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Rezension


Angemessen bizarr und tabu-tangierend - die Verfilmung des Skandalromans Feuchtgebiete




Blut, Sperma und Tränen

Die Ankündigung der unvermeidlichen Verfilmung des Skandalromans Feuchtgebiete musste schlimme Befürchtungen auslösen. Ein Werk, das gezielt pornografische Stilmittel einsetzt und an Krankheits- und Ekel-Tabus rüttelt, soll auf die Leinwand? Und dann auch noch der Rentnersender ZDF als Ko-Finanzier? Das könne ja nicht funktionieren? Entwarnung!

Der Film funktioniert – obwohl er verständlicherweise nicht pornografisch und viel wenig ekelig ist als der Roman. Doch Drehbuchautor und Regisseur David Wnendt gelang es, den Patienten trotz der zahlreichen Amputationen zu retten und recht viele fiese Themen, Sprüche und Körperflüssigkeiten unterzubringen. Es wird masturbiert, geblutet, gepisst, gekotzt, geweint, geschwitzt und abgespritzt (Respekt übrigens, mit der meisterhaften Zeitlupe würde Wnednt jeden Porno veredeln), auf das ein rechter Kessel Buntes daraus wird – der allerdings erst ab 16 Jahren goutiert werden darf. Immerhin! Damit hat die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft mehr Vertrauen in die Immunkräfte der deutschen Jugend als die von amerikanischer Pilger-Prüderie des 16. Jahrhunderts angekränkelten US-Internetkonzerne, deren Suchmaschinen sogar den Trailer boykottieren. Drauf geschissen!



Feuchtgebiete-Hauptdarstellerin Carla Juri und ihr Regisseur David Wnendt - Foto (C) Majestic Filmverleih



Genau das ist im Film übrigens nicht so genau zu sehen, und ich darf sagen, ich habe es nicht vermisst! Obwohl hier vieles buchstäblich für’ n Arsch ist. Und damit kommen wir für die wenigen, die vom Buch so gar keine Ahnung haben, zum Inhalt:

Wildes Mädchen mit geschiedenen, ihr gegenüber gleichermaßen lieblosen Eltern rebelliert gegen den aseptischen Fimmel ihrer Mutter und probiert allein und dann mit Busenfreundin so ziemlich jede Sauerei aus, die man mit der eigenen Muschi so anstellen kann (Gastauftritt: der Kühlschrank aus 9 ½ Wochen). Ausgerechnet am Hintern macht sie großreine und zieht sich schmerzhafte Verletzungen beim Rasieren zu. Schauplatz nun: eine Klinik mit dreisten Ärzten (schneidig: Edgar Selge) und einem netten Pfleger (smarter Sonnyboy: Christoph Letkowski). Der Arsch wird geflickt (ja, mit „L“!) und der Rest findet sich auf Umwegen auch. Leider, denn über weite Strecken überzeugt der Film mit seiner ambivalenten Dramaturgie, die jederzeit ins Bizarre, Abwegige kippen kann, bevor sie am Ende für die vielen Freunde abgerundeter Erkenntnisse mit Küchenpsychologie und Liebes-Happy-Ende mutlos und formelhaft wirkt.



Feuchtgebiete-Arzt Edgar Selge (re.) - Foto (C) Majestic Filmverleih



Doch auch diese Kompromisse seien Regisseur David Wnendt verziehen, der ansonsten ganz im Geiste der Romanautorin, TV-Enfant-Terrible Charlotte Roche, mit viel Verve, Witz und Originalität im Rahmen des medialen Mainstreams die Grenzen des schlechten Geschmacks auslotet. Selbst bei eher zufällig beigewohnten Splatterfilmen aus der untersten Schublade musste der Rezensent nicht so häufig die Augen abwenden, kräftig durchatmen und schlucken wie in dieser schwarzhumorigen Komödie. Wnendt und sein Team haben die psychologische Abgründigkeit und literarische Drastik über das medial bedingt notwendige Maß hinaus nicht verwässert, ohne in platten Voyeurismus oder in Peinlichkeiten abzugleiten, was keine geringe Leistung ist. Kongenial ist auch die Besetzung der provokativen, letztlich aber sehr verletzten und verletzlichen Anti-Heldin mit der jungen Schweizerin Carla Juri. Sie und ihre Kollegin Marlen Kruse (als beste Freundin) reichen mit ihrer nuancierten, natürlichen Art des Spielens dem Zuschauer die Hand, die er braucht, um der analfixierten Alice-ins-Wunden-Land der Feuchtgebiete willig folgen zu können.



Feuchtgebiete-Film mit Carla Juri und Marlen Kruse (li.) - Foto (C) Majestic Filmverleih



Bewertung:    


Max-Peter Heyne - 19. August 2013
ID 7065
FEUCHTGEBIETE (D 2013)
Regie: David Wnendt
Drehbuch: David Wnendt, Claus Falkenberg und Charlotte Roche
Mit: Carla Juri, Marlen Kruse, Christoph Letkowski, Peri Baumeister, Meret Becker, Edgar Selge, Axel Milberg, Harry Baer u.a.
Filmstart ist am 22. August 2013


Weitere Infos siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Feuchtgebiete_%28Film%29


Post an Max-Peter Heyne



 

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Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


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