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CD-Besprechungen:

Nick Lowe: The Convincer

Proper Records
Vertrieb: EDEL CONTRAIRE





Graham Parker: Deepcut To Nowhere

Evangeline Recorded Works
Vertrieb: EDEL CONTRAIRE


Daß es im Fußball keine Gerechtigkeit gibt, weiß auch der Laie. Ebenso verhält es sich mit der Rock- und Popmusik. Dies kann man exemplarisch mit den Beinahe- bzw. Nicht-Karrieren der beiden oben genannten Herren belegen.

Während Bon Jovi und andere minderbegabte Nichtsnutze ihren Lebensunterhalt mit der Ahnungs- und Anspruchslosigkeit ihrer Mitmenschen mehr als bequem bestreiten, veröffentlichen Nick Lowe und Graham Parker seit Jahr und Tag Geniestreich um Geniestreich, und die desinteressierte Öffentlichkeit nimmt dies nicht einmal wahr; soll heißen: Die beiden kennt kaum eine Sau!

Im Fall von Nick Lowe mag dies gerade noch zu erklären sein, hat er doch seine Karriere als Interpret nicht gerade mit Vehemenz verfolgt.

Nachdem er zwischen 1969 und 1975 Sänger, Songwriter und Bassist der gnadenlos unterbewerteten Band Brinsley Schwarz war und in dieser Zeit Perlen wie das geniale "(What's So Funny About) Peace, Love und Understanding" hervorbrachte (welches dann in einer hanebüchenen Version ausgerechnet auf dem Soundtrack zum unerträglichen Film "Bodyguard" auftauchte und dem guten Mann wenigstens auf diesem Weg ein paar Pfund einspielte) ließ sich Lowe bis 1978 Zeit für seine erste eigene Platte "Jesus Of Cool".

In dieser Zeit legte er allerdings den Grundstein für eine recht beachtliche Karriere als Produzent. Auf sein Konto gehen Veröffentlichungen wie das Debut von The Damned (die erste britische Punk-LP überhaupt), die Debut-Single der Pretenders, das von Ray Davies geschriebene "Stop Your Sobbing" und ein guter Teil des Kataloges des brillianten Elvis Costello.

Seine eigenen Veröffentlichungen erschienen in den Folgejahren sehr sporadisch und waren, wenn überhaupt, bestenfalls in Großbritannien und (tatsächlich!) in Frankreich erfolgreich.
Eine sehr schöne Zusammenstellung und einen repräsentativen Querschnitt dieses Schaffens findet man auf der CD "Basher: The Best Of Nick Lowe", die ich hiermit ausdrücklich empfehle.

Nun liegt mit "The Convincer" nach dreijähriger Pause ein neues Album vor.
Das Cover zeigt ihn, weiß geworden, als eine Mischung aus Bryan Ferry und Lloyd Bridges und suggeriert ein gelassenes Alterswerk. Und in der Tat: Es dominiert nicht mehr der ungestüme Rock'n-Roll bzw. Power-Pop der früheren Platten, der Meister bietet uns eine Melange aus verhaltenem Rhythm & Blues, Soul und Country.

Während Lowe früher gerne mal außergewöhnliche Themen besang, wie zum Beispiel erbarmungslose Bürokraten ("Little Hitler") oder Mädchen, die vom eigenen Hund aufgefressen werden ("Marie Provost" mit dem unschlagbaren Refrain "She was a winner, but became her doggy's dinner") so widmet er sich auf diesem Album überwiegend dem Thema Nr. 1, der Liebe in all ihren angenehmen und deprimierenden Facetten.

Ganz unsentimental und abgeklärt wird in "Only A Fool Breakes His Own Heart" berichtet, daß die Herzensdame einem anderen zugetan ist, jammern tut hier nur die Schweineorgel. Wirkliche Größe zeigt sich in der Niederlage.

Lakonische Bläsersätze leiten in "Lately I've Let Things Slide" den Bericht vom Tagesablauf einer resignierten Existenz mit alkoholbedingten Erinnerungslücken ein; der Gang zum Mülleimer, das Wechseln des Hemdes werden beschrieben, es tut sich ja sonst nicht viel. Gegessen wird nichts, dafür wieder mit dem Rauchen angefangen. Muß man sich um diesen Mann Sorgen machen?

Nein, denn es folgt "She's Got Soul". Verhalten euphorisch schwärmt hier ein frisch Verliebter, das soll ja auch im Alter noch möglich sein. Dazu swingt die Band. Da zeigt sich das gelassene Bewußtsein, daß die Dinge letztendlich gut ausgehen. Ohne Übermut wird, wenn niemand guckt, leicht getänzelt.
Echauffieren sollen sich bitte andere.

So erzählt Nick Lowe Geschichte um Geschichte, immer begleitet von einer absolut kompetenten und kompakten Band, in der offensichtlich niemand Egoprobleme hat.

Die Platte endet, wie es sich für einen abgeklärten Grandseigneur gehört, mit der charmanten Aufforderung "Let's Stay In And Make Love". Draußen passiert eh' nichts Wesentliches.

Ach ja: Habe ich eigentlich schon erwähnt, daß Nick Lowe mal der Schwiegersohn von Johnny Cash war? Nein? Gut.

Graham Parker allerdings wäre schon gerne Rockstar geworden, hat dafür auch einiges getan und war mehr als einmal kurz davor.

1977, als ich anfing, mich mit Musik zu beschäftigen, hatte sich die Radiolandschaft noch nicht so gnadenlos korrupt dem kleinsten gemeinsamen Nenner verschrieben, und so kam es - die etwas Älteren mögen sich erinnern - daß "(Hey Lord) Don't Ask Me Questions" von Graham Parker ziemlich häufig im Radio gespielt wurde.

1980 veröffentlichte unser Mann die hervorragende LP "The Up Escalator" (der Titel war leider nicht Programm), auf der ein Duett mit dem damals gerade zum Superstar avancierten Bruce Springsteen zu hören ist.

Als dann zur selben Zeit Graham Parker und seine Begleitband The Rumour (übrigens vorwiegend ehemalige Mitstreiter von Nick Lowe, der auch die ersten drei Platten des Herrn Parker produzierte - das nur am Rande, falls sich irgendjemand wundert, warum diese zwei Platten gemeinsam besprochen werden) in einer europaweit ausgestrahlten WDR-Rocknacht gastierten, hätten viele, auch ich, Haus und Hof verwettet, daß der Gute nun endlich seine verdiente Karriere macht. Wie man sich irren kann!

Für das mutmaßlich rotzbesoffene Publikum war die Musik viel zu subtil, die Bagage wollte "rocken", und die Qualität von Parkers Programm, in das sich auch die ein oder andere Ballade eingeschlichen hatte, war in jedem Sinne des Sprichwortes Perlen vor die Säue.

Dazu muß erwähnt werden, daß so begnadete Künstler wie Mink de Ville oder (schon wieder) Elvis Costello bei ihren Rockpalastauftritten erbarmungslos ausgepfiffen wurden. Was ja bei diesem Publikum auch schon wieder ein Ritterschlag ist.

Wie dem auch sei, mit dem kommerziellen Erfolg wurde es nichts, dies hielt Graham Parker jedoch nicht davon ab, weiterhin auf hohem Niveau Schallplatten aufzunehmen und zu touren.

Mit "Deepcut To Nowhere" liegt nun die inzwischen 27. Platte des Künstlers vor, und sie ist, wie die meisten der Vorgänger, sehr gelungen.

Das erste Stück "Dark Days" zitiert augenzwinkernd das Gitarrenlick des bereits erwähnten "(Hey Lord) Don't Ask Me Questions", im nächsten Stück erfahren wir "I'll Never Play Jacksonville Again",
sowie gegen später, daß "Syphilis & Religion" zwei Dinge sind, auf die die Welt verzichten könnte.

Wie nicht anders erwartet, bietet Parker prima Gitarrenpop mit Anleihen in den Bereichen Country, Folk und Rock.

Alle zwölf Stücke wurden sehr druckvoll eingespielt, es gibt keine überflüssigen produktionstechnischen Spielereien, das wird auch live sehr gut funktionieren. Wäre zu wünschen, daß Graham Parker sich mal wieder in deutschen Clubs zeigen würde.

J.S. - red. / 10. Dezember 2001

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