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Queeres Kino

Schule der

Empfindsamkeit



Bewertung:    



In Sad Jokes (nun auch auf DVD erschienen) fesselt ein subtiler Reichtum an Verstrickungen dialogischer Art. Regisseur und Autor Fabian Stumm zeigt ungewöhnliche Miniaturen, in denen aufeinander treffende Figuren miteinander ins Gespräch kommen. Er trifft dabei atmosphärisch einen ganz speziellen Ton und ist zugleich auch Hauptdarsteller in seiner Tragikomödie. Er fängt die Leichtigkeit und Fragilität im Leben seines Alter Egos, des Filmemachers Joseph, effektvoll ein und entblößt allzu Menschliches. Dabei schafft er zum Nachdenken anregendes, sensibles Kino.

In einer intensiven und leisen Szene begegnet Joseph überraschend seinem Ex-Freund Marc (Jonas Dassler), den er insgeheim immer noch liebt, im Park wieder. Beide unterhalten sich während der kurzen Begegnung, für die sie sich spontan einen Kaffee im Becher holen. Marc meint zugewandt und redselig:


„Du bist so still. Das ist ganz ungewohnt. Du wirkst anders als früher, schüchtern irgendwie. Früher hast du mehr geredet. Ich habe dir gerne zugehört. Also ich habe mir natürlich gewünscht, dass du mir auch mal zuhörst.“


Hier trifft der Film eine Balance zwischen Leichtigkeit und spannendem Subtext.

Ein Kameraschwenk fängt den verlegenen Joseph ein, der beharrlich verdruckst meint: „Habe ich versucht.“


Marc erwidert: „Ich weiß. Ich muss langsam los.“ Joseph möchte, mutiger werdend, nachlegen. Aufgeregte kneift er die Lippen zusammen, wenn er alles auf eine Karte setzt und unsicher fragt: „Hast du manchmal das Gefühl, dass es Sinn machen könnte, es noch einmal zu versuchen?“ Marc überlegt kurz und meint knapp: „Nicht mehr.“ Der Zuschauer sieht große Enttäuschung in den Augen Josephs. Zerknittert bekräftigt er das Ende ihrer Beziehung und umarmt sozusagen das Tragische: „Jetzt auch bald nicht mehr.“


Obwohl die Figur des Joseph offensichtlich voller Selbstzweifel ist, findet sie stets Wege sich die eigene diffuse Sehnsucht nach Berührung zu erfüllen. Da schon seit langem mit Marc Schluss ist, lässt er sich von einer Freundin (Nicola Heim) zu einem Date mit dem interessierten Aktmodell Dominik (Knut Berger) überreden, obwohl ihm dies peinlich ist. Die Freundin verfasst für ihn eine Textmessage frei nach dem Motto „simple, aber sweet daten“: „Sit on my face and sing La Bamba, dein Joseph.“ Während des Dates finden sich beide auf dem Bett Josephs wieder. Prompt klingelt hier mehrfach das Babyphone, denn Joseph ist auch Vater des Kleinkindes Pino (Justus Meyer). Die Mutter des Kindes, Sonya (ausdrucksstark: Haley Louise Jones), eine Freundin von Joseph, befindet sich derweil in einer psychiatrischen Klinik. Dominik hört, wie Joseph leicht genervt mit seinem Kind im Nebenraum spricht. Es fällt Dominik danach zunehmend schwerer, sich auf Zärtlichkeiten mit ihm einzulassen.

Regisseur Fabian Stumm verliert nie das Interesse an seinen Figuren. Insbesondere die zahlreichen Nebenfiguren sind bisweilen überspitzt und sehr amüsant gezeichnet. Godehard Giese erhielt für seine Darstellung des Filmproduzenten Gero in diesem Jahr den Deutschen Filmpreis als bester Nebendarsteller. Es gibt eine spannende Szene (1:08 bis 1:13), in der sich Gero nicht überzeugt von der Idee eines Filmprojektes von Joseph zeigt:

Beide sitzen sich gegenüber.


Gero: „Gut, also ich habe dein Buch gelesen.“ Joseph lacht mit leuchtenden Augen: „Ok, super.“ Gero meint freundlich zugewandt: „Ehrlich gesagt verstehe ich nicht so richtig, was das sein soll.“ Josephs Mund klappt überrascht auf: „Oh, ok.“ Gero: „Ich dachte, es wird ‘ne Komödie.“ Joseph: „Absolut.“ Gero: „Ich fand es überhaupt nicht lustig.“ Joseph: „Nee?“ Gero: „Also wirklich gar nicht. Ich fand es wahnsinnig traurig.“ Es gibt eine Gedankenpause. Joseph blickt zur Seite, schüttelt den Kopf: „Ähm, traurig?“ Gero: „Total, ja. Also ich finde zum Beispiel die Figur von diesem Stiefvater, das ist ja schrecklich tragisch. Er hat von Anfang an keine Chance in der Familie, die sind ja völlig dysfunktional.“ Joseph: „Ich finde das hat dann viel auch mit der Inszenierung zu tun, wie man so einen Stoff umsetzt.“


Das Gespräch dreht sich dann später noch um schwarzen Humor und Karikaturen, den möglichen Suizid der Figur des Stiefvaters und eine Phobie vor Statuen, genauer gesagt: die Automatonophobie. Gero kritisiert, dass es Josephs Vorlage an Empathie fehle. Er stellt heraus, dass das Genre der Komödie eben die Königsdisziplin des Films sei. Außerdem möchte Gero irritierenderweise gerne, dass Joseph ihm den Kontakt zu einer anderen Autorin vermittelt, da seine Agentin hier in der Kontaktvermittlung eher lahm sei. Dem unangenehm berührten Joseph entgleiten sichtlich die Gesichtszüge.
Sein komisches Talent zeigte Godehard Giese übrigens auch in diesem Jahr als von der Klatschpresse verfolgter Finanzsenator Philipp Hansen in Karoline Herfurths Wunderschöner (2025).

Der fantasievolle und strebsame Joseph erkennt, dass er nicht immer selbst die Parameter beherrscht, die sein Leben bestimmen. So hatte er mögliche Geldmittel des Produzenten Gero bereits in sein Projekt einkalkuliert. Trotzdem wird Joseph nicht entwürdigt und ist weiterhin entwaffnend charmant bestrebt, sein Projekt umzusetzen.

*

Die originelle und detailreich inszenierte Tragikomödie Sad Jokes bietet herzliches, zum Nachdenken anregendes und dramatisch intensives Heimkino.
Ansgar Skoda - 21. Dezember 2025 (2)
ID 15620
Weitere Infos siehe auch: https://salzgeber.de/sadjokes


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Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


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