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Rezension


Filmstart: 29. November 2012

Anleitung zum Unglücklichsein (D 2012)

Regie: Sherry Hormann



Zucker, Baby!

Sherry Hormann bietet des Gutgemeinten zu viel und wird damit dem Titel ihres neuen Films, nicht aber ihren Absichten gerecht.

Nein, es muss nicht automatisch nach Zuckerguss riechen und ein klebriges Gefühl zwischen den Zähnen erzeugen, wenn die für Prime-Time-Zabaione berüchtigte ARD-Tochterfirma Degeto bei einem Kinofilm mitmischt. Muss nicht, aber die Gefahr ist groß. Im Falle des lose am 80er-Jahre-Bestseller des in Österreich geborenen US-Psychologen Paul Watzlawick (1921-2007) angelehnten Spielfilms Anleitung zum Unglücklichsein sind die Macher derart ungebremst in die Zuckerfalle geraten, dass jedes Kino froh sein kann, wenn es nicht wegen Diabetesverursachung verklagt wird.

Watzlawicks Buch war ein Erfolg, weil erstmals ein anerkannter Wissenschaftler komplexe Erkenntnisse der Kommunikationspsychologie auf Anekdoten heruntergebrochen und in für Laien leicht verständlicher Form präsentiert hat. Die Deutsch-Amerikanerin Sherry Hormann, die sich zuletzt mit der Verfilmung der Autobiografie des afrikanischen Models Waris Dirie, Wüstenblume, eine Reputation für die aufrichtige und doch breitenwirksame Behandlung heikler Themen erworben hat, kehrt mit Anleitung zum Unglücklichsein zu ihren Wurzeln als Regisseurin von komischen Stoffen wie Irren ist männlich (1996) zurück – kommt dort allerdings nicht an.

Watzlawicks Anleitung zum Unglücklichsein ist ein Essay, d. h. eine Handlung gibt es nicht. Die für den Film entwickelte, dürre Story um die Berliner Feinkostladenbesitzerin Tiffany (Johanna Wokalek), die sich bei der Beziehungssuche und anderen Dingen selbst im Wege steht, ist von Hormann mit so bitterer Konsequenz versüßt und auf harmlos getrimmt worden, dass von Watzlawicks bisweilen sarkastischem Witz kein Fünkchen mehr übrig ist. Daran kann auch die gute Besetzung nichts ändern, die zur Comedy genötigt wurde.

Da Hormann sich als Drehbuchautorin offenkundig gescheut hat, tiefer reichende Töne auch nur ansatzweise anzuschlagen, bleibt die psychologische Dimension, um die sich angeblich alles dreht, blass, banal und unglaubwürdig. Statt von echten Konflikten gepeinigt wirkt Wokaleks Tiffany allenfalls tollpatschig. Dass die vermeintlich Aggressionsgehemmte mit Männern so ihre Not hat: geschenkt! Zumal sie als Geschäftsfrau durchaus erfolgreich, ja, sogar so resolut auftreten kann, dass die Männer in ihrer Umgebung anstandslos kuschen. Das soll der armen Tiffany erstmal eine Quotenfrau bei den börsennotierten Konzernen nachmachen!
Statt also die Ängste und Probleme der Hauptfigur, mit denen sich auch Millionen Bundesbürger herumschlagen, z. B. sich immer die falschen Partner zu suchen oder schon im Vorfeld schwarz zu sehen, im Sinne Paul Watzlawicks als tragikomische, bei den Eltern ‚gelernte‘ Strategien zur Vermeidung eines erfüllteren Lebens zu behandeln, wärmt Hormann abgestandene Küchenpsychologie auf. Schlimmer noch: Konditorenpsychologie! Sogar ein Selbstmordversuch (nicht von Tiffany) wird ohne jede dramaturgische Vorbereitung, dramatische Komponente und aus sicherer Entfernung gezeigt, als handele es sich lediglich um einen Dummen-Jungen-Streich.

Es muss ja nicht gleich von Depressionen und bipolarer Störung die Rede sein (obgleich der amerikanische Independent-Film Silver Lining, der in Deutschland im kommenden Februar anläuft, genauso das zum Gegenstand einer gelungenen Komödie macht). Aber was bitte soll man von der Idee halten, dass Tiffany, wenn sie Lust auf Sex hat, nicht etwa unter nebulösen Schuldgefühlen leidet, sondern ihr die verstorbene Mutter in Person Iris Berbens leibhaftig erscheint wie der Beelzebub und schlechte Ratschläge erteilt? Das mag als Bild witzig gedacht sein, kommt aber ohne substanziellen dramaturgischen Kontext arg platt rüber.
Auch dass die Nebenfiguren mehr oder weniger eindimensionale Stichwortgeber bleiben, fügt sich in einen Reigen ungenießbar aufgeschäumter Harmlosigkeiten ein. Hormann bietet diesmal einfach des Gutgemeinten zu viel und erreicht das Gegenteil dessen, was beabsichtigt ist. Zurück bleibt in der Tat ein Unglücklichsein über eine verpatzte Chance, Watzlawick gerecht zu werden.




Johanna Wokalek in Anleitung zum Unglücklichsein - Foto (C) studiocanal


Max-Peter Heyne - 28. November 2012
ID 6406

Weitere Infos siehe auch: http://www.anleitungzumungluecklichsein.studiocanal.de/


Post an Max-Peter Heyne



 

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