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Britisches Kino

Brüchige

Gewissheiten

lassen ein alterndes

Ehepaar aneinander

zweifeln



Bewertung:    



Alle Youngsters müssen jetzt mal ihre Kapazitäten an emotionaler Intelligenz aufbieten: Wie mag es sich anfühlen, 45 Jahre mit ein und demselben Partner zusammenzuleben? Eine gefühlte Ewigkeit – aber gibt’s ja noch hin und wieder! Eines steht fest: Man kennt die Stärken und Schwächen, die Ticks und Gewohnheiten des Anderen aus den Effeff. Die Routine hat Spontaneität ersetzt, Kompromisse sind seit Jahrzehnten eingeübt. Und doch wird auch in so einer Partnerschaft – auch nach den titelgebenden 45 Jahren – ein jeder noch das eine oder andere Geheimnisse mit sich führen. Denn die Erfahrung lehrt: Manches will auch der oder die Liebende von sich nicht preisgeben. Manches ist nur für einen selbst bestimmt – Vertrauen und Akzeptanz in der Beziehung hin oder her.

Von der Entdeckung eines solchen Geheimnisses und dem damit verbundenen Vertrauensverlust erzählt der 43jährige Drehbuchautor und Regisseur Andrew Haigh in seinem britischen Ehedrama 45 Years: Kate (Tom Courtenay) und Geoff (Charlotte Rampling) sind nach 45 Jahren Zusammenleben an einem Punkt angelangt, an dem die Leidenschaft sich (auch aus physiologischen Gründen) längst verabschiedet hat. Stattdessen hegen die beiden freundschaftliche Gefühle füreinander, die aber inniger kaum sein könnten. Bis Geoff eines Tages eine Nachricht erhält, die mit jener Frau zusammenhängt, mit der Geoff vor Kate zusammen war. Eine Nachricht aus jenem kurzen Teil seiner Vergangenheit, die er ohne Kate verbracht hat.

Die ausweichenden Antworten ihres Mannes machen Kate stutzig und misstrauisch: Warum erklärt sich Geoff nicht? Und als er es schließlich tut – eine eher widerspenstige Beichte – ist Kate erst recht beunruhigt: Jahrzehntelang lebt sie mit einem Mann zusammen, der ihr gegenüber in einem wichtigen Punkt Dinge vorenthalten hat. Geoff hat zwar nicht gelogen, dass sich die Balken biegen. Aber eine Geheimniskrämerei in einem wichtigen Punkt steht nun zwischen den beiden. Der Umstand, dass Kate mit Geoffs zunehmender Hinfälligkeit hadert, macht die Sache nicht einfacher.

Kates Beunruhigung und Ernüchterung kann vielleicht nur der Zuschauer nachempfinden und verstehen, der das Gefühl kennt, wenn man sich vom Partner plötzlich hintergangen fühlt. Die ebenso feine wie bittere Ironie in 45 Years: Grund für den Vertrauensverlust ist kein Seitensprung, keine Affäre. Aber die bloße Ahnung, dass es hätte passieren können, wirkt bei Kate wie schleichendes Gift, so als wäre es passiert. Kubrick hat dasselbe Gefühl der Entfremdung zwischen dem von Cruise und Kidman verkörperten Ehepaar in seinem letzten Film Eyes Wide Shut thematisiert. Selbst Kubrick gelang es damals nicht, diese Beziehungsohnmacht überzeugend in Bilder zu transportieren, weswegen der Film durch ganz andere Situationen in Erinnerung blieb (die Orgie, die Nackten, der Weihnachtskitsch, die bizarren Nebenfiguren).

Andrew Haigh gelingt dies sehr viel besser, und vor allem deshalb, weil er sich auf zwei grandiose Hauptdarsteller verlassen kann, die alle Nuancen der Entfremdung vermitteln können. Den Gewinn eines Silbernen Bären hatten die Charaktermimen Rampling und Courtenay (der hier seine beste Rolle seit Die Einsamkeit des Langstreckenläufers spielt) nicht mehr nötig. Aber angesichts der einsamen Klasse, die beide hier bieten, blieb kaum eine andere Entscheidung übrig. Der ziemlich gemächliche Ton, den der Film anschlägt, mag manchem in Verbindung mit einer eher zurückhaltenden Dramaturgie etwas fernseh-like erscheinen. Doch erstens geht in einer 45jährigen Partnerschaft nicht mehr jeden Tag die Post ab. Und zweitens sind es in 45 Years die Anspielungen und feinen Gesten, die die Tiefe des Dramas kenntlich machen – nicht das Buhei heftiger Wortgefechte, wie sie in amerikanischen Produktionen dieses Themas so überreich vorkommen.



45 Years | (C) Piffl Medien

Max-Peter Heyne - 11. September 2015
ID 8859
Weitere Infos siehe auch: http://45yearsfilm.com


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