kunst
musik
literatur
theater
film
compu Art
extra
 
redaktion
Jazz-Electro - CD Tipps

Nujazz - listening perals III

"Geo", das wissen wir alle, stammt aus dem Griechischen und heißt Welt. "Gaddi", das wissen wohl nur die wenigsten, ist Indisch und bedeutet Kind. Zusammen ergeben die Worte den Titel des neuen Boards of Canada Albums "Geogaddi" (Warp/Zomba). Boards of Canada waren 1998 dem breiteren Publikum durch die Veröffentlichung ihres Debutalbum Music has the right to children bekannt geworden, einem in Fachkreisen höchst gelobten Elektro-Psychedelic-Album. Jetzt ist nach langer Zeit der Nachfolger erschienen und sein Sound ist typisch und unverkennbar für die Gruppe. Eine Platte von Boards of Canada läßt sich nicht in einzelnen Stücken beschreiben und zerhackstücken, sie bildet eine Einheit, einen Bogen von Musik, der sich - wie einer mathematischen Formel folgend - von Track 1 nach Track 23 spannt. Mit zurückgenommenem Tempo, subtilten, manigfaltigen Geräuschen erwacht beim Hörer die Assoziation an Natur. Plätschern, Knacken, Wehen dazwischen Sprachfetzen und Kinderstimmen, all das macht Boards of Canada aus. All das entführt uns in die meditative Welt der beiden schottischen Musiker. Ein Album zum Augenschließen und Reisen durch eine Welt, die die Zivilisation noch nicht eingeholt hat, durch neblige frühmorgendliche Wälder, über die schottischen Highlands, durch sandige trockenheisse Wüsten und Regenwälder. Nichts für Beatcounter und Tanzmäuschen.

Shibuyahot Records, ein Tochterlabel von Apricot Records hat sich die interessante Aufgabe gestellt japanische populäre Musik bei uns bekannt zu machen. Nach einem Sampler erscheint nun die erste Platte einer japanischen Band namens Sugar Plant. "Dryfruit" (Shibuyahot) heißt die Platte des Duos, die uns überraschender Weise nicht in eine abgedrehte Bonbon- und Farbrauschwelt entführt, wie wir das von Vorzeige-Japan-Combos wie Pizzicato 5, Towa Tei oder UFO gewohnt sind. Die Zehn Tracks auf Dryfruit sind weder schrill noch aufdringlich, sie sind schöne harmonische Songs und erinnern manchmal an die Cardigans, die Cultured Pearls oder auch Morcheeba, hier geschmückt von dem zarten Stimmchen Chinatsu Shoyamas. Eine erholsame Electronic-Pop-Listening CD und ein guter Anfang für Shibuyahot, der uns noch auf viel Interessantes aus Japan hoffen läßt.

Daft Punk kennen wir als inbegriff dessen, was "French House" meint. Einer der Daft Punk macher Guy-Manuel de Homem-Christo betreibt nebenbei mit seinem Partner Eric Chédeville das Label Crydamour auf dem bislang nur zahlreiche 12" veröffentlicht wurden. Nun stellt die Firma mit "Waves" (Crydamour) die erste Labelcompilation im Non-Stop-Mix vor. Treibend jagt ein Housetrack den nächsten. Eine absolute Tanzplatte, größtenteils im Daft-Punk-Stil gehalten.

Mit Stereo Total hatīs wohl angefangen. Man nehme eine Sängerin und einen Musikus der mit Computern auch ganz gut umgehen kann und fertig ist das moderne deutsche Pop-Duo. Jedenfalls fällt auf, daß in letzter Zeit mehr und mehr nach diesem Muster gestrickte Bands auftauchen. HiHo Silver sind eine davon. Bislang öffentlich noch nicht großartig in Erscheinung getreten, präsentieren sie nun ihr Debut "Hallo Hello" (Hazelwood). Den musikalischen Unterhaltungswert solcher Konstellationen habe ich bislang immer mehr im Live-Bereich denn auf Tonträger gesehen, und ich glaube ich halte es auch nach wie vor so, wenngleich ich HiHo Silver noch nicht Live gesehen habe. Dennoch funktioniert Hallo Hello auch im heimischen CD-Player. Sind recht nette Songs drauf, die leider ab und an, zum Glück nicht immer, an übertrieben Elektronik-Krach-Attacken leiden. Stellenweise istīs mir jedenfalls einfach zu doll!

"Waltz for Koop" (JCR) heißt der Longplayer der schwedischen Gruppe Koop und ich wage zu behaupten, daß diese Platte schon jetzt getrost zu den Topalben des Jahres gezählt werden darf. Hier zeigt sich, wie elegant zeitgemäßer Jazz sein kann. Sommerlich beschwingt geht es mit dem Album auf eine leider viel zu kurze Reise durch neun Songs. Man fühlt sich mal wie dösend auf Sommerblumenwiesen, dann wie fliegend über einer wohl modellierten Berglandschaft aus wattigen Wolken, den tiefblauen Himmel über sich, oder wie müde, aber glückselig im milden Morgengrauen nach durchtanzter Nacht heimspazierend. Ein Soundtrack zum entspannten Wohlgefühl. Um dieses Kleinod moderner Jazzmusik zu realisieren haben sich die beiden Schweden eine ganze Reihe mehr oder minder bekannter Gastmusiker ins Studio geholt. Neben Cecilia Stalin, Mikael Sundin, Earl Zinger und Terry Callier gehört auch Yukimi Nagano zu den auserwählten. Sie ist die Stimme, die auch dem schönsten Stück der Platte, Summer Sun, das Krönchen aufsetzt. Glückshormone noch und nöcher. Walz for Koop ist ein moderner Klassiker, ein Wegweiser dorthin, wo Jazz in Verbindung mit geschickt eingesetzten elektronischen Sounds zu schlichtweg schöner, intelligenter Musik wird.

Der brasilianische Bossa-Sound ist derzeit Stilmittel Nummer Eins und so wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn sich hinter "Brazilian Beats 3" (Mr. Bongo/EFA) einmal mehr eine Compilation vorwiegend aus brasilianisch beeinflußten Nujazz Stücken verbergen würde - dies ist aber nicht der Fall. Brazilian Beats 3 ist eine Platte, die uns brasilianische Sounds jenseits der Bossa-Nova-Vereinheitlichung näher bringen will. Hier findet sich ein Sammelsurium von bei uns weitgehend unbekannten Künstlern, die eine große Bandbreite der brasilianischen Tanzmusik, von Samba, mal mehr, mal weniger percussiv, über regelrechten Funk bis hin zu elektronischen Klängen und dann eben doch noch nujazziges präsentieren. Wer das Temperament lateinamerikanischer Musik mag, hat mit Brazilian Beats 3 eine Platte, die ihm viel Freude bereiten kann.

Noch ein Debut-Album ist zu verzeichnen und zwar von dem Berliner Duo Naomi. "Everyone Loves You" (Mole) betitelt, ist das Album gar nicht so richtig in die Elektro-Schublade zu stecken, sondern eher als eine Pop-Platte zu bezeichnen. Also Elektropop! Oder noch was anderes? Auf Everyone Loves You vermengen Naomi so manchen streng kategorisierten Stil und was dabei heraus kommt weiß durchaus zu gefallen. Pragmatisch programmierte Downbeatstücke stehen im Wechsel mit dahin gehauchtem Electronic-Listening und dann kommt einfach mal ein waschechter Popsong dazwischen. Naomi erinnern einerseits mal an Air und dann wieder an die Herren Kruder & Dorfmeister, zusammen oder in ihren Soloprojekten. Das klingt jetzt zwar irgendwie nach einer gewissen Orientierungslosigkeit, Mannigfaltigkeit aber scheint das richtigere Wort zu sein. Naomi scheinen Freude am ausprobieren und kombinieren zu haben und diese Freude vermittelt auch der Streifzug durch ihre kleine Welt in Form ihres Albums.

Manchmal sind die Überraschungen groß, ja sogar gewaltig, wenn man eine neue CD in den Player schiebt. Eine solche kommt vom Reutlinger Label Megahertz (siehe Bericht: Klangstabil), das jüngst die CD "Museum" (MHz) des gerade mal 18 jährigen Boris Mezga alias Comfort.fit herausgebracht hat. Erstaunlich in welche Klangwelten uns Mezga da entführt. Die Platte weckt zu Beginn Erinnerungen an ein typisches Machwerk aus dem Hause Ninja Tune, klingt wie von DJ Food, Funki Porcini oder Amon Tobin, entwickelt dann aber neben diesen schwerfälligen Hip-Hop verwandten Beats einen unerwarteten Reichtum an Facetten und Wendungen ohne vom straighten Pfad ins Beliebige abzugleiten. Comfort.fit bedient sich beim Jazz und Funk, mischt technoide Passagen in seine Kompositionen, spielt mit Easy-Listening und bringt hörspielartige Intermezzi. Museum wird lange nicht langweilig, dafür gibt es einfach viel zu viel zu entdecken. Wenn jemand mit 18 Jahren schon soviel musikalischen Background und Verständnis mitbringt, was haben wir da in Zukunft noch für Veröffentlichungen zu erwarten!? Da Museum kaum in jedem Plattenladen um die Ecke zu haben sein dürfte, sei hier der Weg des Mailorders über www.megahertz.org erwähnt. Portozahlen lohnt sich!

f.b. / 01. April 2002

Inhalt

Porträts / Label-Spezials

Konzertkritiken

Tonträger

Online-Musik

Spezial

Termine

[Home] [Kunst] [Musik] [Literatur] [Theater] [Celluloid] [CompuArt] [Redaktion] [Extra]
© 2002ß Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
if" size="2">© 2002ß Kultura (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)