"Death Is A Star" - zum Tode von Joe Strummer
21. August 1952 - 22. Dezember 2002
Am Sonntag, den 22. Dezember 2002 verstarb in seinem Haus in Broomfield/Südengland der Musiker Joe Strummer an einem Herzinfarkt.
Er war als Sänger, Gitarrist und Songschreiber Gründungmitglied der Punkrock-Band The Clash, die zusammen mit den Sex Pistols in den späten Siebziger Jahren die britische Musikszene wenn nicht revolutioniert, dann aber heftig durcheinander gewirbelt und erheblich bereichert haben.
John Graham Mellor, so sein bürgerlicher Name, wurde am 21.08.1952 in Ankara als Sohn eines Diplomaten geboren, wuchs u.a. in Ägypten und Mexiko auf und entwickelte als Jugendlicher, nun in London im Internat untergebracht, eine reges Interesse an der Rockmusik.
1974 gründete er die Band The 101'ers, die vorwiegend in Pubs spielten. Doch als er zum ersten Mal die Sex Pistols live sah, verließ er die Gruppe und formierte 1976 zusammen mit Mick Jones The Clash.
Mick Jones stellte diese Vorgänge in einem späteren Interview etwas anders dar: "Wir hatten die Band eigentlich schon zusammen, nur mit dem Gesang lief es einfach nicht. Wir gingen dann in irgendeinen Pub und sahen diesen großartigen Sänger. Seine Band war allerdings Scheiße! Das sagten wir ihm, er gab uns recht, packte seine Gitarre und kam mit uns."
Wie dem auch sei, im April 1977 erschien das Debut-Album "The Clash", ein rauhes, kraftvolles Meisterwerk gegen die konstatierte Langeweile, ohne überflüssigen Schnickschnack, dafür mit ersten durchaus gelungenen Gehversuchen in Richtung Reggae und mit Texten, die von einer sehr idealistischen revolutionären Haltung geprägt waren und sich darin von den Sex Pistols unterschieden, die einen eher anarchistisch-nihilistischen Ansatz hatten. Dass jedoch ausgerechnet The Clash als die "politische Punk-Band" beim amerikanischen Medien-Konzern CBS einen Plattenvertrag unterschrieben hatten, war vielen Fans recht übel aufgestoßen.
Um die Bedeutung der ersten Punkbands und ihrer Veröffentlichungen besser zu verstehen, muß man sich die britische Musikszene Mitte der Siebziger Jahre einmal vor Augen führen.
Der Elan und die Kreativität der "Sixties" waren versandet. Die musikalischen Protagonisten hingen entweder an der Nadel, hatten sich fernöstlichen Sekten zugewandt oder genossen es - im Bewusstsein, Halbgötter zu sein - ein dekadentes Jet-Set-Gehabe zu kultivieren und zum Gelderwerb gelegentlich mal wieder eine luschige Platte aufzunehmen.
Dazu kam, und das war genau betrachtet das noch größere Elend, eine Unzahl sogenannter "Art-Rock-" oder "Progressive-Rock"-Bands, die sich von Hirnschiß zu Hirnschiß lähmten, die von Elfen und Zauberern oder noch größeren Unfug sangen, die vor jedes Instrument 27 Effektgeräte schnallten, die es als den Höhepunkt musikalischer Kreativität erachteten, wenn die Gitarre und der Synthesizer gemeinsam onanistisch solierten, und deren Songs prinzipiell mindestens sieben Minuten Langeweile verbreiten mussten.
Am erfrischendsten waren noch die Glam-Rocker, Slade, Sweet, T. Rex und Konsorten, oder Pub-Rockbands wie Dr. Feelgood oder Brinsley Schwarz. Wo die einen jedoch als kostümierte Marionetten (auf Plateausohlen!) ihrer Manager betrachtet wurden und auch nichts anderes wollten, als im bestehenden System mit Tra-La-La-Texten reich und berühmt zu werden, waren die anderen, bei aller Qualität, einfach zu bieder.
Dieses Umfeld schrie einfach nach Bands, die ihre kurzen, aggressiven Stücke herausrotzten, sich um Kohle und Äußerlichkeiten den Teufel scherten, oder zumindest glaubhaft versicherten, daß dem so wäre, deren Attitüde zwischen Leck-mich-Haltung und Klassenkampf variierte, und, das war vielleicht sogar das wichtigste, denen es vollkommen egal war, ob sie ihre Instrumente beherrschten. Das Motto war: "Drei Akkorde reichen, jeder kann in einer Band spielen."
Nach der Selbstzerstörung der Sex Pistols, die sich, Timing ist alles, kurz nach dem Erscheinen ihrer Debut-Platte "Never Mind The Bollocks" auch schon wieder verabschiedeten, galten Strummer und Kollegen als die Vorzeigeband des Punk.
1978 erschien "Give 'em Enough Rope" und sorgte für Irritationen.
Im Jahr zuvor waren die Band und ihr Manager Bernie Rhodes noch stolz gewesen, daß man der Plattenfirma einen Vorschuß über 100.000 Pfund aus dem Ärmel geleiert hatte, nun erfuhr man jedoch, daß man einen Knebelvertrag über zehn Platten unterschrieben hatte, und daß das Label sich auch in künstlerische Fragen einmischte.
Strummer verfluchte diesen Knebelvertrag bis zuletzt und brauchte bis 1996, um aus ihm wieder herauszukommen.
Gleich nach der Veröffentlichung der ersten Platte drängte die CBS auf neues Material, darüber hinaus wurde der Band ohne ihre Zustimmung der Produzent Sandy Pearlman, der bis dato durch seine Arbeit für amerikanische Heavy-Rock-Combos bekannt geworden war, aufgezwungen. Die Songs der Platte, die dann doch recht flink entstanden, sind allesamt gut, "Safe European Home" ist sogar ein absolutes Meisterstück. Pearlman verpasste der Band allerdings, wie befürchtet, einen sehr gewöhnlichen, viel zu sauberen Rocksound, der ihre eigene Note doch stark beeinträchtigte.
Die bekannteste Platte der Clash ist das Doppelalbum "London Calling". Sie wurde vom amerikanischen Musikmagazin "Rolling Stone" zur besten Platte der Achtziger Jahre ernannt. Nur pingelige Nörgler werden daraufhin weisen, daß sie bereits im Dezember 1979 erschienen war.
Von hartgesottenen Punks wurde sie als "Verrat" an den früheren Idealen geschmäht, die Musikjournaille nahm sie sehr zwiespältig auf. Die Band hatte sich vom Genre des Punks musikalisch gelöst, andere Musikstile wurden ausprobiert, Jazz, Soul, Ska, Rockabilly bereicherten den Stil der Band, sie waren endgültig zu einer Rockband geworden, jedoch zu einer brillanten.
Was bei "London Calling" noch ganz hervorragend funktioniert hatte, ging beim Nachfolger "Sandinista!" gründlich in die Hose. Auf nun drei Platten fand sich nie ein roter Faden, ein guter Teil der Stücke war schlicht und ergreifend schlecht. Eine einfache LP hätte es auch getan.
"Combat Rock", 1982 erschienen, brachte Bewährtes, klassischen Rock, ein wenig Funk und warf mit "Should I Stay Or Should I Go" den größten Hit für die Band ab, dies allerdings erst neun Jahre später, und auch nur in Verbindung mit einer Jeans-Werbung.
Joe Strummer geriet in die Schlagzeilen, weil er über mehrere Wochen verschwunden war, sich auf Island und in Paris versteckte. Eine geplante Tournee musste abgesagt werden. Zur Erklärung gab er später an, er habe das gesamte Musikgeschäft sattgehabt.
1984 verließ Mick Jones wegen der üblichen musikalischen Differenzen die Band. Strummer scharrte neue Leute um sich, im folgenden Jahr wurde mit "Cut The Crap" eine außergewöhnlich schlechte Platte herausgebracht, und das war's dann mit The Clash.
Strummer zog sich fast komplett zurück, wurde allerdings gelegentlich in London als Straßenmusiker gesehen.
Er hatte kurze Auftritte in Kaurismäkis Film "I Hired A Contract Killer" und in "Mystery Train" von Jim Jarmusch.
Was ihn bewog, als Aushilfssänger mit den Stranglers und den Pogues auf Tournee zu gehen, wird sich wohl niemals erklären lassen, zumindest im zweiten Fall wollen wir es mal mit der Liebe zur Musik versuchen.
Eine 1989 veröffentlichte Solo-Platte "Earthquake Weather" ging ziemlich unter.
Seit 1999 war er Sänger der Band The Mescaleros, mit denen er zwei sehr gute Platten veröffentlichte, und für deren drittes Album er erst Anfang Dezember neue Songs eingespielt hatte. Aus dem Debakel mit der CBS hatte er gelernt; die Mescaleros werden von einem kleinen Independent-Label veröffentlicht.
Eine Neuauflage von "The Clash" stand für Joe Strummer nie zur Debatte, mit den früheren Kollegen hatte er jedoch freundschaftliche Kontakte.
Auf seiner Beerdigung am 27. Dezember 2002 kam es zu unschönen Szenen, als die notorische Courtney Love eine schamlose Vorstellung als Klageweib gab, und die Gelegenheit nutzte, mal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Das peinliche Weib hat schon Kurt Cobain unter die Erde gebracht, ein Geschmacksempfinden war von ihr nicht zu erwarten.
Wie seine frühere Plattenfirma auf Strummers Ableben reagiert, steht zu erwarten. Der Tod ist zwar keine künstlerische Leistung, aber man kann einen Haufen Geld mit ihm verdienen.
J.S.-red.
07. Januar 2003
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