kunst
musik
literatur
theater
film
compu Art
extra
 
redaktion
CD-Besprechungen:

LORETTA

La capitale des douleurs

naiv

naiv hören+sehen

La vie est belle", singt ausgerechnet Andreas Sauer, der meisterliche Misanthrop und begnadete Songschmied a.k.a. Loretta im Eröffnungsstück seiner neuen und, das sei gleich zu Beginn festgestellt, ganz hervorragenden Platte "La capitale des douleurs" und rät uns: "...the only way to suffer life is to find it great". Da hätte man auch selber draufkommen können!

Was dieses Werk so auszeichnet, daß es selbst in einem Frühjahr voller schöner Neuerscheinungen seinen besonderen Platz in der Sammlung des Kenners finden sollte, ist Sauers Fähigkeit, unverdrossen immer wieder neue zauberhafte Melodien zu ersinnen.

Auch wenn man denkt, "jetzt ist Schluß, jetzt sind alle vorhandenen Notenwerte miteinander mehrfach kombiniert, ab jetzt gibt's nichts mehr zu erfinden", kommt der Mann mit neuen Songs, und man weiß gar nicht, wie man bisher ohne diese leben konnte.

Hier gleicht er Könnern wie Lloyd Cole, der ebenfalls noch nie eine schlechte Platte herausgebracht hat, oder XTC, die allerdings auch den einen oder anderen Käse zu verantworten haben. Und ebenso wie diese Kollegen wird sich Andreas Sauer gegen den Vorwurf, seine Musik sei gelegentlich durchaus von anderen inspiriert, mit den Worten "entscheidend ist, wie man's macht!" wehren.

Und wie man's macht, schauen wir uns doch jetzt einfach mal Stück für Stück an.

La vie est belle: die erste Single, eine klassische mid-tempo Popnummer mit einer Gitarren-Hookline, von der man nachts träumen wird. Beschrieben wird eine junge Dame, wie man sie gerne in Universitätsstädten antrifft: Vor lauter politischer Korrektheit, gepaart mit Rechthaberei leidet erheblich die Lebensqualität. Schöne Schweineorgel.

Pyjama Outlaw # 2: ein Stück, wie es die Stones seit 15 Jahren nicht mehr fertig gebracht haben. Sensationell jedoch ist die Alternativversion auf der Single. Hier glänzt Dave Kusworth mit Stimme und Gitarre. In der vorliegenden Variante gegen Ende vielleicht ein wenig zu verspielt.

Dear Maya: melancholischer Beitrag zum Thema "wie erklärt man seinem Nachwuchs, daß Dinge im Leben schieflaufen, ohne daß irgend jemand die Schuld trägt?" Das Lied wird noch schöner durch die Stimme von Ahlie Schaubel und den spartanischen Gitarreneinsatz.

Man Of Instant Sorrow: nicht die erwartete Dylan-Persiflage, trotz Mundharmonika, Gitarrist Klaus Paul zeigt, daß er ein Wah-Wah-Pedal besitzt. Nur wenige können so kitschfreie Balladen schreiben.

Why Is There Something Instead Of Nothing: besinnliche Betrachtung philosophischer Grundfragen. Freunde keltischer Fiedeln kommen hier ganz auf ihre Kosten.

It's All So Sad She Said: kurzer sympathischer Füller, mantraesk.

Monkey: schöne, ruhige Nummer, die sich bereits auf Klaus Pauls Soloplatte unter dem Titel "The Monkey" befindet. Sehr feines Zusammenspiel zwischen gezupfter und geschlagener Gitarre.

Keepsake: nicht erwartete 80 er-Jahre-Schweinerockpersiflage, leider ohne Bläsersätze, dafür mit Chören und komischen Geräuschen. "Now I got everything, except you", schön, wenn jemand das so beschwingt von sich geben kann. Klassestück, beim öfteren Hören der heimliche Hit der Platte.

Setting Sun: hübsche Gitarrenübung, bedenkliche Jammerorgel. Nicht das stärkste Stück der CD. Wäre aber auf einer Platte von Tom Petty gut aufgehoben.

Angelic: sanftmütige Lobpreisung des Weibes, nur von Verliebten wirklich zu ergründen.

La capitale des douleurs: großes Epos, schmachtende Geigen. Könnte peinlich sein, ist es aber nicht.

Bedroom Window: wunderschöne, wehmütige Ballade mit einem tollen Gitarrensolo.

Reel Around The Fountain: Dieses Lied kennt eh' jeder. Durchaus mögliche und in der Tat eigenständige Version; andere wären gescheitert. Sehr mutig und gelungen ist der Einsatz der Steelguitar. Sauer klingt zum Glück überhaupt nicht nach Morrissey.

Bemerkenswert ist die Teamfähigkeit der durchweg hochklassigen Musiker. Es stehen ganz klar die Songs im Vordergrund und die anrührenden, aber niemals sentimentalen Geschichten, die Andreas Sauer zu erzählen hat.

Das alles ergibt zusammen mit der ausgesprochen geschmackvollen Aufmachung der CD ein außergewöhnlich starkes Album, das mutmaßlich von der Kritik massiv gelobt wird und vom Käufer beharrlich ignoriert; aber das ist das Los der Hochbegabten.

Da hilft auch kein Gejammer, wie schlecht die Welt sei. Wer immer noch nicht begriffen hat, daß es in der Populärkultur um den kleinsten gemeinsamen Nenner geht, darum, den zahlenmäßig klar überlegenen Debilen und Geschmacksautisten das Geld aus der Tasche zu ziehen, soll zur Strafe den Rest seines Lebens U2 hören, Kommerzmüll für die Gutmenschen, die perfideste Form des Corporate Rock.

Natürlich bricht ein kalt kalkulierter Drecksfilm wie "Titanic" alle Zuschauerrekorde und heimst die Oskars ein und nicht der großartige "Clerks". Natürlich kauft jeder kalt kalkulierte Drecksplatten von Celine Dion und/oder Bon Jovi und nicht die wundervolle Musik der Go-Betweens.

Aber genau deshalb können sich Sektierer wie auch der Verfasser dieser Zeilen behaglich in angebrachter Selbstgerechtigkeit suhlen und andere für Vollidioten halten. Dieses Spiel funktioniert wunderbar.

Loretta haben es so gewollt. Sie könnten ja auch schlechte Musik machen.

J.S. - red. / 01. April 2003
Inhalt

Porträts / Label-Spezials

Konzertkritiken

Tonträger

Online-Musik

Spezial

Termine

[Home] [Kunst] [Musik] [Literatur] [Theater] [Celluloid] [CompuArt] [Redaktion] [Extra]
© 2002 Kultura-Extra (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)
,Geneva,sans-serif" size="2">© 2002 Kultura-Extra (alle Beiträge unterliegen dem Copyright der jeweiligen Autoren, Künstler und Institutionen. Widerrechtliche Weiterverbreitung ist strafbar.)