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BERLINALE

Knight of Cups (USA 2015)

von Terrence Malick


Bewertung:    



Mit Terrence Malicks Filmen verhält es sich wie mit einem Anis-Bonbon: Man liebt oder man hasst es, dazwischen gibt es nichts. Malicks soeben auf der Berlinale vorgestellter neuer Film Knight of Cups reiht sich in die Tradition seiner bisherigen Werke (am bekanntesten: Tree of Life) ein.

Bereits nach wenigen Minuten stehen die ersten Zuschauer auf. Nach der Hälfte haben mehrere Dutzend den Saal verlassen. Die, die bleiben, applaudieren am Ende wie wild. Eine Welle der Begeisterung tobt durch den Saal, als beim Abspann der Name des Kameramanns (Emmanuel Lubezki) über die Leinwand flackert. Knight of Cups polarisiert wie nur wenige andere Filme auf der diesjährigen Berlinale. Die einen tun ihn als „mentales Gewichse“ ab, die anderen sprechen von einem „visuellen Orgasmus“.

Der Inhalt von Knight of Cups lässt sich in einem Satz zusammenfassen: Ein auf Abwege geratener, erfolgsverwöhnter Drehbuchautor namens Rick macht sich auf eine spirituelle Suche und findet am Ende, nach vielen Umwegen, wieder zu sich selbst. Malicks Film basiert auf The Pilgrim’s Progress, einem christlichen Pilgerroman aus dem 17. Jahrhundert. In Knight of Cups liest Ben Kinglsey daraus Passagen aus dem Off vor. Dieses Voice-Over bildet das Rückgrat des Films. Malick erzeugt somit eine stark kontemplative Stimmung. Die Wirkung ist vergleichbar mit dem Betrachten einer Lavalampe, bei dem die Gedanken irgendwann abdriften. Kingsleys Rezitationen werden gelegentlich durch kurze Dialogsequenzen der Protagonisten unterbrochen, die die (karge) Handlung vorantreiben.

Unterteilt ist Ricks Sinnsuche in Kapitel, die sich an Tarotkarten orientieren: Schönheit, Urteil, Tod, Freiheit usw. Er, der „Ritter der Kelche“, muss zahlreiche Belastproben bestehen, bis er Erlösung erfährt. Der Versuchsaufbau ähnelt sich jedesmal stark: Rick, den Erfolg, Geld und Drogen in eine tiefe Depression gestürzt haben, trifft bei jeder neuen Station auf eine Frau (Model, Nachtclubtänzerin, Prostituierte), die ihn ins Leben zurückführen soll. Die Frauen sind alle irgendwann angeödet von Ricks Traurigkeit und wenden sich von ihm ab. So auch Natalie Portman, die die Ehebrecherin Elizabeth spielt. Ihr Auftritt ist enttäuschend. Malick räumt ihr nur wenige Minuten ein, und die Tragik ihrer Figur wird nicht mal ansatzweise entwickelt. Die kurze Szene endet mit einem Nervenzusammenbruch, den Elizabeth aufgrund einer Fehlgeburt erleidet. Übergangslos folgt dann schon die nächste Szene. Portman hätte eindeutig mehr gekonnt.

Ähnlich verschwommen bleiben die Umstände Ricks gescheiterter Ehe mit Nancy, gespielt von Cate Blanchett. Risse sind auch in Ricks familiärem Umfeld zu erkennen: Eine Mutter gibt es nicht (mehr), ein Bruder ist tot (womöglich durch Selbstmord), der andere Bruder ist gewalttätig und der Vater schlichtweg überfordert. Auch hierbei gilt: Malick liefert dem Zuschauer keine verzehrfertige Geschichte mit Anfang und Ende; präsentiert werden lediglich Versatzstücke, die man dann selbst zu einem Puzzle zusammenfügen muss - wenn man nicht längst den Saal verlassen hat.

Oder man lässt die Handlung beiseite und konzentriert sich auf das, was den Film (bei allen Versäumnissen) so grandios macht: seine Bilder. Die Schönheit Lubezkis Aufnahmen ist derart ergreifend, dass es einem die Sprache verschlägt. Hier ist Magie am Werk: Was Lubezki mit seiner Kamera einfängt, scheint nicht von dieser Welt zu sein. Dies betrifft allen voran die majestätischen Naturaufnahmen (die stark an Tree of Life erinnern): Lubezki filmt die erhabene Still der Wüste, das Ballett vorbeiziehender Wolken und immer wieder das dem Menschen urvertraute Element: Wasser. Das sanfte Wellenrauschen des Ozeans bringt Rick den lang ersehnten Frieden, und die unter Wasser gefilmten Bilder in einem Swimmingpool (gezeigt werden nach Bällen tauchende Hunde) ist - ästhetisch betrachtet - wohl einer der schönsten Momente des Films.

Malick inszeniert die Natur als sinn- und friedensstiftendes Element (Parallelen zum amerikanischen Transzendentalismus des 19. Jahrhunderts sind erkennbar). Gleichzeitig führt er dem Zuschauer die gnadenlose Überlegenheit der Natur vor Augen. Düstere Bässe im niederfrequenten, kaum bewusst wahrnehmbaren Bereich konterkarieren die bestechend schönen Naturaufnahmen; sie lassen Gefahr ahnen. So findet Rick zum einen in der Wüste Erlösung, zum anderen verliert er jedoch fast sein Leben durch einen Orkan, der ihn im Schlaf überrascht.

Einen starken Kontrast zur Friedfertigkeit der Natur bilden urbane Motive, gefilmt in Los Angeles, New York und Las Vegas: zehnspurige Highways aus der Vogelperspektive, die Häuserschluchten Manhattans mit ihren spiegelnden Fassaden und den langen Schatten, die sie werfen, Ausblicke von Dachterrassen auf Häusermeere und menschenleere Straßen. Lubezki zeigt Ausschnitte rauschender Feste, bei denen schöne, unverschämt gut gekleidete Menschen alle irgendwann in rührender Eintracht in gigantischen Pools landen (Gastgeber einer dieser Partys ist Antonio Banderas). Es ist, als hätte Lubezki Fotografien von Mario Testino zum Leben erweckt.

Die Schönheit der porträtierten Menschen steht in einem krassen Gegensatz zu ihrer inneren Verfassung. Sie alle sind einsam, korrupt, auf Drogen - oder alles zusammen. Malick übt implizit Kritik an Hollywood und der Korrumpierbarkeit der sich in den Klauen des Systems befindenden Marionetten. Der Zuschauer beobachtet Rick bei einem schmutzigen Deal mit zwei Filmbossen. In einer Seitenstraße überreicht ihm einer der beiden einen Umschlag voller Geld. Rick ist viel zu überrumpelt, um zu reagieren. Schließlich nimmt er den Umschlag jedoch an. Spätestens als sich ein Wagen in dichtem Nebel, von düsterer Musik untermalt, durch die Hollywood Hills schlängelt, drängen sich Vergleiche mit Lynchs Meisterwerk Mulholland Drive auf. Metafiktionale Momente gibt es in Knight of Cups reichlich - nur leider bleiben auch sie fragmentarisch.

Malick konterkariert den (wenn auch nur illusorischen) Glamour Hollywoods mit Szenen, die zwar ebenfalls in L.A. angesiedelt sind, jedoch Menschen zeigen, deren Leben vom Filmgeschäft nicht weiter entfernt sein könnte. Entweder, weil sie auf der Straße leben und mit Hunger, Kriminalität und Alkoholismus zu kämpfen haben (so wie Ricks Bruder) oder weil sie wie die Leprakranken, die Ricks Exfrau Nancy im Krankenhaus behandelt, um ihre bloße Existenz ringen. Diese ganz und gar nicht in die mit Hochglanz polierte Welt von Knight of Cups passen wollenden Szenen hauchen dem Film Leben ein, erzeugen Tempo, werfen Fragen auf, die den bereits in einen Dämmerschlaf gefallenen Zuschauer wieder wach werden lassen. Es wäre jedoch zu viel gesagt, den Film als gesellschaftskritisch zu bezeichnen; dazu fehlt ihm erzähltechnisch die nötige Tiefe.

Der bezaubernden Naturaufnahmen in Knight of the Cups wegen lohnt ein Kinobesuch. Wer sich auf die überwältigende Schönheit der Bilder einlassen kann, wird sich zwei Stunden wie in Trance fühlen: Das meditative Potenzial von Malicks Film ist gewaltig. Enttäuscht sein wird jedoch der Kinobesucher, der klassisches Erzählkino mit Spannungsbogen, ausgearbeiteten Charakteren und sinnstiftenden Momenten vorzufinden hofft.



Lea Wagner - 13. Februar 2015
ID 8432
Weitere Infos siehe auch: http://www.berlinale.de


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