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Rezension


Filmstart: 30. Dezember 2010

LAST NIGHT

Ein Film von Massy Tajedin


Es sind die unscheinbaren Augenblicke, die unser Leben verändern. Wir können uns diesen Momenten nicht entziehen. Eine Macht regt sich, die in unsere Existenz eingreift. Wir machen uns gerne vor, die Entscheidungen selbst zu treffen. Aber wir irren: Es ist jene Macht, die für uns die Entscheidungen trifft. Die unsere Zukunft bestimmt. Oft nennt man sie Liebe. Dabei ist Liebe nur eine Metapher für eine universelle Kraft, die unser Leben in seinen vielfältigen Erscheinungsformen prägt. Wie banal zu denken, ihre Energie zeige sich nur in unserem Wunsch nach Lust und Geborgenheit! Sie ist der Motor unserer quälenden lebenslangen Suche nach uns selbst. Sie durchdringt unseren Alltag bis in die banalsten Verrichtungen. Diese Idee einer Totalität der Liebe ist nicht neu. Sie wurde dafür aber um so häufiger missverstanden. Denn nicht alles, was unserer törichten Freiheitsideologie widerspricht, ist blinder Fatalismus: Goethe sah in seinem Roman Die Wahlverwandtschaften einen natürlichen „Magnetismus“ am Werk, der die Liebenden blind wie chemische Elemente zusammenführt und die ganze Natur durchdringt. Eine lebensbestimmende Kraft, die den Einzelnen in einen Zustand versetzt, in dem sein wahres Wesen aufleuchtet. In den Entscheidungen der Liebe erfahren wir uns am radikalsten, weil sie nicht auf freier Wahl beruhen. Wer liebt, kann also nicht irren?



LAST NIGHT - Foto (C) NFP


Michael und Joanna Reed sind ein verheiratetes Paar in New York. Am Abend ist eine Party, Joanna (Keira Knightly) beobachtet Michael (Sam Worthington), wie er mit der attraktiven Kollegin Laura spricht, die von der bezaubernden Eva Mendes wie eine Allegorie der weiblichen Verführung dargestellt wird. Joanna fühlt sofort die Anziehungskraft zwischen den beiden. Sie ist eifersüchtig, weshalb der Abend in einer Szene endet. Am nächsten Tag, die beiden haben sich zwischenzeitlich versöhnt, verabschiedet sich Michael. Er hat eine geschäftliche Verabredung außerhalb der Stadt, zu der ihn Laura begleiten wird. Die Schriftstellerin Joanna ist allein. Später trifft sie auf der Straße den charmanten Alex (Guillaume Canet), einen Mann, mit dem sie zwei Jahre zuvor eine Affäre hatte, die zur kurzzeitigen Trennung von Michael führte. Sie verabreden sich für den Abend. Es ist sofort klar: Joanna und Alex lieben sich noch immer. Nicht auszuschließen, dass sie in dieser Nacht wieder zusammenkommen.




LAST NIGHT - Foto (C) NFP


Die aus Teheran stammende Regisseurin Massy Tajedin inszeniert diese Vierecksgeschichte spannend und einfühlsam zugleich. Kluge Dialoge und scharfe Schnitte zeichnen diesen Film aus, dessen Charme sich dem Wunder einer improvisatorischen Leichtigkeit verdankt. Dabei spielt die Kamera (Peter Deming) souverän mit den Gesten und Blicken der Darsteller und lässt bisweilen den Zuschauer zu einem Teil dieser Geschichte werden, die so unvorhersehbar ist wie das Leben selbst. Tadjedin, die auch das Drehbuch zum Film schrieb, führt ihre Figuren nicht vor, im Gegenteil, jeder der Charaktere taugt zum Protagonisten und überzeugt durch das, was man im Theater einen „gemischten Charakter“ nennt. Und wie ein spannendes, psychologisches Kammerspiel wirkt dieser Film zweifellos. Joannas Eifersucht war vielleicht ein erstes Anzeichen für ihre eigene Unentschlossenheit. Aber zugleich war sie auch im Recht, was Michael betrifft. Er fühlt sich tatsächlich zu der attraktiven Laura hingezogen. Und Alex, der Joanna nicht vergessen konnte in diesen Jahren der Trennung, unternimmt den verzweifelten Versuch, dieser verheirateten Frau klarzumachen, welche Bedeutung sie in seinem Leben hat. Alle vier sind Getriebene, die keine Macht über ihre eigenen Entscheidungen haben. In dem, was sie tun, zeigt sich, wer sie sind. Nicht in dem, was sie sagen.


LAST NIGHT - Foto (C) NFP


Am Ende dieses klugen Filmes gibt es eine Szene, in der Joana und Alex in einem New Yorker Hotelzimmer erwachen. In diesem unscheinbaren Augenblick liegt die ganze Kraft dieses Filmes. Eine Entscheidung nach der Entscheidung bahnt sich an: Die Sonne fällt auf das Bett, in dem die beiden Liebenden angezogen erwachen. Die Nacht ist vorbei. Es ist früh, Alex muss zum Flughafen. Er fliegt zurück nach Paris, unglücklich, denn Joana hat sich für ihren Mann entschieden. Sie liebt Alex. Sie liebt Michael. Joanna nimmt ein Taxi, um zu Michael zurückzukehren. Parallel dazu erzählt der Film den Abschied von Michael und Laura. Sie hatten Sex und verabschieden sich unbeholfen. Zwischen ihnen gibt es noch keine Liebe. Joanna und Alex hingegen trennen sich, nach dieser enthaltsamen Nacht, wie zwei Verurteilte, die sich nicht wiedersehen dürfen. Der Film lässt diese Nachgeschichte offen. Die letzte Szene aber gibt ein Versprechen auf mehr, denn Joanna, nachdem sie ihren Mann Michael wiedergesehen und sich beide ihrer Liebe versichert haben, setzt plötzlich zu einem Wort an, das der Zuschauer nicht mehr hören wird. Die Geschichte dieser Liebeskonstellation ist mit Joannas Entscheidung noch nicht zu Ende.


Jo Balle - 9. Januar 2011
ID 00000004996

Weitere Infos siehe auch: http://www.lastnight-derfilm.de/


Post an den Rezensenten: joballe@kultura-extra.de



 

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Rothschilds Kolumnen

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EUROPÄISCHES JUDENTUM IM FILM
Reihe von Helga Fitzner

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Gesehen von Bobby King

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Bewertungsmaßstäbe:


= nicht zu toppen


= schon gut


= geht so


= na ja


= katastrophal

 


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