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Konzertbericht: Tim Fischer singt Georg Kreisler

Androgyne Unschuld


© Leonore Welzin April 2003

"Sssex is a wonderful habit, sssex is a marvellous thing!" aggressiv und scharfzüngig wie eine Giftschlange zischte Tim Fischer das S schon als blondierte Diva im Glamourlook früherer Programme. Im Kreissler-Programm verführt der Chansonnier jetzt ohne Glitter und Fummel, ganz unkapriziös, nur mit den bittersüßbösen Liedern des Wiener Schmäh-Spezis Georg Kreisler. Vorzugsweise jenen, die nicht zu den Everblacks gehören wie "Tauben töten im Park".

In der ausverkauften Brackenheimer Schlosskapelle springt das Leichtgewicht im weißen Dinner-Anzug und kurzgeraspeltem Haar auf die Bühne. Seien es die Lieder zum Fürchten wie die des telepathischen Killers "Also geben Sie Acht", die kritischen wie "Marsch, Marsch in den Arsch", die politischen wie "Ich wünsch mir ein mächtiges Deutschland zurück" oder die absurd komischen wie "Als der Zirkus in Flammen stand", Fischer findet für jede musikalische Preziose nicht nur den passenden Ton sondern auch die treffende Geste.


© Leonore Welzin April 2003

Er spreizt seine Arme wie Flügel und stöhnt: "Erich, du hast's mir angetan". Er zeigt das Hemd aufreißend rechte und linke Brust wenn der Text Frauen, mit allem Komfort besingt. Er springt mit großem Armschwung vor das Mikrophon und gibt die Ratschläge einer minderbegabten Schauspielerin im Umgang mit Kritikern preis. Androgyne Unschuld mit beeindruckendem Verwandlungspotenzial, nur noch der rot gelackte Mund und die schwarz getuschten Wimpern erinnern an den Vamp von einst.


© Leonore Welzin April 2003

Nach Kreislers Bühnenabschied fühlt sich der jüngste aller Kleinkunstpreisträger berufen, "die Fackel der kultivierten Boshaftigkeit zu übernehmen und weiter durchs deutsche Land leuchten zu lassen." Ohne Bühnenschnickschnack und Zwischenmoderation gelingt ihm das fast etwas zu routiniert. Zum Heulen schön wie er diese morbide Mischung aus cremiger Sentimentalität, Weltschmerz und Zynismus entschlackt. Perfekt getimte Lichtregie und kongenial arrangierter Begleitung am Flügel durch Thomas Dörschel tragen wesentlich zum überwältigenden Erfolg des Abends bei.

Als Zugabe lädt Fischer das Publikum zu einer Tiger-Party in seinen Garten. Wenn alle Gäste da sind kommen die Raubkatzen - Gastgeber Fischer schaut genüsslich beim Verzehr zu. Vorsicht, wer Fischer auf den Leim geht, bleibt kleben, sogar aus Wien waren Fans nach Brackenheim gereist.

Leonore Welzin / April 2003

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