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Hollywood

Das Recyceln

der Macht



Bewertung:    



Ja, es stimmt: Dies ist DER Star Wars-Teil der gesamten bisherigen Reihe, der dem Glanz, der Innovation und der mythischen Schlagkraft des Auftaktfilms anno 1978 am nächsten kommt. Und während ich mich nach Genuss des Weltraumabenteuers 2015 noch wohligen nostalgischen Gefühlen hingebe, sagt doch ein jüngerer Kollege, der sich alle Filme kürzlich noch mal reingezogen hat, dass Das Erwachen der Macht dramaturgisch ein Neuaufguss von Krieg der Sterne (also Episode 4) sei. Schockschwerenot, wohlmöglich hat er Recht! Sollte ich dem Wunsch nach Herz erwärmenden Erinnerungen erlegen sein, also weil dies alter Wein in neuen Schläuchen ist und nicht etwa der langersehnte dynamische Neubeginn der Weltraumsaga?



Adam Driver in Star Wars - Das Erwachen der Macht | © Lucasfilm Ltd.


Aber selbst wenn, so beruhige ich hiermit mich selbst, alle Fans und solche, die es noch werden wollen: Das Erwachen der Macht recycelt in der Tat viele Elemente aus dem Urfilm der 1970er Jahre. Aber Drehbuch (Lawrence Kasdan, der schon für die Episoden V und VI verantwortlich zeichnete) und Regie (J.J. Abrams, der auch die beiden letzten Mission Impossible- und Star Trek-Teile inszenierte) kopieren nicht platt oder gar peinlich, sondern kraftvoll, temporeich, mit Witz, Selbstironie und technisch state of the art. Anders als alle anderen Teile, vor allem die unseligen Episoden I-III, ist Episode VII klar und kompakt gebaut: Abrams (der auch Ko-Autor ist) und Kasdan konzentrieren sich auf eine Handvoll neuer Charaktere (ein Heldenpaar wider Willen, den Nachfolger von Darth Vader, den Oberfascho des Imperiums, einen Piloten der Resistance) sowie die wiederausgegrabenen Helden von früher (Han Solo & Co), wenige Erzählstränge und Konflikte sowie eine überschaubare Zahl an Settings. Dadurch zerfasert die Aufmerksamkeit beim Zuschauer nicht, und die Helden wachsen einem rasch ans Herz.

Das handwerkliche Können der Autoren zeigt sich unter anderem im ausgewogenen Verhältnis von Szenen, die die Handlung vorantreiben und solchen, die Fragen aufwerfen, aber auch bei der Ausbalancierung von Materialschlachten und Zweikämpfen, harter Action und hintergründiger Ironie. Epische Untiefen werden ausgetrocknet, allenfalls kurze Visionen und Rückblenden verweisen auf den ausufernden Kontext. Vor allem aber gelingt es Kasdan immer wieder geschickt mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen: Wer hat die Nachfolge von Darth Vader angetreten? Wo stecken die alten Haudegen bzw. wann kommen sie endlich ins Bild? Wie hat sich die Zukunft seit dem Ende von Episode VI weiterentwickelt oder eben nicht?

Entscheidend für das Vergnügen an der Haupthandlung sind vor allem die Ambivalenzen auf Seiten der Konfliktparteien: Der neue Held (glaubwürdig: John Boyega) ist zu Beginn noch ein Mitglied der faschistischen Sturmtruppen des Imperators und als solches durch biologische Auswahl und Erziehung eigentlich nicht zum Nachdenken oder gar aktiven Widerstand prädestiniert. Zum anderen ist der hochaggressive, jähzornige Kylo Ren (wunderbar zwitterhaft: Adam Driver) als neuer Vader enger Blutsverwandter der Führung der republikanischen Widerständler.

Ob die ewige Fortführung der Familienaufstellung in der Star Wars-Reihe ein überzeugender (Freud'scher) Bestandteil des gigantischen Mythenteppichs ist, der auch in dieser Episode zwischen Grimms Volksmärchen, christlicher Heilssage und Pseudo-Esoterik oszilliert, hängt sicherlich von der Prädisposition der Zuschauer ab: Wer mit seiner eigenen Familie im Reinen ist, mag es für übertriebenen halten, dass immerfort die missratenen Mitglieder einer Mischpoke für die Stahlgewitter im Universum verantwortlich sind. Anderseits: Sind nicht viele reale Autokraten und Diktatoren, die ihre Landleute knechten und Kriege provozieren, Söhne moralisch zerschlissener Diktatorendynastien? Schon die ersten Szenen, in denen unschuldige Bewohner eines republikanischen Widerstandsnestes von Kylo Ren niedergemacht werden, lassen – offenkundig gewollte – Assoziationen an monströse Menschenschinder wie Assad jr. aufkommen.

Interessant und amüsant, dass noch 2015 so nahtlos an die kuriose Mischung aus faschistischer und Steampunk-Ästhetik des Urfilms angeknüpft werden kann. Was auch daran liegt, dass die digitalen Elemente die teils handgearbeiteten Fantasiefiguren à la Breughel nicht in den Schatten stellen.



John Boyega und Daisy Ridley in Star Wars Episode VII | © Lucasfilm Ltd.


Die wichtigste Neuerung gegenüber dem Original von 1978 ist die junge Heldin Rey, die kraftvoll von der noch unbekannten britischen Mimin Daisy Ridley verkörpert wird – und das ist wörtlich gemeint. Denn Ridley rennt, springt, schlägt und teilt auch verbal aus, dass es nur so kracht. Sie besitzt eine ebenso zurückgenommene erotische Ausstrahlung wie weiland Leia (diesmal noch züchtiger: Carrie Fisher), aber die prinzessinnenhafte Entrücktheit fehlt Rey alias Ridley gänzlich – sie ist die Figur mit der stärksten physischen Qualität. Ihr Mitstreiter Finn alias John Boyega erinnert mit seiner Anti-Heldenattitüde dagegen sehr an den Harrison Fords Han Solo, der allerdings eine Identitätsfigur der weißen Mittelschicht war und entsprechend seine Schuldigkeit getan hat: Es folgen auf Han und Leia also ein afroamerikanischer Underdog, den der Krieg zum Nachdenken gebracht hat und eine kämpferische Amazone, die bei Männern eher den mindfuck praktiziert, weil sie ihre ungeahnten Fähigkeiten entdeckt.

Rührend: Anthony Daniels (als C-3PO), der kleingewachsene Kenny Baker (als R2-D2) sind als Roboterpaar nun auch im 7. Film dabei, der hünenhafte Peter Mayhew kehrt als kämpfende Riesenaffe Chewbacca zurück. Die grandiose, epische Musik von John Williams, für die er bereits 1978 einen seinen fünf Kompositions-Oscars errang, erklingt wieder.

Ach, die Handlung? Nun, wir Kritiker sind schriftlich und mündlich gebeten worden, die Überraschungen des Films nicht zu verplappern. Und was lässt sich noch mehr dazu sagen, als dass Episode IV der Saga in der Tat die dramaturgische Folie für Episode VII bietet?: Ein Heldenpaar gerät an geheime Informationen (über Luke Skywalkers Schicksal!), wird von Truppen des Imperiums gejagt, erhält Schützenhilfe der Altstars und kann den Faschisten des Alls ihren Powerplaneten unterm Hintern wegsprengen. Eine Zwischenlösung! Und solange Isis und Front national sich gegenseitig hochschaukeln, im Nahen Osten die Scharfmacher und Kriegstreiber das Sagen haben und ein Rumpelstilzchen in Russland Dekrete absondert, solange braucht die Menschheit Geschichten, in denen das Gute siegt und die Kassen des Einzelhandels zum Klingen bringt.



John Boyega in Star Wars - Das Erwachen der Macht | © Lucasfilm Ltd.


Max-Peter Heyne - 16. Dezember 2015
ID 9043
Hinweis: In vielen Kinos in Deutschland gibt es ab Mitternacht des 17. Dezember Voraufführungen, so auch in allen Sälen der UCI KINOWELT in Bochum. Das CINESTAR IMAX im SONY CENTER in Berlin und das Filmpalast am ZKM IMAX in Karlsruhe zeigen exklusiv Star Wars - Episode VII: Das Erwachen der Macht ab dem 17. Dezember in der IMAX 3D-Laser-Fassung mit 12 Kanal Immersive Sound (einige Szenen des Films wurden mit IMAX-Kameras gedreht).

Weitere Infos siehe auch: http://de.starwars.com/


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