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Theater- Feuilleton

Lear. Ungehorsam. Unfreiwillig.

Nach William Shakespeare
Sophiensaele, Berlin


Im offenen Festsaal der Sophiensaele stehen ein paar bunte Kästen herum, in der Mitte, erhöht, ein Chefsessel, Thron. Drumherum die Schauspieler in ähnlich ausgesucht hässlichen, also sehr trendigen Kostümen. Man singt und schnell ist deutlich, daß Shakespeare hier nur eine lockere Vorlage ist. Flapsig bis ordinär wird kommentiert, von weiteren Liedern unterbrochen und mit diversen Soundschnipseln unterlegt. Es wird hemmungslos berlinert und zunächst Schampus, später Bier getrunken und Zigaretten geraucht. Das Personal steht oder lümmelt im Bühnenbild herum, viel "inszeniert" scheint insgesamt nicht.

Aber die Schauspieler erfinden aus dieser Situation amüsante Momente. In einem guten bis sehr guten Ensemble sticht heraus: elegant und auffallend schön sprechend: Vivien Mahler als Goneril, die einen großen Moment herbeizaubert, als sie Cohens "The Future Is Murder" singt und sich selbst auf einem Mini-Keyboard begleitet. Ihr Gegenpart, die Schwester Regan wird von Antonia Holfelder bodenständiger angelegt, auch sie mit hübschen Einzelheiten. Die jüngste im Bunde, Cordelia (Martina Schiesser) steht zuletzt mit Papa Lear am Tresen und philosophiert im Gestus einer Berliner Göre. Sie ist überzeugend, wenn auch die Figur fast aus dem Stück heraus inszeniert ist. Alexis Bug spielt den Edmund als "milchige Sanftheit", die man ihm attestiert, anfangs weiß man nicht sicher, ob er tatsächlich nicht mehr kann, als herumstehen und Text aufsagen, aber auf Dauer entwickelt das sowohl komisches Potential als auch Abgründe. Sebastian Weber als Edgar darf dagegen seine virtuosen Comedy-Fähigkeiten einsetzen. Und dann ist da natürlich noch Lear, Maximilian Löser-Hügel, der als ein Alt-Rocker mit Berliner Schnauze daher kommt, viril und lautstark, daß man sich fragt, warum er die Herrschaft überhaupt hergibt. Sein Wahn am Ende ist nur noch Suff, der Untergang des Reiches ist "Becks" statt "Veuve Cliquot".

In all den sehenswerten schauspielerischen Momenten geht allerdings Lears Drama unter. Allzu leger und en passant verlaufen die neunzig Minuten. Wenn zuletzt eigentlich alle tot sind, sieht es auf der Bühne aus, wie am Ende einer durchzechten Nacht. Einmal ausschlafen und aufräumen und alles wird wieder gut, so könnte man meinen. Die Botschaft vom "Ende des Staates", die einer der beiden Statisten, die Lear begleiten, sympathisch unbeholfen formuliert, bleibt bloße Text-Behauptung.

Sven Lange / 3. Juni 2003
mit: Maximilian Löser-Hügel, Vivien Mahler, Antonia Holfelder, Martina Schiesser, Sebastian Weber, Alexis Bug, Theo Heuss, Lars Rennebaum; Regie: Angela Richter; Ausstattung: Sabine Kohlstedt; Musik: Ted Gaier

Aufführungsdauer: 90 Minuten

www.sophiensaele.de
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