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Theaterkritik
William Shakespeare: ROMEO UND JULIA (Schauspiel Bonn)

William Shakespeare:
ROMEO UND JULIA (Schauspiel Bonn)

Einmal mehr erweist sich András Fricsay als Shakespeare-Kenner ohne Furcht und Tadel. Nachdem der Regisseur in Bonn bereits eindrucksvoll den Hamlet inszenierte, beschert er dem Publikum in der Spielzeit 2000/2001 die berühmteste Liebestragödie und sorgt erneut für viele Überraschungen.
Vermutlich ist dieses Drama über Generationen und Jahrhunderte Shakespeares größter Erfolg beim jungen Publikum. Fricsays Bearbeitung für das Bonner Schauspiel ist ein Spagat, der sowohl den Klassiker sprachlich ernst nimmt, als auch die Bedürfnisse des jungen Publikums respektiert.
Das Ergebnis überzeugt, weil die Theaterarbeit die unsterbliche Liebesgeschichte stringent erzählt und durch die Aufnahme moderner Sprachelemente ein unprätentiöses Spiel ermöglicht.

Die offene Bühne (Wolf Gutjahr) mit einer schrägen Plattform und einem Minimum an Aufbauten, die bei Bedarf aus dem Podest hochgefahren werden, schafft Spielraum für die Darsteller und für die Phantasie der Zuschauer. Türen und Wände sind unsichtbar, jedoch werden Türen ins Spiel einbezogen: sie quietschen, knarren und werden zugeschlagen.
Die Lichtarbeit (Thomas Roscher) zirkelt erhellend um äußere Aktionen und begleitet innere Bewegung. In poetischen Momenten vereint das weite Blau die Welt von Verona mit dem Universum, während die süßen Minuten des vereinten Liebespaares nachsichtig in diffuse warme Töne getaucht werden.
Hochachtung für den Autor und sein Werk verrät auch die geschmackssichere Wahl der Kostüme (Marette Oppenberg) und der Musik (Ferenc von Szita), die sich dennoch Freiheiten erlauben kann. Zum einen dient die Farbgebung der Bekleidung der besseren Unterscheidung der verfeindeten Lager von Montagues und Capulets, zum anderen unterstützen phantasievolle Kreationen, wie beispielsweise das Gewand des mondänen Graf Paris (köstlich verspielt: Steffen Laube), die individuelle Note der Figuren.
Die Gesänge des Blinden (Reiner Beinghaus) lassen die Szenerie in der Atmosphäre der Renaissance atmen und kolorieren den Lyrismus Shakespeares mit ergreifender Feinheit. Bartóks Musik zum furiosen Tanzdrama "Der wunderbare Mandarin" wird geschickt zu den fulminanten Kampfszenen (Choreographie: Daniel Sander) eingesetzt.

Die Liebenden (Kathrin Lindner und Sebastian Münster) sind Gefangene des Systems und ohne die hoffnungslose Situation einschätzen zu können, halten sie am eigenen Wertmaßstab fest. Diese verletzbare Traumwelt ist für junge Menschen nachvollziehbar, und hätte nicht der überzeichneten Darstellung trottelig - verschrobener Eltern bedurft. So, wie die Kameradschaft im Umkreis des Träumers Romeo lebhaft gezeichnet wird, unterschlägt der Regisseur auch nicht weitere wichtige Elemente des Dramas und zeigt mit flotten, sicheren Strichen die Grenzen von Macht, Hass, Liebe und die Auswirkungen von menschlichen Unzulänglichkeiten. Hoffnung auf ein im idealen Sinne humanes Miteinander bleibt Utopie: Der Mensch ist Opfer des Menschen, da hilft nicht der Glaube und auch nicht geistlicher Beistand (Thomas Meinhardt). Ohne die Obrigkeit (sehr verhalten: Thomas Klenk), die den verfeindeten Familien zu spät Einhalt gebietet, scheinen Konflikte nicht lösbar.

Eine Feststellung irritiert: Trotz der in Sprache und Handlung zementierten Tragik fehlt dem Bühnengeschehen eine Bitterkeit und eine Gefährdung, die spürbar in die Stühle der Zuschauerränge drückt. Liegt es nur daran, dass der Ausgang hinlänglich bekannt ist?
An Monika Kroll in der publikumsbegeisternden Rolle der Amme Julias, die das Schicksal der Protagonistin hautnah miterleidet, kann es gewiss nicht liegen. Kräftiger Applaus für ihr gefühlvolles Spiel ist ihr sicher.

Fricsays Respekt vor Shakespeare steht nicht im Widerspruch mit der Tempo variierenden, modernen Spielweise. Hier ist also eine "Light-Version" zu sehen, die Dank Berücksichtigung des heutigen Sprachrhythmus und der Jugendlichkeit der sympathischen Hauptdarsteller glaubwürdig ist.
Auch wenn der Autor nicht wortgenau importiert wird, so ist in diesem Fall die Frage nach Werktreue dennoch nicht dringlich. Hier wird für das junge Publikum Klartext und im Geiste des Meisters gute Unterhaltung geboten. Somit steht Friscay mit seinem Ensemble selbstbewusst auf Augenhöhe mit Shakespeare. Solange Qualität der Maßstab ist, sind Debatten über Werktreue müßig. (V.)

Premiere am 16.9.2000, Kammerspiele Bad Godesberg
Inszenierung: András Fricsay (in einer eigenen Bearbeitung auf Grundlage der Übersetzung von A.W.Schlegel)
Bühne: Wolf Gutjahr
Kostüme: Marette Oppenberg
Musik: Ferenc von Szita
Choreographie: Daniel Sander
Licht: Thomas Roscher
Dramaturgie: Irma Dohn
mit: Thomas Klenk, Steffen Laube, Franz Nagler, Sabine Brandauer, Sebastian Müller, Michael Prelle, Zeljka Preksavec, Kathrin Lindner, Monika Kroll, Reinhard Mahlberg, Hans-Jürgen Moll, Hanno Friedrich, Jean-Claude Mawila, Jochen Langner, Thomas Meinhard, Reinhard Mahlberg, Patrick Schnicke, Matthias Hermann, Michael-Che Koch, Uwe Topmann, Henning Schulte, Werner Brehm, Hanno Friedrich, Julia Rehn

Infos zu weiteren Aufführungsterminen:
http://www.uni-bonn.de/theaterbonn

V. - red / 25.09.2000
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