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Theaterkritik

Andrew Lloyd Webber:
JESUS CHRIST SUPERSTAR. Eine Rock-Oper (Opernhaus Halle)



Jesus Christ Superstar am Opernhaus Halle

Das Opernhaus Halle, hochgelobtes Musiktheater in Sachsen-Anhalt, führt die einzige Rock-Oper des später fließbandgleich eingängige Musicals produzierenden Andrew Lloyd Webber auf, Gerhard Platiel inszeniert das 30 Jahre alte Werk mit Premiere am 15. Februar 2002. Als skandalös galten bei der Uraufführung in New York 1971 die geänderten Perspektiven und die neu interpretierten Funktionen der Handelnden in der Passionsgeschichte: Jesus als innerlich zerrissener Philosoph und gehetzter schlafloser Anführer, Judas als Realist und Pragmatiker, als berechtigter Kritiker des träumerischen Jesus, Maria Magdalena als Geliebte Jesu, die ihn mit ihrer Liebe auf den Boden der Tatsachen zurückholen will, Pilatus als hilflose Marionette des rasenden Volkswillens - interessante Thesen, die in den 70er Jahren noch polarisierten und provozierten. Heute dagegen ist das ehedem radikal neue Sichtweisen aufzeigende Stück genau da angekommen, wo es gespielt wird: bei ambitionierten Schultheatern und musikalischen Laienspielgruppen, auf sommerlichen Burgfestspielen und eben in hochgelobten Musiktheatern in der Provinz. Das radikale, kritische Potential dieser Rock-Oper geht dabei leider meistens stiften. Das Opernhaus Halle ist da keine Ausnahme - obgleich vieles wirklich gut gelingt.

Das Bühnenbild ist durchweg ansprechend und reich an Symbolen: am Himmel zwei riesige, über dem Kreuz schwebende Dreiecke aus stählernen Bühnenträgern und bunten Neonröhren, die immer wieder den Davidstern formen, zerborstene Himmelstreppen im Bühnenhintergrund, ein sich immer wieder hydraulisch über die Menschen erhebender Priesteraltar. Dagegen sind Kostüme und Ausstattung interessant, aber nicht aus einem Guß: Priester und Wachen in starrer Science-Fiction-Aufmachung, während der Chor in flohmarktgleicher Hippie-Kluft zwischen Kaufhalle und Army-Shop schwankt.

Im Orchestergraben versammelt Harald Knauff neben dem soliden Hausorchester eine Band, die zwar immer perfekt intoniert, die aber leider nie beginnt zu "grooven" und rhythmisch zu fesseln. Der wie kaum ein anderer der Darsteller begeisternde, mystisch-intrigante Hohenpriester Kaiphas (W. Stephen Shivers) gibt das Wort weiter an einen faden und schnauzbärtigen Pilatus (Olaf Schöder), dessen Gestus und Gesang keinen Funken von dem Elend vermitteln, das Original-Texter Tim Rice seinen Pilatus durchmachen lässt. Ähnlich konträr stehen sich die stimmlich sehr beachtliche Maria Magdalena (Ines Agnes Krautwurst), sehr schön und sehr glaubhaft um Jesus besorgt, und der gesanglich wie im Auftreten recht hüftsteife Petrus (Marc Pagan) gegenüber. Am deutlichsten aber wird die Zwiespältigkeit der Aufführung, betrachtet man die beiden rivalisierenden Protagonisten. Im positiven Extrem überzeugt Jesus (Sascha Th. G. Krebs) mit waschechter Rock-Röhre und souveränem Spiel sogar in der höchst intensiven Tempelszene, in der Wut, Leid und Tonhöhe ihm alles abverlangen. Dagegen enttäuscht Judas (Stefan Vinzberg), der einzig echte Schwachpunkt der Produktion. Seinem stelzenden Gehabe glaubt man die Besorgnis um die reinen Lehren des Jesus zu keiner Zeit. Ein brauner Lederanzug macht eben noch keinen Rocksänger aus, uninterpretiert abgesungene Ligaturen ergeben noch keinen Rock-Gesang.

So gehen leider die hohen Erwartungen, die Teile der Inszenierung zu Recht wecken, in anderen Teilen verloren. Vieles übertrifft die Erwartungen an ein Musiktheater in der Provinz, einiges enttäuscht sogar diese. Dazu wird - wie derzeit oft - bei der Halleschen Inszenierung Jesus Christ Superstar zu wenig als moderne Gesellschaftskritik und zu sehr als schrilles Kostüm- und Revue-Spektakel mit skurrilen Witzfiguren verstanden.

Grischa Zeller / 22. Februar 2002
Jesus Christ Superstar
Eine Rock-Oper
Text von Andrew Lloyd Webber
Musik von Tim Rice
Deutsch von Anja Hauptmann

Premiere: 15.02.2002, Opernhaus Halle

Musikalische Leitung: Harald Knauff
Inszenierung: Gerhard Platiel
Ausstattung: Bernd Leistner
Choreographie: Ralf Rossa
Choreinstudierung: Ulrike Stein
Dramaturgie: Volker Weiske

Orchester des Opernhauses Halle
Chor des Opernhauses Halle
Statisterie des Opernhauses Halle
Weitere Aufführungen und Gastspiele: http://www.opernhaus-halle.de
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