Heizhaus Altenburg
Messer in Hennen
Theaterstück von David Harrower
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Ein Dorf, eine Mühle und eine Frau, die sich zwischen diesen Welten bewegt. Das Stück von David Harrower lädt ein, die Augen zu öffnen.
Das hinterwäldlerische Leben im Dorf wird verkörpert durch „Pony-William“ (Martin Andreas Greif), den Pflüger und Pferdemann unter den Bewohnern. Seine Frau Laura (Florence Matousek) gehört zu seinem Besitz. Sie kann er tun und denken lassen, was er will. Dieser Ansicht ist jedenfalls er. Doch dann kommt der Tag, an dem er Laura zur Mühle schickt, um Korn mahlen zu lassen. Der Müller Gilbert Horn (Moritz Tittel) ist der Außenseiter, den niemand kennt, jedoch alle verabscheuen, denn angeblich hat er Frau und Kind umgebracht. Aber es steckt noch etwas Anderes in diesem komischen Kauz: Er schreibt die Dinge auf, die ihm durch den Kopf gehen. Laura ist dies zunächst unheimlich, doch bald entdeckt sie an sich eine Seite, durch die sie den Müller zu verstehen beginnt. Das anfängliche Misstrauen gegen ihn schwindet, sie kommt ihm näher – und entfernt sich von dem untreuen William. So weit, bis sie den Mut aufbringt, sich endgültig von ihm loszusagen und gemeinsam mit Gilbert ihr altes Dasein in Person ihres Mannes zu vernichten.
Happy End? Nicht direkt, denn der Müller verlässt den Ort. Allein. „Das Dorf braucht einen neuen Müller“ – so lautet das Schlusswort in dem Schauspiel, das in der tiefgründigen Darstellung menschlicher Wesenszüge seinesgleichen sucht. Die fabelhafte Umsetzung auf der kleinen, aber irgendwie prädestinierten Bühne im Heizhaus Altenburg wird begleitet von Musikeinspielungen, die eine Gänsehaut verursachen. Das schauspielerische Engagement zeugt vom Streben nach Perfektion und der unübersehbaren Hingabe zur Kunst. Auch wenn gehäuft mit Kraftausdrücken gespielt wird, wirkt das nicht abstoßend, sondern eher wie ein Hilferuf. Die Charaktere können sich mit dem bisherigen Leben nicht mehr zufrieden geben. Dadurch wird die anderthalbstündige Vorstellung unter der Regie von Alexander Flache und Regieassistenz von Karen Seidel und Maximilian Bubinger noch dynamischer, jünger und das Wichtigste: Sie bleibt im Gedächtnis.
Der einzige Kritikpunkt geht weder an das Ensemble, noch an die Produktion, sondern ist allein an die fehlenden Zuschauer gerichtet: Warum wird eine verhältnismäßig kleine Spielstätte bei einem so vielversprechenden Titel – außer zum Premierentermin am 14. Juni 2008 – nicht gefüllt? Für alle, die sich an dieser Stelle schuldig fühlen, gibt es jedoch Hoffnung. Vom 14. bis zum 16. Juli 2008 gastiert das Stück in Hamburg. Außerdem besagen Gerüchte bereits, dass „Messer in Hennen“ in der nächsten Spielzeit mit auf den Plan gesetzt wird. Es wird also wahrscheinlich nicht bei den zwei Aufführungen dieser ursprünglichen Zusatzproduktion bleiben. Die Reaktionen des Publikums lassen jedenfalls auf eine erfolgreiche Zukunft hoffen.
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Heidi Beer - red. / 29. Juni 2008 ID 3908
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