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Rezension


Something Necessary (Deutschland, Kenia 2013)

Drehbuch: Mungai Kiroga und JC Niala / Regie: Judy Kibinge




Something Necessary ist der dritte Spielfilm aus der „Nairobi-Werkstatt“ von Tom Tykwer und seiner Frau Marie Steinmanns, den Begründern der One Fine Day Films, sowie der DW Akademie und der kenianischen Filmfirma Ginger Ink.

Der politisch-gesellschaftliche Hintergrund des Films ist real. Im Dezember 2007 fanden in Kenia Präsidentschaftswahlen statt, die Mwai Kibaki vom Stamm der Kikuyu mit sehr knapper Mehrheit gewann. In Kenia gibt es über 40 Ethnien, von denen die Kikuyu mit über 17 % die größte Gruppe bilden. Das Wahlergebnis wurde angezweifelt und führte zu Ausschreitungen, die circa 1.500 Menschen das Leben kosteten und rund 600.000 Kenianer obdachlos machten, deren Häuser und Land verwüstet und verbrannt wurden. Bis zum heutigen Tag sind die Betroffenen nicht entschädigt worden.




Hauptdarstellerin Susan Wanjiru, Tom Tykwer und Regisseurin Judy Kibinge bei der Vorstellung des Films in Köln - Foto © Helga Fitzner



Auch Anne (Susan Wanjiru) gehört zu den Opfern dieser Gewalttaten. Ihr Mann wurde getötet, sie selbst wurde misshandelt und vergewaltigt und die Farm niedergebrannt. Doch die gelernte Krankenschwester kämpft sich unter großen Widrigkeiten zurück ins Leben. Ihr Sohn liegt im Koma und braucht sie. Deshalb baut sie ihr Haus auf und will die Farm wieder bewirtschaften. Angeblich wohlmeinende Verwandte sehen das als zu gefährlich an, wollen sie aber in Wahrheit um ihr Land bringen. Als ob das alles nicht schlimm genug wäre, stellt sie nach einiger Zeit fest, dass sie durch die Vergewaltigungen schwanger geworden ist. Außer ihrem Arzt weiß niemand davon. Ohne sich jemandem anzuvertrauen, übernachtet Anne in einem Hotel. Sie hat ihre Arbeit im Krankenhaus wieder aufgenommen und heimlich alles entwendet, was sie für einen Schwangerschaftsabbruch braucht. Die stillen Szenen sind gar nicht extrem explizit, aber so schockierend, weil Anne das völlig alleine mit sich abmachen muss. Sie zeigen eindrücklich die Grausamkeit des Schweigen-Müssens, denn Abtreibung ist in dem christlich geprägten Land illegal.




Allein: Anne (Susan Wanjiru) am Grab ihres Mannes - Foto © One Fine Day Films



Derweil versucht Joseph (Walter Kipchumba Lagat) mit den Folgen seiner Täterschaft fertig zu werden. Er ist als Jugendlicher in eine gewalttätige Gang geraten, die an dem Überfall beteiligt war. Joseph hat ein Schuldempfinden, will arbeiten und sich mit seiner Freundin in der Hauptstadt Nairobi eine neue Zukunft aufbauen. Doch die Gang schlägt ihn zusammen, stiehlt ihm seinen Monatslohn und bedroht ihn mit dem Tode. Ein Ausstieg aus diesem Milieu ist nicht möglich. Joseph weiß von Annes Not und versucht ihr zu helfen. Nachts baut er die aus einem Autoreifen bestehende Schaukel für ihren Sohn heimlich auf. Interessanterweise erwacht Annes Sohn aus dem Koma, als das Haus einigermaßen wieder hergerichtet ist. Aber auch er ist traumatisiert und muss ich mit der neuen Lebenssituation erst abfinden.

Derweil sammelt eine Kommission Zeugenaussagen in den betroffenen Gegenden. Es geht dabei gar nicht um Schuldzuweisung, sondern dass die Aussagen erst einmal gesammelt werden. Viele lehnen das ab. Anne ist am Anfang auch nicht überzeugt, erzählt dann aber doch ihre Geschichte, zumindest einen Teil davon. Das Schweigen zu brechen und die Dinge zu benennen, wird von den Filmemachern als etwas Notwendiges angesehen, something necessary, und ist das Anliegen des Films. Das alleine reicht aber leider nicht, wie die Geschichte zeigt. Anne muss das Meiste aus eigener Kraft schaffen. Sie lässt sich dabei nicht von Hass leiten, sondern ist auf eine Art Überlebensmodus eingestellt. Das hilft auch ihrem Sohn, der jetzt ohne Vater aufwachsen muss. Something Necessary beleuchtet die Opfer - wie auch die Täterseite und zeigt, dass ein Verarbeiten der Traumata am ehesten möglich ist, wenn beide Seiten versuchen, das zu bewältigen. Dann kann vielleicht ein Schlussstrich gezogen. Aber der Film ist nicht blauäugig. Annes individuelle Versöhnung mit ihrem Schicksal bedeutet noch lange nicht das Ende der Gewalt in Kenia.




Ein nachdenklicher Tom Tykwer bei der Vorstellung des Films in Köln - Foto © Helga Fitzner



Something Necessary ist nach Soul Boy und Nairobi Half Life die dritte Produktion der „Nairobi-Werkstatt“, die aus einem Workshop für Regie, Produktion, Drehbuch, Schnitt, Tongestaltung, Szenenbild und Kamera hervorging. Dazu waren 67 Teilnehmer aus neun afrikanischen Ländern eingeladen, die allesamt schon Erfahrung auf dem Gebiet hatten. In den Filmen werden afrikanische Themen behandelt, die aber so aufbereitet sind, dass sie für ein internationales Publikum geeignet sind. Tom Tykwer ist zur Zeit persönlich mit einem Teil des Filmteams unterwegs, um den Film in Deutschland vorzustellen.


Helga Fitzner - 22. Februar 2013
ID 6588

Weitere Infos siehe auch: http://www.somethingnecessary-film.org


Post an Helga Fitzner



 

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