bilder ausgestellt, als sie noch in der Experimentierphase waren. Im zweiten und den weiteren Räumen haben sie schon ihren eigenen künstlerischen Ausdruck entwickelt, ohne sich aber vollständig von den spirituellen Bezügen ihrer Kultur entfernt zu haben. In einem besonderen Raum befinden sich Bilder, die für uneingeweihte Aborigines verboten sind, deshalb steht auch ein Hinweisschild. Uneingeweihte Besucher des Museums sind nach Besuch des Raumes mutmaßlich nicht viel eingeweihter. Man kann bei den Traumzeiten für Männer vielleicht gerade noch darauf schließen, dass es sich bei dem abgebildeten Tier um das Totem bzw. Krafttier seines Stammes handeln könnte.

Die Begegnung mit den weißen Siedlern hat die Kultur der Aborigines zerstört oder verändert. Die in den abgelegeneren Zonen lebenden Stämme hatten das Glück, später erobert zu werden als die Küstenregionen, so dass ihre Kultur zumindest noch teilweise überlebt hat. Die Künstlerkooperative von Papunya Tula war sicher auch ein Auflehnen gegen die Bevormundung der Weißen. Von 1900 bis 1972 wurden ihnen die Kinder weggenommen, um in Heimen „zivilisiert“ zu werden. Für Menschen, die seit Zehntausenden von Jahren in Gemeinschaft und im Einklang mit der Natur ihres Stammesgebietes gelebt hatten, war das eine Katastrophe. Die Maler von Papunya übten mit ihrer Kunst auch eine gewisse Selbstbehauptung aus. Von den Künstlern der frühen 1970er Jahre leben nur noch zwei. Sie haben erlebt, dass sie das Gebiet heute zumindest wieder selbst verwalten dürfen und dass ihre Kunst internationale Anerkennung gefunden hat.



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Helga Fitzner - 13. Oktober 2012
ID 6258
Weitere Infos siehe auch: http://www.quaibranly.fr


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