kunst
musik
literatur
theater
film
compu Art
extra
 
redaktion
Jazz-Electro CD Tipps

Nu Jazz Listening Pearls VI



Aufgepaßt, daß hier keine Mißverständnisse aufkommen. Karl Zéro ist zwar so jemand wie der französische Helge Schneider, ein Comedian sogar mit eigener Fernsehshow, dennoch ist sein jüngst veröffentlichtes Album "Karl Zéro - Songs For Cabriolets And Otros Tipos De Veiculos" (Parasol) keine alberne Juxplatte - oder doch?
Beim Anhören wird einem auf einmal so mittelmeerisch. Man schließt die Augen und sieht sich in grauen Anzugshosen, weißem Kurzarmhemd und Panamahut am Steuer eines 50iger Jahre Cabrios, neben sich die Herzdame im Sommerkleidchen, ein großgetupftes Kopftuch über dem Haarteil und dieser unglaublichen insektenhaften Sonnenbrille. Gemütlich führt die Route entlang der südfranzösischen Rivieraküste, auf dem blau schimmernden Meer dümpeln die Fischerboote, die Sonne scheint, das Leben ist schön und die Mondlandung liegt noch in ferner Zukunft, und das alles in Technicolor und Stereo. Augen auf! Ausgeträumt! So funktioniert das Leben heute nicht mehr, lediglich das Stereoerlebnis läßt sich noch nachempfinden und dafür sorgt Monsieur Zéro. Ohne sie mit Beats und Loops Dancehallfähig zu machen, hat Zéro sich ein Potpourri von Chansons und Cha-cha-cha Schlagern der 50ties und 60ties zusammengetragen und interpretiert diese ganz im Stil der Originale mit französischem Charme und Akzent. Kultig und wunderschön.



Jerobeam - What´s the deal?! (Hazelwood) klingt sehr amerikanisch, um genauer zu sein, sehr nach Midwest und Westcoast, nach Roadmovie, nach abhängen am Pool, nach Blues, nach Rock´n Roll, aber auch nach Funk, nach Poolbillard, nach Whiskey bis morgens um drei, nach Turntable, und nach Telecaster, nach Beck und De La Soul, nach Songwriting und nach Improvisation. Auf jeden Fall nicht unbedingt nach Hamburg, wo Lennart A. Salomon, der Kopf Jerobeams herkommt. Erstaunliche Platte, definitiv sehr cool und relaxed.


Ein Jerobeam Track findet sich auch auf dem zweiten Teil der "Pop ist Sheriff" (Hazelwood) Reihe, jener in Zusammenarbeit mit der Sendung Late Lounge beim hessischen Fernsehen herausgebrachten Compilation. Wie schon der erste Teil führen auch die zwei CD´s der zweiten Folge quer durch das aktuelle Musikgeschehen jenseits des Mainstreams. Nach wie vor ein Tipp für Leute, die ihren musikalischen Horizont erweitern und sich einen kleinen Offscene-Überblick verschaffen wollen.



Eine kleine Sensation stellt das aktuelle Album "Lost Horizons" von Lemon Jelly (XL Recordings) dar. Acht Stücke, nein Werke, umfaßt die CD, die eine ungeheure Vielfalt an Klängen und Nuancen zu bieten hat. Von Flöten, Harmonica, Dudelsäcken über Streicher und Blechbläser hin zu gezupften Gitarren reicht die, allerdings elektronisch erzeugte, Instrumentierung. Die Stücke entwickeln sich geradezu, beginnen meist minimalistisch und erreichen, durch ständiges hinzufügen weiterer Elemente teilweise orchestrale Größe und Klangfülle. Lemon Jelly importieren traditionelle, ja volkstümliche Einflüsse in ihren Kompositionen, nehmen Anleihen bei Kinderliedern oder verwenden gesampelte Wortfetzen für ihre Stücke, und immer wieder sind diese gespickt mit kleinen, sich stetig wiederholenden Melodieläufen, die oft Fingerübungen für das sie darbringende Instrument gleichen. Etwas meditatives könnte man Lost Horizons bescheinigen, und irgendwie wirkt das alles very british. Lemon Jelly machen, trotz, oder gerade wegen, der vielen eher traditionellen Bausteine ein Soundgebäude, wie es interessanter und andersartiger in der Landschaft elektronischer Musik nicht sein könnte.



Das Kyoto Jazz Massive ist eines jener DJ und Produzenten Teams, das sich bislang dem Remixen und Einzeltracks produzieren verschrieben hatte. Jetzt, da bei Compost/JCR die große Debut-Album-Herausbringwelle losgetreten ist, beglücken uns auch die beiden japanischen Brüder Shuya und Yoshihiro Okino alias Kyoto Jazz Massive mit ihrem ersten Longplayer "Spirit Of The Sun" (Compost). Und ein Glück ist es tatsächlich, daß die Compost/JCR Crew alle diese Scheiben in die Plattenläden bringt, denn über die letzten Veröffentlichungen hinweg wird der hohe Qualitätsstandart der Labels mehr als deutlich. Wie der Projektname schon andeutet ist "Spirit Of The Sun" eine Jazzplatte, eine aufwendige Studio-Jazz-Produktion, die sich in der Tradition des Fusion-Jazz sieht. Eine durchweg dynamisch produzierte CD voller Flirts und Liebeleien zwischen Be-Bop und House, zwischen Breakbeat und Swing.



Den hohen Compost-Qualitätsstandart erfüllt das Label auch im Hinblick auf seine Compilations. In einer Zeit, in der fast täglich irgendein Brasil-Elektro-Bossa-Listening-Lounge-Sampler auf den Markt kommt, der dann doch wieder nur das Altbekannte in neuer Reihenfolge vermischt, schickt Rainer Trüby seine "Glücklich" betitelte Serie in die fünfte Runde. Für seine "Collection Of Brazilian Flavours From The Past And The Present" greift Trüby ganz tief in seinen Plattenschrank und schürft eben jene Feinheiten zutage, die den Standardsamplern verborgen bleiben. Aktuelles im Wechsel mit Klassikern, doch auf keinen Fall abgedroschen. "Glücklich V" (Compost), so kann ein Brasil-Elektro-Bossa-Listening-Lounge-Sampler doch noch Freude bereiten.

f.b. - red. / Februar 2003

Inhalt

Porträts / Label-Spezials

Konzertkritiken

Tonträger

Online-Musik

Spezial

Termine

[Home] [Kunst] [Musik] [Literatur] [Theater] [Celluloid] [CompuArt] [Redaktion] [Extra]
© 2003 Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
ltura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)