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Feuilleton


Wie haben deutsche Emigranten Amerika erlebt?

DFG unterstützt Forschungsprojekt über Briefe deutscher Auswanderer

Kaum etwas verrät so viel über persönliche Eindrücke, Erlebtes, Gefühle und Ängste wie die Briefe von Emigranten, die sie an ihre Familien oder Freunde im Heimatland geschrieben haben. Diese Dokumente sind für die
Kultur- und Alltagsgeschichte der Migration, aber auch für die Sozial-, Mentalitäts- und Sprachgeschichte Quellen von unschätzbarem Wert. Mit einem Stück deutscher Sozialgeschichte beschäftigt sich ein neues DFG-Forschungsprojekt am John-F.-Kennedy-Institut für
Nordamerika-Studien der Freien Universität Berlin. Es widmet sich den Briefen, die nach Amerika ausgewanderte Deutsche in ihre ostdeutsche Heimat geschickt haben. Das Hauptanliegen der Wissenschaftler ist es, die bestehende Briefsammlung der deutschen Emigranten zu erweitern und
die einzigartigen Quellen für die Nachwelt zu konservieren.

Briefe von Auswanderern beschreiben nicht nur das Schicksal der Emigranten, sondern sie geben auch Hinweise auf ein paralleles, wenn auch nicht immer direkt vergleichbares Erleben der Gastarbeiter, Asylbewerber und permanent in Deutschland lebenden Ausländer. Gerade
deshalb sind sie nicht nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern auch für den Schulunterricht und die politische Bildung bedeutsam.
„Auswandererbriefe demonstrieren eindringlich und unmittelbar, dass auch Deutsche einmal Einwanderer waren, ihre Sprachschwierigkeiten hatten, nicht selten diskriminiert wurden und es gelegentlich auch zu
Auseinandersetzungen mit den Einheimischen kam“, sagt Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl. Sie ist Historikerin am John-F.-Kennedy-Institut und leitet das Forschungsprojekt, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zunächst für zwei Jahre unterstützt.

In den 1980er Jahren, als eine öffentliche Einwerbung von Dokumenten bei Privatleuten in der DDR nicht möglich war, entstand in Bochum die weltweit bedeutendste Sammlung von Briefen deutscher Auswanderer. Neben gut 5000 bereits publizierten Briefen enthält die Sammlung etwa 7000
unveröffentlichte aus dem Zeitraum 1830 und 1930, die zum Teil mit umfangreichen biographischen Informationen versehen sind. Seit 1999 befinden sich die Briefe in der Forschungsbibliothek Gotha.

Die ehemalige Bochumer Sammlung besteht hauptsächlich aus Briefen, die in das Gebiet der „alten“ Bundesrepublik geschickt bzw. dort aufbewahrt wurden. „Unser Ziel ist es deshalb, die Sammlung gesamtdeutsch auszuweiten und durch Briefe aus den neuen Ländern zu ergänzen“, sagt Lehmkuhl, „denn die Probleme und Formen der Auswanderung in Deutschland sind nicht nur regional, sondern vor allem auch zwischen Ost- und Westdeutschland verschieden.“ Die teilungsbedingte Forschungslücke ist im Bereich der alltags- und mentalitätshistorischen Fragestellungen am
ausgeprägtesten, kann aber auch in Bezug auf die Untersuchungen zur Sprachentwicklung festgestellt werden, erläutert die Historikerin.

Das Einwerben und Sammeln der Briefbestände ist ein dringendes Anliegen der Forscher. „Denn bei dieser Art von Quellen, die sich in Privatbesitz befinden, müssen wir davon ausgehen, dass nach höchstens vier Generationen in der Familie kein Interesse mehr an diesen Dokumenten besteht und sie bei Todesfällen, Haushaltsauflösungen oder
Entrümpelungen endgültig verloren gehen“, sagt Ursula Lehmkuhl. „Wir müssen uns also beeilen, um dieses Quellengut zu retten, das gerade für Forschungen im Bereich der transnationalen Geschichte so ungemein wichtig ist.“

Durch intensive Werbung wollen die Wissenschaftler möglichst viele Briefe, die sich heute noch in den neuen Ländern in privater Hand befinden, aufspüren und durch Kopieren oder Konservieren der Originale für die Nachwelt erhalten. Um das Material zusammenzutragen, verfolgen
sie neue Wege: Während die Bochumer Sammlung überwiegend mit Hilfe von Pressemitteilungen zusammengetragen wurde, sollen in den neuen Ländern auch die Schulen mit einbezogen werden. „Wir wollen Lehrer ermutigen, das Thema Aus- und Einwanderung im Unterricht zu behandeln und auf
diesem Weg Schüler motivieren, in ihrer Familie und in ihrem Bekanntenkreis möglicherweise vorhandene alte Briefe aus Amerika aufzuspüren und sie im Original oder als Kopie der neuen Sammlung zur Verfügung zu stellen“, so Lehmkuhl. Dazu haben die Wissenschaftler bereits umfangreiche Materialien für die Nutzung von Auswandererbriefen im Unterricht der Sekundarstufe I und II vorbereitet. „Durch die seit einem Jahr probeweise angelaufenen Einwerbemaßnahmen über Schulen, Kirchen und verschiedene Medien haben wir schon einige hundert Briefe gesammelt. Und durch die Unterstützung der DFG kann jetzt die
Einwerbung intensiviert werden“, freut sich Lehmkuhl. Die erarbeiteten Unterrichtsvorschläge sollen in den kommenden Monaten über die Kultusministerien der neuen Länder an die Schulen verteilt werden.

Die Projektgruppe will die eingeworbenen Briefe auf den gleichen hohen Erschließungsstand wie jene der bestehenden Sammlung bringen. „Sie müssen transkribiert und hinsichtlich der Korrespondenten gründlich recherchiert werden“, erklärt Lehmkuhl das Vorgehen. Dabei sollen neue
Möglichkeiten der EDV gestützten Katalogisierung und Archivierung des gesammelten und erschlossenen Briefmaterials erprobt werden. Am Ende soll eine einzigartige Sammlung gesamtdeutscher Auswandererbriefe
entstehen. „Die arbeits- und zeitintensivste Aufgabe ist dabei das Transkribieren, denn achtzig Prozent des Briefbestandes ist extrem schwierig zu entziffern“, sagt Lehmkuhl und hofft deshalb auf Unterstützung der Bevölkerung: „Es würde unsere Arbeit ungemein voranbringen, wenn historisch interessierte Bürger die
Transkriptionsarbeit ehrenamtlich unterstützten.“

Wer sich für eine Mitarbeit an dem Projekt „Amerika-Briefe nach Ostdeutschland“ interessiert oder entsprechende Briefe „spenden“ möchte, wendet sich bitte an Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl vom John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien der Freien Universität Berlin, Lansstr. 7-9, 14195 Berlin, oder an die Forschungsbibliothek
Gotha, Handschriftenabteilung, „Nordamerika-Briefsammlung“, Schloss Friedenstein, 99867 Gotha.

Mehr im Internet unter: http://www.auswandererbriefe.de

Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
- Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl, John-F.-Kennedy-Institut für
Nordamerika-Studien der Freien Universität Berlin, Abteilung Geschichte, Tel.: 030 / 838-52474 oder 03622 / 499 00 14, E-Mail: jfkulehm@zedat.fu-berlin.de
- Cornelia Hopf, Forschungsbibliothek Gotha, Leiterin der
Handschriftenabteilung, Tel.: 03621 / 3080-0, E-Mail:
auswandererbriefe@slb-gotha.de

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Kommunikations- und Informationsstelle der
Freien Universität Berlin
Kaiserswerther Str. 16-18
14195 Berlin

Tel.: 030 / 838-73182
Fax: 030 / 838-73187


Text von Ilka Leer / FU Berlin - 4. Januar 2005
ID 1538

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