Oasis, 28.11.2002
Stuttgart, Congresscentrum B
Liam Gallagher und die Menge, Oasis, 28.11.2002. Zeichnung Björn Sonnenberg
Böse Zungen behaupten, daß Pop- und Rockmusiker, die es nötig haben, in Stuttgart aufzutreten, den Zenit ihrer Karriere überschritten hätten. Allerdings hatten die meisten Künstler, die in den letzten Jahren dort gastierten, niemals irgendeinen Zenit, man denke nur an Bryan Adams, der wo auch noch ein Freund des Grammatikpapsts Jürgen Klinsmann ist, oder die unerträgliche Tina Turner, die auf jeder ihrer zweihundert Abschiedstourneen in der (nach einem SS-Offizier benannten) Schleyer-Halle haltmachte und das dafür auch noch zahlende Publikum anschrie.
Andere Leute sagen, Bands, deren Mitglieder sich permanent wechselweise anschweigen oder prügeln, stünden kurz vor der Auflösung.
Daß das Verhältnis der Brüder Noel und Liam Gallagher seit Jahren, mal freundlich formuliert, gestört ist, weiß auch, wer sonst nichts von Musik versteht.
Und nun also ein Oasis-Konzert in der nicht so schönen Schwabenmetropole.
Eines vorneweg, der Sound war erbärmlich. Ob man an diesem Veranstaltungsort den Klang aufgrund baulicher Gegebenheiten einfach nicht regeln kann, oder ob der Mischer es nicht für nötig erachtet hatte, bei einer johlenden Menge, die jedes Gitarrenstimmen frenetisch bejubelte, seinem Beruf anständig nachzugehen, vermag und will ich nicht beurteilen. Konzertveteranen behaupteten allerdings, in jener Halle noch nie einen anständigen Sound erlebt zu haben.
Sehr sympathisch war auf jeden Fall mal das Weglassen einer Vorgruppe und der pünktliche Beginn des Konzerts um 20:55 Uhr mit "Hello" (die Textzeile "It's good to be back" kommt besonders gut in einer Stadt, in der man noch nie gespielt hat, aber wer möchte schon so pingelig sein?) von "(What's The Story) Morning Glory".
Das Publikum, zu meiner Überraschung überwiegend blutjung, feierte auch das anschließende "Hindu Times", eines der wenigen neuen Stücke, die denen der ersten beiden Platten ebenbürtig sind.
Ein Freund von mir meinte einmal recht klug, daß man die Neuerscheinungen von Bands, die man aufgrund ihres Backkatalogs schätzt, nicht mit Ihren früheren Großtaten vergleichen sollte, sondern mit den gleichzeitigen Veröffentlichungen anderer. Und da schneiden Oasis schon noch sehr passabel ab.
Liam und Noel Gallagher, Oasis, 28.11.2002. Zeichnung Björn Sonnenberg
Zurück zum Konzert: Nachdem wenige Tage zuvor seltsame Meldungen durch die Presse irrlichterten, Noel hätte Bruder Liam wegen dessen Allüren aus der Band entfernt, stand auf der Bühne zumindest jemand, der diesem sehr ähnlich sah, genauso blasiert gucken konnte und sich ebenso tölpelhaft cool bewegte. Bei dem Sound hätte Bob Dylan auf der Bühne stehen können, an der Stimme hätte man 's nicht bemerkt. (Ich war 1987 in Köln auf einem Konzert von Nikki Sudden, Dave Kusworth & The Jacobites und war während und auch nach dem Konzert fest davon überzeugt, daß das alles prima und richtig war, bis mir zehn Jahre später Nikki Sudden erzählte, daß Kusworth ein paar Tage vor jenem Konzert spurlos verschwunden war, und sie aus der Not heraus "Wolfgang from Frankfurt", der zum Glück ein wenig Gitarre spielen konnte, toupiert und kostümiert hätten und so die Tournee zu Ende spielen konnten.)
Weiter ging 's mit alten und neuen Stücken, einer feinen Version von "Stop Crying Your Heart Out", einem trägen "Live Forever" und der "Single zur Tour" "Little By Little", gesungen von Bruder Noel, wie übrigens alle Stücke der nächsten halben Stunde. Entweder hatte der nominelle Sänger sich beim gelegentlichen Tambourineinsatz überfordert oder aus irgendeinem oder keinem Grund die Lust verloren.
Sei 's drum, das sehr schöne "Married With Children" litt unter den Rückkopplungen der akustischen Gitarre, Neil Youngs "Hey Hey, My My" wurde von der juvenilen Meute offensichtlich für ein ganz neues Stück gehalten und als solches gefeiert.
"Don't Look Back In Anger erntete die erwartete und auch verdiente Massenhysterie mit Fischerchören und weinenden Schulmädels und dann stand plötzlich und gar nicht mehr erwartet wieder Liam Gallagher auf der Bühne, um das Publikum noch ein wenig mit seiner Sangeskunst und ein paar ausgeklügelten Posen zu erfreuen.
Zum Abschluß gab 's das großartige "Acquiesce", im Wechselgesang ein Manifest der brüderlichen Abhängigkeiten. Die Brüder Ray und Dave Davies hassen sich noch erbitterter, kommunizieren seit Ewigkeiten nur noch per Anwalt miteinander und haben mit den Kinks mehr als drei Jahrzehnte die allerfeinste Musik gemacht.
Als Zugabe lief "Wonderwall" vom Band, was das dankbare Publikum jedoch nicht vom Mitgröhlen abhielt.
Nicht gespielt wurden u.a.: "Rock 'n' Roll Star", "Supersonic", "Cigarettes & Alcohol", "Whatever", Roll With It", Some Might Say", "Champagne Supernova" und das komplette Album "Be Here Now".
j.s. - red / 01. Dezember 2002
Wir danken Björn Sonnenberg, der sich spontan bereit erklärte, uns mit Bildmaterial zu unterstützen, nachdem die Veranstalter mal wieder das Fotografieren untersagt hatten.
|
|
 |
Porträts / Label-Spezials
Konzertkritiken
Tonträger
Online-Musik
Spezial
Termine
|