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Rezension

Der Regisseur Jia Zhangke reflektiert in seinem packenden Drama A Touch Of Sin die Verbrechen, die aufgrund von sozialen Spaltungen in China begangen werden





Blick nach vorn im Zorn

Ein Film wie ein Paukenschlag, der in seinem Entstehungsland denn auch gleich von der staatlichen Zensur verboten wurde: Der chinesische Regisseur Jia Zhangke reiht in A Touch Of Sin Mord und Totschlag aneinander. Manchmal brechen die mörderischen Impulse plötzlich aus, manchmal sind sie eiskalt geplant – aber immer haben sie eine Vorgeschichte, und die haben mit Ungerechtigkeiten, Demütigungen und Korruption zu tun: Dieser Film handelt von vier Todesfällen, die sich in den letzten Jahren in China ereignet haben: drei Morde und ein Selbstmord. Die Vorfälle sind unter der chinesischen Bevölkerung wohlbekannt. Sie ereigneten sich in Shanxi, Chongqing, Hubei und Guangdong – eine Spannbreite, die von Norden bis Süden reicht. "Ich wollte diese Nachrichten nutzen, um ein umfassendes Porträt des Lebens im modernen China zu zeichnen", sagt Regisseur Jia Zhangke.

Wenn sein Film – der weitgehend naturalistisch gestaltet ist, aber durch die Gewaltausbrüche einen stark surrealen Touch ausstrahlt – ein halbwegs authentisches Spiegelbild der chinesischen Gesellschaft ist, dann ist das Land längst aus der Mitte gefallen und droht, sich in anarchische Zustände auszulösen. Zhangke, der für sein poetisches Meisterwerk Still Life 2006 bei den Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen erhielt, im vergangenen Jahr aber mit A Touch Of Sin übergangen wurde, verhielt sich angesichts dieser Ungerechtigkeit gottlob nicht so wie die Landsleute in seinem Film: Deren Geduld ist an einem Punkt schlichtweg erschöpft und sie greifen zu den Waffen, so auch im Falle des Minenarbeiters Dahai. Er ist einer der letzten Aufrechten, der sich beim durch und durch korrupten Management der Mine und der Behörden vor Ort mit seinem sturen Beharren auf soziale Standards und moralische Integrität unbeliebt macht und dafür jede Menge Prügel einsteckt. Mit einer stoischen Art, die an Rachewestern italienischer Prägung erinnert, greift Dahai zu drastischen Gegenmaßnahmen und nietet mit der ihm eigenen grimmigen Entschlossenheit alles um, was ihm dumm kommt.





A Touch of Sin - Foto (C) Rapideyemovies, Köln



Auch die nicht mehr ganz junge Rezeptionistin eines Saunaclubs, der eigentlich ein besseres Bordell ist, Xiao Yu, wird ein Opfer ihrer wohl jahrelang unterdrückten Impulse: Angesichts privater Enttäuschungen, die wiederum mit der Doppelmoral verheirateter chinesischer Männer zu tun haben, vor allem aber wegen der Schimpftiraden und Schläge, die ihr von einem besonders rücksichtslosen Geschäftsmann im Bordell zugefügt werden, verwandelt sich die devote Frau in eine Martial-Arts-Kämpfein, die mit den Machos kurzen Prozess macht. Besonders brutal verhält sich der Wanderarbeiter Zhou San, der vor seiner verlassenen Familie den bescheidenen Onkel gibt, sich ansonsten aber unerkannt als Straßenräuber seines Lebensunterhalt zusammenmordet, da er offenkundig als Arbeiter keine Perspektive mehr hat. Schicksalsgenosse Xiao Hui wählt angesichts der Misere, in der er als moderner Firmensklave steckt, den Freitod. Hier gemahnt Drehbuchautor und Regisseur an die Selbstmordwelle in Firmen, die u.a. für Apple und andere westliche Konzerne Lizenzprodukte herstellen.

Ob manche Details der vier Episoden aus dramaturgischen Gründen übertrieben sind, lässt sich für einen Nicht-Kenner der zeitgenössischen chinesischen Lebensverhältnisse schwer beurteilen. Immerhin sprechen die dem Film zugrundeliegenden Fakten Bände: Seit den 90er Jahren stieg die Zahl der Raubüberfälle in China um 3000 Prozent, die soziale Kluft zwischen der Bevölkerung in den Städten und dem Land reißt immer weiter auseinander. China nach Mao und Teng – das kapitalistischste Land der Welt? Zumindest in Sachen Kriminalität und Korruption hat das Reich der Mitte den Westen eingeholt und überholt – was das bedeutet, zeigt A Touch Of Sin in einer kuriosen Mischung aus westlicher Lust an grellen, aber nicht spekulativen Effekten und östlichem Stoizismus selbst im Angesichts des Untergangs.




A Touch of Sin - Foto (C) Rapideyemovies, Köln



Bewertung:    


Max-Peter Heyne - 17. Januar 2014
ID 7519
Weitere Infos siehe auch: http://rapideyemovies.de/a-touch-of-sin/


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