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Rezension

Filmstart: 17. Juni 2010

„Five Minutes of Heaven“ (Großbritannien, Irland 2009)

Drehbuch: Guy Hibbert
Regie: Oliver Hirschbiegel


(C) Verleih Neue Visionen

Die Realität:

Londonderry, Nordirland, am 30. Januar 1972. Katholische Bürgerrechtler gehen auf eine ungenehmigte Demonstration gegen die Repressalien der von ihnen als Besatzung empfundenen Briten. Am Ende des Tages, der als „Bloody Sunday“ in die Geschichte eingeht, sind 13 Katholiken tot, ein weiterer wird an den Folgen seiner Verletzungen noch sterben. Der brutale Angriff der britischen Armee auf die unbewaffneten Demonstranten radikalisiert die katholische Minderheit in ganz Nordirland. Viele Katholiken, insbesondere Jugendliche, schließen sich der IRA, der Irisch-Republikanischen Armee, an, die sich zunehmend zu einer Terroreinheit entwickelt. Erst 1998 wird ein Friedensabkommen zwischen den irischen Katholiken und den britischen Protestanten möglich. Da liegt die Zahl der Toten bei über 3800 Menschen. Der damalige Premierminister Tony Blair gibt 1998 eine Untersuchung in Auftrag, die die Vorfälle des „Blutsonntags“ klären soll.

Am 15. Juni 2010 gehört es zu den ersten Pflichten des frisch gebackenen britischen Premierministers David Cameron das Ergebnis des Saville-Reports der Kommission zu verkünden. Der Angriff auf die Demonstranten war durch nichts zu rechtfertigen, die alleinige Schuld an der Eskalation liegt bei der britischen Armee. Jubel bei den Iren, Angst bei den betreffenden Soldaten, die möglicherweise noch zur Rechenschaft gezogen werden.



FIVE MINUTES OF HEAVEN: Joe Griffin (James Nesbitt) will Rache nehmen - Foto (C) Verleih Neue Visionen


Die „Fiktion“... von „Five Minutes of Heaven“ basiert auf einer wahren Geschichte, die der Drehbuchautor Guy Hibbert und Oliver Hirschbiegel, der Regisseur von „Der Untergang“, sensibel bearbeitet und inszeniert haben. Der reale Joe Griffin hat in der Tat als Kind mit ansehen müssen, wie der Jugendliche Alistair Little seinen Bruder erschoss. Dieser Mord aus dem Jahr 1975 ist die Grundlage für den Film, der sehr medienkritisch beginnt.

30 Jahre nach der Tat versucht ein (fiktives) Filmteam, Opfer und Täter zusammen zu bringen. Der Bruder des Erschossenen, Joe Griffin (James Nesbitt) ist immer noch traumatisiert, weil seine Mutter IHM die Schuld am Tod des Bruders gab. Eine irrationale Reaktion, denn Alistair hätte auch den Kleinen getötet, wenn er gewusst hätte, dass er zur Familie gehört. Alistair Little hat für seine Tat 12 Jahre im Gefängnis gesessen. Als Erwachsener (gespielt von Liam Neeson) ist er geläutert, macht Vortragsreisen, versucht friedensstiftend zu wirken. Deswegen erklärt er sich auch zu dem Interview bereit, weil er es wichtig findet, dass diese Erlebnisse aufgearbeitet werden. Joe Griffin hat ganz andere Gründe, sich zu dieser Begegnung bereit zu erklären. Er will seine Five Minutes of Heaven erleben, seine fünf Minuten des Himmels, wenn er endlich seine Rache vollziehen und den Mörder seines Bruders töten kann. Hirschbiegel erzählt die Geschichte dieser bevorstehenden Begegnung sehr detailgetreu und nimmt dabei das Reality-TV aufs Korn, das wirklich glaubt, solch tief sitzende Traumata mit einem Händeschütteln vor laufender Kamera heilen zu können.

Der Film ist aber eigentlich der Komplexität des Themas gewidmet. Von Vika, einer Mitarbeiterin der Filmcrew (Anamaria Marinca), die schon bei Alistair Little zu Hause gedreht hat, erfährt Joe, dass der Täter sehr unter der Tat leidet. Sie beschreibt seine spartanisch eingerichtete Wohnung und das recht freudlose und belastete Leben, dass er zu führen scheint. Das schränkt Joe in seinen Rachegelüsten aber nicht ein. In Rückblenden werden immer wieder die Schuldzuweisungen seiner Mutter gezeigt, die mit dem Tod ihres älteren Sohnes nicht fertig wird. Das Ausmaß und die Nachhaltigkeit der Tat für beide Seiten wird überdeutlich.

Der Schauspieler James Nesbitt sagt über seine Rolle als Joe Griffin: „Seine Persönlichkeit ist sehr kompliziert, sein Leben wurde durch den Mord an seinem Bruder ruiniert. Er ist wortgewandt und intelligent, aber er kann nur schwer loslassen. Er ist nicht in der Lage, aus dieser schrecklichen Dunkelheit zu entfliehen, die den Großteil seines Lebens verhüllt hat.“

Liam Neeson arbeitete 1975 in Nordirland. „Das war damals eine üble Zeit mit Gewalt von beiden Seiten. In dem Theater (in dem ich damals spielte), gab es mehrere Bombenwarnungen. Ein paar Mal kamen Polizei und Militär und schickten uns in Kostümen hinaus auf die Straße, während sie das Theater durchsuchten. Als sie nichts gefunden haben, sind wir wieder reingegangen und haben weitergespielt. Wir waren stolz, die Einstellung zu bewahren, dass das Leben weitergehen muss.“



FIVE MINUTES OF HEAVEN: Alistair Little (Liam Neeson) leidet unter seiner Tat - Foto (C) Verleih Neue Visionen


Der Film macht sehr intensiv erfahrbar, wie schwer es ist, das Leben weiter zu führen, für Opfer und Täter. Vergebung und Selbstvergebung können sich nur nach langen Prozessen abgerungen werden.

Wenn auch die Untersuchungskommission, die 2010 den Saville-Report verfasst hat, diese schmerzhaften Auseinandersetzung niemandem abnehmen kann, so wurde doch ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen nach objektivierbaren Kriterien die Geschehnisse aufgearbeitet werden können. Das ist eine große Aufgabe, weil der Irlandkonflikt schon seit etlichen Jahrhunderten besteht und tief verwurzelt ist.


Helga Fitzner - red. / 22. Juni 2010
ID 00000004685
Originaltitel: Five Minutes of Heaven
Produktionsland: Großbritannien, Irland
Produktionsjahr: 2009
Regie: Oliver Hirschbiegel
Genre: Drama
Originalsprache: Englisch (Original mit Untertiteln)
Laufzeit: 90 Minuten
Filmformat: 35 mm
Bildformat: 1.85:1
Ton: Dolby Digital

Weitere Infos siehe auch: http://www.neuevisionen.de





 

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